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Kapital gesucht

Den Universitäten in Deutschland fehlt immer mehr Geld. Das Geisterwort "Studiengebühren" schwebt im Raum und wird immer lauter ausgesprochen. Landesweit laufen die Studierenden Sturm gegen die Selbst-Finanzierung der eigenen Ausbildung. In Dresden versuchen Studierende, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Sie gründen zurzeit die erste deutsche Studentenstiftung. Das größte Problem: es fehlt noch viel Geld – für das Stiftungskapital.

Von Axel Köhn |
    25.000 Euro müssen Jens Bemme und seine Mitstreiter zusammenbekommen. Das ist die Mindestsumme, um eine Stiftung gründen zu können. Genauer: eine Unterstiftung der Bürgerstiftung Dresden. Das Grundkapital dieser Studentenstiftung soll irgendwann einmal so hohe Zinserlöse abwerfen, dass damit der Technischen Universität Dresden unter die Arme gegriffen werden kann. Der aktuelle Kontostand beträgt etwa 2.000 Euro. Die noch fehlenden 23.000 Euro sollen in den nächsten drei Monaten aufgetrieben werden. Dies sei machbar, sagt Jens Bemme.

    Wenn wir nicht optimistisch genug wären, dass wir das schaffen, bis Ende August, würden wir das nicht machen. Ich denke, wir schaffen das. Wie sieht das aus? Erst mal Freunde und Bekannte, Verwandte, Professoren, Universitätsleitung, Fördervereine. Wir sind in Moment am Gucken, wen gibt es alles, den man fragen könnte.

    Jens Bemme, 26 Jahre alt, studiert an der TU Dresden Verkehrswirtschaft. Gemeinsam mit 46 weiteren Studierenden hat er vor zwei Jahren einen offenen Brief an die sächsische Landesregierung geschrieben. Die Studierenden erklärten sich darin dazu bereit, Gebühren in Höhe von 100 Euro pro Semester und Student zu zahlen, wenn sich dafür die Studienbedingungen verbessern.

    Der ausschlaggebende Punkt für den offenen Brief damals war zu sagen, es macht keinen Sinn, einmal im Jahr wie zu einem Ritual mit 20.000 Studenten vor den Landtag zu ziehen, den Minister zu beschimpfen und gleichzeitig im selben Atemzug mehr Geld zu fordern. Die Argumentation stimmt einfach nicht.

    Die Studierenden haben einfach angefangen zu bezahlen – trotz des Gebührenverbots im Hochschulrahmengesetz. Aus dieser ersten Aktion ist das "Unternehmen Selbstbeteiligen" – USB entstanden, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Auf der Suche nach einer sinnvollen Verwendung für das einkassierte Geld haben sich die Studierenden um Jens Bemme die Universitätsbibliothek ausgesucht. Diese hat nun schon seit anderthalb Jahren in der Prüfungszeit am Semesterende sonntags geöffnet. Alle, die sonntags in die Bibliothek kommen, werden zudem dazu aufgefordert, einen kleinen Obolus zu spenden.

    Wir waren alle völlig unsicher, wie viele Leute an den Sonntagen in die Bibliothek kommen könnten. Wir haben gesagt, wenn da keiner kommt, dann ist klar, dass man so was nicht braucht, dann machen wir das nie wieder. Auch die Universitätsbibliothek war skeptisch, aber wohlwollend skeptisch. Sie haben gesagt, wir machen erstmal mit und gucken mal und waren vom Erfolg und von den Massen, die an den ersten Sonntagen durchgewandert sind durch die Bibliothek, auch vollkommen überrascht.

    Geld dafür bezahlen, um sonntags in die Bibliothek gehen zu können? Das passt nicht allen. Schnell gründete sich an der TU Dresden ein Aktionsbündnis gegen Studiengebühren. Eric Seidel, Mitglied des Bündnisses, findet die Studienbedingungen ohne Frage verbesserungswürdig. Auch die Öffnungszeiten der Bibliothek sollten angemessen sein, besonders in der Prüfungszeit. Die Finanzierung der Sonntagsöffnung über studentische Beiträge lehnt er aber ab. Denn das sei der erste Schritt hin zu Studiengebühren.

    Das ist das Grundproblem, dass dieses Modell den Fuß in die Tür setzt und ein Vorreiter für die flächendeckende Einführung von flächendeckenden Studiengebühren sein soll. Dort greifen dann unsere Gegenargumente, die auch allgemein gegen Studiengebühren aufgeführt werden. Zum einen ist ein wichtiger Punkt die soziale Selektivität, zum anderen wird weder das Finanzierungsproblem der Unis gelöst, noch werden die Strukturprobleme der Hochschulen gelöst.

    Jens Bemme hält aber fest an seinen Plänen für die Studentenstiftung. Das Konzept von "Unternehmen selbstbeteiligen" soll dafür die Grundlage sein. Rechtlicher Träger der Studentenstiftung werden nicht die Studierenden selbst, sondern die Bürgerstiftung Dresden. Und sobald die 25.000 Euro Gründungskapital beisammen sind, soll es losgehen.

    Erstes Ziel, und daher kommt ja auch die Stiftungsidee, ist, aus den Kapitalerträgen der Stiftung eines Tages 50 Prozent der Kosten für diese offenen Sonntage zu finanzieren. Die anderen 50 Prozent sollen weiterhin an den Sonntagen eingesammelt werden. Und der Rest ist ein großer Blumenstrauß von Ideen. Was ich mir gut vorstellen kann, zum Beispiel kleinere Tutorien.

    Selbst das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren findet das Stiftungsmodell gut. Sollte das Experiment Studentenstiftung funktionieren, könnte allerdings die öffentliche Hand auf den Geschmack kommen – und sich mehr und mehr aus der Hochschulfinanzierung zurückziehen. Eric Seidel weist noch auf einen weiteren Kritikpunkt am Konzept der Stiftung hin.

    Konkret steht drin, dass die Hochschulen die Studierenden stärker in die Finanzierung mit einbeziehen werden. Das ist ein Fakt, den ich absolut von uns weisen möchte, von den Studierenden. Denn das Studiengebühren kommen, sollte meiner Ansicht nach eine politische Entscheidung bleiben.

    Soweit, dass die Studentenstiftung einem Professor ein eingesparter Mitarbeiter finanzieren kann, wird es nicht gehen. Schon allein für die geplanten Projekte müsse das Stiftungskapital in den kommenden Jahren in den Millionenbereich ansteigen. Und ob das möglich ist, weiß Jens Bemme selbst nicht. Denn für die Studentenstiftung gibt es kein Vorbild – sie ist bislang einzigartig.

    Das was wir bisher recherchieren konnten, ist die Idee zum heutigen Zeitpunkt. Die Domain www.studentenstiftung.de war noch frei, was in heutigen Zeiten so viel heißt, dass noch nie jemand überlegt hat, sie zu reservieren. Andererseits wäre es natürlich schon spannend, wenn es davon viel mehr gäbe in 10, 15 Jahren.