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Kapitalismus für alle

Im Dezember ist die Wahl zur russischen Duma. Da will Michail Prochorow mit seiner Partei "Rechte Sache" punkten. Wohlhabende Menschen, Profis und bekannte Leute wünscht er sich als Wähler. Das Durchschnittseinkommen eines russischen Bürgers müsse das höchste weltweit werden, sagt er.

Von Robert Baag | 23.08.2011
    Noch wirkt Michail Prochorow ein bisschen gehemmt, fast verlegen, als ihn der Fernsehmoderator auffordert, sein Basketball-Talent zu beweisen und den Ball im Korb zu versenken.

    "Zu niedrig hängt der Korb","
    wendet der über zwei Meter große Prochorow ein.

    ""Ja, für Sie...!"
    gibt der Moderator schlagfertig zurück... Das Publikum ist erheitert.

    "Verstanden,"
    kommt die kurze Antwort. Dreimal lässt Prochorow den Ball auftippen - wirft - und versenkt ihn sicher im Netz.

    Der Moderator ganz aus dem Häuschen:
    "Jaaaa! Ein echter Dreipunkte-Wurf! Danke! Das war Michail Prochorow!"

    Der 46-jährige Prochorow weiß natürlich, dass Show auch in Russland längst zur Politik gehört. Doch zum glamourösen Charismatiker fehlt dem - laut einschlägiger Forbes-Liste - zweitreichsten Mann Russlands dann schon noch einiges. Bis zur Duma-Wahl im Dezember hat der angeblich mindestens 18,5 Milliarden US-Dollar reiche Oligarch nur noch wenig Zeit, um an seinem Profil zu feilen. Seit kurzem Chef der Partei "Pravoe Delo" - zu deutsch: "Die rechte Sache" - will der hagere Riese mit dem kurz geschnittenen, dunklen Haar ein ganz bestimmtes Wählerpotenzial ansprechen:

    "Vor allem wohlhabende Menschen, Profis, bekannte Leute. Ich möchte eine Partei formen, die für Gleichgesinnte interessant ist, die sich einig sind, wie dieses Land sich entwickeln soll. Pragmatismus muss die Grundlage sein. Wir wollen hier leben und wir wollen, dass unser Land das glücklichste wird, und dass die Menschen, die hier leben, die glücklichsten und reichsten sein sollen. Mein Verständnis von 'Großmacht Russland' lautet: Das Durchschnittseinkommen eines russischen Bürgers muss das höchste weltweit werden. Danach möchte ich streben!"

    Nur wenige seiner Mitbürger und potenziellen Wähler scheinen ihm das abzunehmen, wenn man die Kommentare auf den diversen Blogs überfliegt. Er gehört jener in Russland immer noch weithin verhassten Kaste der Superreichen an, den Krisengewinnlern der neunziger Jahre, die damals das Land und seine gewaltigen Reichtümer unter sich aufgeteilt haben. Aber auch eine skandalumwitterte rauschende Eskapade im französischen Wintersportort Courchewel mit anschließendem kurzem Gefängnisaufenthalt ist noch längst nicht vergessen. - Nach dem Zusammenbruch der UdSSR startet der begeisterte Hobby-Sportler eine atemberaubende Karriere: Vom Bankdirektor zum Generaldirektor der "Norilsk-Nickel"-Holding, zugleich aktiv in der Goldförderung und im Medien-Bereich. Für viele Beobachter ist der aktuelle Ausflug von Russlands begehrtestem Junggesellen in die Politik daher zunächst eine echte Überraschung gewesen. Prochorows kühle Antwort jüngst bei "Echo Moskvy":

    "Niemand hat mich dazu überredet. Diese Entscheidung habe ich selbst getroffen. Es ist doch wohl für niemanden ein Geheimnis, dass für die Leute aus Russlands großem Business der Kontakt zu unseren maßgeblichen Politikern nicht schlecht ist. Dennoch: Für mich war es prinzipiell wichtig, mich erst privat zu entscheiden und dann zu informieren."

    Also nicht doch bloß ein abgekartetes Spiel mit der Moskauer Machtzentrale, um in Vorwahlzeiten vermeintlichen demokratischen Wettbewerb vorzuspiegeln? - Diplomatisch seine Antwort, wen er nach den Präsidentschaftswahlen im März 2012 am liebsten als künftiges russisches Staatsoberhaupt sähe: Medwedew oder Putin?
    "Erst einmal möchte ich gern wissen, wer von beiden antreten wird. Sobald das klar ist, kann man das auch kommentieren. Ich werde denjenigen unterstützen, in dessen Handlungsplan ich meine Gedanken, Ideen und Wünsche am besten wiederfinde."

    Wie es mit dem von den Lagern um das Machttandem Putin/Medwedew wohl initiierten, derzeit zumindest tolerierten konservativen "Projekt Prochorow" weitergehen wird, lässt sich noch nicht vorhersagen. Immerhin - so der liberale Publizist Nikolaj Svanidze:

    "Mir gefällt, dass Prochorow bereit ist, in die Politik zu gehen. Das ist interessant, garantiert aber der 'Rechten Sache' erstmal absolut gar nichts. Garantien kann es für sie nur vom Kreml, von dessen so genannten 'administrativen Ressourcen' geben. Das gilt für jede Partei bei uns. Wenn es aber Absprachen zwischen Prochorow und dem Kreml gegeben hat, dann kennen nur sie allein den Inhalt."