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Kannst du alles? Musst du Lehrer sein!

Maleike: Jetzt haben wir also eine weitere Studie, in der Lehrer und ihre Arbeit europaweit verglichen wurden. Die Deutschen kommen dabei mal vergleichsweise gut weg: Sie verdienen zwar am meisten, arbeiten dafür aber auch am längsten. Dr. Ludwig Eckinger ist Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung. Herr Eckinger, auch wenn die Frage am heutigen Weltbildungstag vielleicht ein bisschen ketzerisch klingt: Würden Sie wirklich sagen, dass diese ganzen Studien in der letzten Zeit etwas für den Lehrerberuf oder gar im Lehrerberuf bewegt haben?

    Eckinger: Ganz sicher bin ich nicht, aber ich habe dennoch die Hoffnung, dass Bildung insgesamt in unserer Gesellschaft einen höheren Stellenwert bekommt. Das ist die erste und wichtigste Voraussetzung. Damit einher geht zugleich - und das wünsche ich mir natürlich auch sehr - eine Aufwertung der Profession der Lehrerin und des Lehrers.

    Maleike: : Jetzt sind die Lehrer ja immer unter Dauerfeuerbeschuss gewesen, kann man quasi sagen. Auf der einen Seite bilden sie sich nicht genug fort, dann sind sie ständig ausgebrannt, dann bringen sie den Kindern kein Benimm bei. Wo kann man denn da vernünftig ansetzen? Die Reform der Ausbildung ist da wahrscheinlich das erste. Es gibt aber doch sicher noch mehr, was Sie sich vorstellen können.

    Eckinger: Natürlich. Die Ausbildungsreform, also die Lehrerbildung insgesamt, ist aus meiner Sicht und aus der Sicht meines Verbandes die wichtigste Problematik, die gelöst werden muss. Es wird schon viele Jahre drum herum geredet. Es ist dringend notwendig, dass wir weiterhin zwar fundiert ausgebildet werden, aber viel mehr Praxisrelevanz reinkommt. Es gibt aber eine ganze Reihe von weiteren Problemen. Das ist völlig unstrittig. Ein wichtiges Ergebnis dieser internationalen Studien, speziell von PISA, ist, dass der Unterricht verbessert werden muss. Das klingt wie ein Angriff auf die Lehrerinnen und Lehrer. Das ist aber überhaupt nicht so. Das ist ganz im Gegenteil eine ganz große Chance, dass wir Unterricht zeitgemäßer gestalten. Vorgemacht haben uns das eigentlich die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer in Deutschland, die bei IGLU eigentlich ganz gut abgeschnitten haben und vielleicht so die Note Zwei Minus bekommen haben.

    Maleike: Sie haben für die Ausbildungsreform die Praxis ganz weit nach vorne gestellt. Es gibt ja auch Praxissemester als Pflicht in einigen Bundesländern. Zumindest soll das in Angriff genommen werden. Außerdem sind Bachelor und Master in der Einführung. Das ist auch ganz praxisorientiert. Geht Ihnen das noch nicht weit genug?

    Eckinger: Eigentlich nicht. Ich muss sagen, bei diesen Praxissemestern muss man ganz genau hinschauen, wie das von Bundesland zu Bundesland gestaltet ist, ob das eine wirkliche Beziehung zum Unterricht herstellt, ob die Berufsfeldorientierung genügend groß ist, und ob nicht eine neue Kluft entsteht zwischen Theorie und Praxis. Das ist wirklich die Frage. Was die Bachelor- und Masterstudiengänge angeht, bin ich ehrlich gesagt sehr skeptisch, ob es gelingt, dass Bachelorstudiengänge wirklich gleichwertige Studiengänge sein können, die das Niveau nicht noch einmal senken, ob die also - am Beispiel Berlins kann man das zur Zeit beobachten, am Beispiel des Juniorlehrers - nicht wirklich Billigmodelle sind, die auf Schnelligkeit aus sind und nicht auf wirklich grundlegende Ausbildung.

    Maleike: Herr Eckinger, die Ausbildungsreformen sind sicher wichtig. Aber wir haben noch die aktuellen Probleme, und die müssen jetzt die amtierenden Lehrer beseitigen. Sie sollen ja alles richten. In einigen Fächern haben wir aber sehr großen Fachkräftemangel. Das heißt, die Stunden, die gefordert werden, können gar nicht gegeben werden. Wie können wir denn das sinnvoll beheben?

    Eckinger: Natürlich schlittern wir jetzt wieder in einen Lehrermangel hinein, der nur - und das sage ich sehr widerwillig, ohne dass ich da einzelne diskriminieren will - mit Quereinsteigern behoben werden kann. Darüber hinaus aber muss das Hauptfeld sowohl für die Kultusminister als auch für die Lehrerverbände bleiben, dass wir Lehrerinnen und Lehrer von den Abiturjahrgängen her werben. Das bedeutet, dass der Beruf als attraktiv dargestellt werden muss, dass die Eingangsbedingungen gut sein müssen, dass man klar und deutlich darauf hinweist, dass der Stellenwert - und damit meine ich den Status - dieser Profession hoch ist. Dann bin ich nach wie vor voller Hoffnung, dass wir genügend Lehrerinnen und Lehrer werben können.

    Maleike: Genügend müssen wir dann auch haben, weil in den nächsten zehn Jahren von insgesamt 750.000 fast die Hälfte, also mehr als 300.000, in den Ruhestand gehen. Schaffen wir es zahlenmäßig so viele Absolventen in dieser kurzen Zeit auch zu bekommen?

    Eckinger: Wir müssen es schaffen. Absolventen werden wir sicherlich in dieser Zahl nicht bekommen können, aber wir müssen einfach versuchen zu überleben. Die Zahl, die Sie genannt haben, ist richtig. Sie ist natürlich sehr, sehr hoch. Es muss jetzt auch endlich ein Bedarfsplan aufgestellt werden, der etwa einen Zeitraum von zehn Jahren enthält und umfasst, denn sonst wird dieser Schweinezyklus nie durchbrochen.

    Maleike: Dr. Ludwig Eckinger war das, der Bundesvorsitzende der Verbandes für Bildung und Erziehung zu Lehrern und Ausbildungsreform. Vielen Dank für das Gespräch.