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Kann so etwas auch bei uns passieren?

Es war die größte Naturkatastrophe seit langem, die Flutwelle in Südasien zu Weihnachten vergangenen Jahres. Kann so etwas auch bei uns passieren? Diese Frage war gestern Thema einer Veranstaltung des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg. Etwa 70 Küstenschutz-Experten waren zusammen gekommen.

Von Werner Nording |
    Können Extremereignisse wie Tsunamis eine Gefahr für die deutsche Nordseeküste sein? Das war die Frage mit der sich gestern die 70 führenden Fachleute auf diesem Gebiet in Deutschland bei einer Tagung des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH)in Hamburg beschäftigten. Der Leiter des BSH-Referats Vorhersagedienste, Bernd Brügge, gab eine klare Antwort:

    " Die Gefahr ist äußerst gering, weil die Wahrscheinlichkeit, dass so ein Ereignis auftritt, äußerst gering ist , wir haben festgestellt in Modellversuchen, dass die Nordsee als Bremse wirkt, ein Tsunami würde auf dem Weg, das sind immerhin 900 Kilometer, so viel an Energie verlieren, dass er nur noch schwach an der Küste ankommt. Alle Simulationen haben gezeigt, dass es im Bereich von Sturmfluten liegt und das ist unser tägliches Geschäft. "

    Der Begriff Tsunami kommt aus dem Japanischen und heißt wörtlich übersetzt: Hafenwelle. Damit werden verheerende, plötzlich hereinbrechende Flutwellen bis zu einer Höhe von 30 Metern bezeichnet. Tsunamis entstehen durch die schlagartige Verdrängung ungewöhnlich großer Wassermassen:

    " Die vier Möglichkeiten sind Erdbeben, haben wir hier nicht, Vulkanismus, den wir hier nicht haben, Meteoriteneinschläge und als wahrscheinlichste Variante wäre eine Hangrutschung vor Norwegens Küste. Das hat es schon mal gegeben, ist schon mal vor 8000 Jahren passiert."

    Alle vier Möglichkeiten der Entstehung dieser Riesenwellen sind für die Nordseeküste ausgeschlossen oder doch sehr unwahrscheinlich. Um dennoch auf alle Eventualitäten eingestellt zu sein, haben sich die Experten auch mit der unwahrscheinlichen Möglichkeit beschäftigt. Dabei ist klar geworden, dass selbst in diesem unwahrscheinlichen Fall die Vorwarnzeit an der Nordseeküste ausreichen würde:

    " Ja das haben die Modellsimulationen übereinstimmend festgestellt, da war auch unter den Experten Konsens, wir hätten, wenn so eine Welle die Nordspitze Schottlands erreicht, hätten wir noch sechs Stunden Zeit, bis so eine Welle an der deutschen Küste ist, das würde uns ermöglichen, rechtzeitig davor zu warnen. Sechs Stunden ist ausreichend, wenn man sich vorstellt, dass man im Pazifik oder in Südostasien in einigen Gebieten nur 30 Minuten oder 15 Minuten Zeit hat."

    Die Fachleute sind sich auch deshalb sicher, das Problem im Griff zu haben, weil sich eine Tsunami-Welle in der flachen Nordsee ganz anders aufbauen würde, als im tiefen Ozean:

    " In der Nordsee wäre das so, dass so eine Welle deutlich langsamer ist, als im offenen Ozean, im Ozean haben wir es mit 700 Kilometer oder mehr zu tun, also Düsenjet und in der Nordsee vielleicht PKW auf der Autobahn etwa 140 km/h, der dann immer langsamer wird und irgendwann erreicht der dann auch mal ne geschlossene Ortschaft, also nur noch 50 Kilometer, das ermöglicht uns, rechtzeitig vor so einer Welle zu warnen und die Welle verliert an Energie, weil sie Reibung abgibt, das ist im offenen Ozean nicht der Fall."

    Man soll nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen, war das Ergebnis des Kongresses. Sinnvoll sei es lediglich, die vorhandene Infrastruktur moderat zu modernisieren:

    " Es könnte in der Nordsee schon reichen, wenn wir die Pegel ergänzen und sicherstellen, dass wir die Daten in Echtzeit ins Haus bekommen, damit wir daraus eine Warnung generieren, desgleichen wären unsere Warnstrukturen zu überprüfen und auf diesen Zweck anzupassen."