Kommentar zur "Stadtbild"-Debatte
Merz' Aussage wird zu Recht als rassistisch kritisiert

Bundeskanzler Merz verknüpft Migration mit Kriminalität und fordert pauschale Abschiebungen, indem er Stereotype über „nicht-weiße, herumlungernde junge Männer“ bedient. Seine „Stadtbild“-Aussage wird zu Recht als rassistisch kritisiert.

Von Alexander Moritz |
"Problem im Stadtbild? - Problem im Weltbild" steht auf einem Plakat, das ein Demonstrant vor dem Brandenburger Tor hält.
"Problem im Stadtbild? - Problem im Weltbild" steht auf einem Plakat, das ein Demonstrant vor dem Brandenburger Tor hält. (picture alliance / dpa / Annette Riedl)
Es stimmt, das „Stadtbild“ hat sich verändert in den vergangenen zehn Jahren: Mehr Elektroautos, leerstehende Bürogebäude, Labubu-Plüschtieranhänger – all das hat Bundeskanzler Merz aber nicht gemeint, mit seiner nun viel diskutieren Aussage. Ihm geht es darum, welche Menschen auf der Straße zu sehen sind.
Der Kanzler sieht Integrationsunwillige, kriminelle Ausländer, die abgeschoben werden müssten. Die Bundesregierung werde „in großem Umfang Rückführungen“ organisieren, antwortete er vergangene Woche in Potsdam auf die Frage eines Deutschlandfunk-Reporters.
Merz hat recht, dass ein Teil der Asylbewerber sich nicht in die deutsche Gesellschaft integriert hat – mal aus Unwillen, mal weil die deutsche Mehrheitsgesellschaft doch nicht so offen ist, wie die damalige Bundeskanzlerin Merkel 2015 mit ihrem „Wir schaffen das“ erhofft hatte.

Verknüpfung von Migration und Kriminalität: Eine gefährliche Rhetorik

Medien berichten ausgiebig über Gewalttaten von Nicht-Deutschen, überproportional oft im Vergleich zur viel größeren Zahl deutscher Täter. Das nährt den Eindruck: Gewalt und Straftaten hätten durch Asylbewerber zugenommen, auch wenn die Statistik das nicht hergibt.
Merz verstärkt dieses Gefühl, indem er Migration und Asyl mit Kriminalität verknüpft. Seine Antwort: Abschiebungen. Merz unterstellt, man könne ja sehen, wen man abschieben muss: Nicht-Weiße, herumlungernde junge Männer – die gehören sowieso nicht hierher.

Die Gefahr lauert nicht im Stadtbild, sondern zuhause

Merz „Stadtbild“-Aussage wird zurecht als rassistisch kritisiert. Von „Remigrations“-Forderungen aus völkischen AfD-Kreisen ist die „Rückführungs“-Rhetorik des Kanzlers nicht allzu weit entfernt.

Doch statt innzuhalten, legte Merz Anfang dieser Woche nach: Er habe nichts zurückzunehmen, es brauche mehr Abschiebungen, Zitat: „Fragen Sie mal ihre Töchter“.
Merz greift damit zurück auf tiefsitzende Ressentiments, der Fratze des ausländischen, sexuellen Triebtäters, während das Bundeskriminalamt in seinem Lagebild zu Gewalt gegen Frauen ein deutlich anderes Bild zeichnet: Fast jeden Tag wird eine Frau ermordet, in den allermeisten Fällen von deutschen Männern aus ihrem direkten, familiären Umfeld. Die Gefahr lauert nicht im Stadtbild, sondern hinter zugezogenen Gardinen.

Mit affektivem Daherreden Ressentiments bedienen

Kanzler Merz weiß das vermutlich. Er spielt trotzdem auf der Klaviatur des Populismus weiter. Statt Integrationsprobleme zu lösen, schürt Merz pauschal Angst vor Migranten. Andere Gruppen übersieht er hingegen: rechtsextreme Jugendliche, betrunkene Fußballfans, gewalttägige Ehemänner – sie stören Merz' Stadtbild nicht.
Hier ist ein Gefühlskanzler am Werk, der mit affektivem Daherreden Ressentiments bedient. Das schadet einer aufgeklärten Debatte, in der Argumente mit Fakten unterlegt sein sollten. Stimmen von der AfD zurückzugewinnen wird Merz so auch nicht.