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Kapitalismus 2.0 und was noch?

In Hamburg ging am Mittwoch die Next09 - die größte deutsche Internetkonferenz - zu Ende. Eigentlich, so sollte man meinen, dürfte gerade solch eine Konferenz besonders unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu leiden haben. Doch der zweitägige Brachentreff der Internetschaffenden aus Deutschland war überraschend gut besucht.

Von Markus Schuler |
    Trotz Wirtschaftskrise kamen nochmals mehr Besucher als im Vorjahr. Das zeigt zum einen, dass sich die größte deutsche Internetkonferenz etabliert hat, zum anderen, dass gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Internet-Kreative sich austauschen wollen. Hamburg, als die deutsche Internet-Hauptstadt mit Unternehmen wie Xing, Quipe oder Cellity ist da ideal. Next-Organisator Matthias Schrader nennt noch einen anderen Grund für das große Interesse an der Next:

    "Wir glauben, dass wir in der Wirtschaft eine Restrukturierung haben. Dass sich Schwerpunkte verlagern und all die Unternehmen, die sich jetzt konzentriert auf den Konsumenten ausrichten, auf seine Bedürfnisse, auf seine Wünsche – und die kriegt man am besten über das Internet angezapft - die werden auch aus dieser Krise gestärkt hervorkommen."

    Share Economy war das große zentrale Thema. Teilen im Internet. Denn: Nur wer seine Inhalte für andere freigibt, hat angesichts von Milliarden von Diensten und Webseiten überhaupt eine Chance, wahrgenommen zu werden. So vertrat der amerikanische Journalist und Buchautor Jeff Jarvis die These, dass man vom "Modell Google" lernen könne. Die Anzahl der Links auf ein Angebot offenbarten dessen Wertigkeit. Als Beispiel führte er die britische Zeitung "The Guardian" an, die ihre Inhalte per Api-Schnittstelle jedem kostenlos zur Verfügung stellt. Das Teilen von Inhalten fängt nicht nur bei den großen Plattformen an, die ihre Artikel frei verfügbar machen. Teilen beginnt schon beim einzelnen Nutzer des Webs. Sarik Weber, Chef von Cellity, einem Hamburger Unternehmen, das ein kostenloses Adressbuch 2.0 anbietet:

    "Wenn du dich umschaust, dann siehst du viele, viele Teilnehmer der Next-Konferenz mit Kameras und gerade hier neben uns wird wieder ein Interview gemacht. Ich glaube, die ehemaligen Konsumenten sind heute zu Sendern geworden. Diese Inhalte, die da eingefangen werden, persönliche Eindrücke aus dem eigenen Leben, können über die sozialen Netzwerke und andere Kanäle wie Twitter und so weiter, sehr leicht zur Verfügung gestellt, mit anderen geteilt werden. Ich glaube, das ist das wesentliche Element der Share Economy."

    Und wieder sind wir beim Micro-Blogging-Dienst Twitter, denn der basiert auf dem Prinzip des Teilens. Über verkürzte Internetadressen tauschen die Benutzer dort Informationen aus, die sie im Web entdeckt oder selbst erstellt haben. Und genau das stellt mittlerweile ein ernst zu nehmendes Problem dar. Twitter-Meldungen lassen sich fälschen. Das lässt das Prinzip des Teilens in einem anderem Licht erscheinen. Sarik Weber:

    "Wir haben gesehen, dass bei den so genannten Re-Tweets, das heißt, wenn man eine Twitter Meldung weiterleitet, dann kann man das einfach "faken" und setzt da einen Inhalt dahinter, der überhaupt nicht von demjenigen stammt und trotzdem hinterher bei Google indiziert wird. Das bedeutet, ich kann hier Inhalte einfach publizieren im Namen von anderen, ohne dass es irgendjemand gäbe, der das prüft, kontrolliert. Da ist also sicherlich noch einiges zu tun, was die Sicherheit angeht."

    Ein Paradebeispiel für das Teilen von Inhalten sind Videoplattformen wie YouTube. Die größte deutsche Videoplattform heißt Sevenload. An ihr ist der Münchner Burda-Verlag beteiligt. Chef von Sevenload ist Ibo Evsan:

    "Share Economy bedeutet, dass wir die Chancen geben Menschen mit Video zu verbinden, die von der Technologie Video keine Ahnung haben, aber mit Video arbeiten wollen. Wir teilen unser Know-How unsere Technologie mit anderen Plattformen."

    Robert Amlung vom ZDF, er ist dort für den Internetauftritt verantwortlich, sieht jedoch auch Grenzen, wenn es um das freie Teilen von Inhalten geht. Als Beispiel nennt er hochwertige Film- und Fernsehproduktionen. Bei solchen sind die Rundfunkanstalten meist nur Auftraggeber, verfügen längst nicht über alle Rechte.

    "Je professioneller der Aufwand ist und je höher der Aufwand ist bei der Herstellung von Inhalten, desto problematischer wird dieses Modell. Und es gibt eben doch viele Inhalte die brauchen eine professionelle Herstellungsweise. Das hießt: Da entstehen Kosten und diese Kosten müssen irgendwo refinanziert werden."

    Gerade für kleine Internetunternehmen ist es in der Wirtschaftskrise schwierig, zu überleben, weil Werbeformen im Netz noch längst nicht so viel Geld bringen, wie dies die klassischen Medien wie Zeitung, Zeitschrift, Radio und TV erwirtschaften. Und dennoch können Internetunternehmen profitieren, weil sie sich zwischen klassische Betreiber schieben und ihre Technologie mit Anbietern und Verkäufern teilen. Ein positives Beispiel ist das deutsche-amerikanische Unternehmen Smaato, das speziell auf Mobil-Telefonen Werbung anbietet. Petra Vorsteher von Smaato:

    "Weil Mobile Advertising eine neuen Sache ist, ein neues Medium und Firmen jetzt erst anfangen, für dieses neue Medium Geld auszugeben, sind generell eben die Budgets viel kleiner und es wird auch mehr jetzt ausprobiert und davon profitieren wir."