
"Stacheldraht doppelt, dazwischen Hunde. Holztürme, grün gestrichen mit Scheinwerfern oben drauf. Barracken."
"Es war schweinehart. Aber irgendwo auch gerecht. Irgendwas ausgefressen hatte ja jeder."
"Verliere nie Deine Träume. Hier bist Du nur, um ihrer ganz sicher zu werden."
Benjamin Hammer: Dies ist eine Geschichte, die jahrelang kaum erzählt wurde. Die Geschichte des Gefängnisses der Nationalen Volksarmee.
Von 1968 bis 1990 mussten rund 4000 Soldaten der NVA eine Zeit lang in den einzigen Militärknast der DDR. Vor den Toren der Stadt Schwedt an der Oder, direkt neben dem Petrolchemischen Kombinat, erstreckte sich ein Straflager, das so groß war wie 15 Fußballfelder.
Wir haben über das Gefängnis bereits im Juli dieses Jahres berichtet. Und dennoch hören Sie keine reine Wiederholung des Wochenendjournals. Nach der Sendung erreichte uns ein Hinweis: Der ehemalige Stabschef des Gefängnisses war inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. In dieser Sendung konfrontieren wir ihn mit seiner Vergangenheit.
Von 1968 bis 1990 mussten rund 4000 Soldaten der NVA eine Zeit lang in den einzigen Militärknast der DDR. Vor den Toren der Stadt Schwedt an der Oder, direkt neben dem Petrolchemischen Kombinat, erstreckte sich ein Straflager, das so groß war wie 15 Fußballfelder.
Wir haben über das Gefängnis bereits im Juli dieses Jahres berichtet. Und dennoch hören Sie keine reine Wiederholung des Wochenendjournals. Nach der Sendung erreichte uns ein Hinweis: Der ehemalige Stabschef des Gefängnisses war inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. In dieser Sendung konfrontieren wir ihn mit seiner Vergangenheit.
Im Militärgefängnis konnte man wegen kleinster Vergehen landen – während seines Dienstes bei der Nationalen Volksarmee. Männer, eher Jungs, gerade von der Schule gekommen – viele der Gefangenen waren Wehrpflichtige.
Die Gründe für die Haft waren vielfältig. Da waren Soldaten nicht rechtzeitig vom Heimaturlaub zurückgekehrt, sie hatten im Dienst Alkohol getrunken oder sie hatten sich einfach nur über die Deutsche Demokratische Republik beschwert. Die NVA machte in Schwedt auch politische Gefangene.
Die Gefangenen erwartete ein harter Alltag. Weckappell um vier Uhr morgens, zum Waschen im Laufschritt, militärischer Drill bei jedem Wetter. Dazu harte Arbeit auf dem Gelände oder Fabriken der Stadt Schwedt. Befehle wurden geschrien, nicht gerufen. Nach der Arbeit und Politunterricht, Bettruhe nach einem 18-Stunden-Tag.
Die Gefangenen erwartete ein harter Alltag. Weckappell um vier Uhr morgens, zum Waschen im Laufschritt, militärischer Drill bei jedem Wetter. Dazu harte Arbeit auf dem Gelände oder Fabriken der Stadt Schwedt. Befehle wurden geschrien, nicht gerufen. Nach der Arbeit und Politunterricht, Bettruhe nach einem 18-Stunden-Tag.
Nach ihrer Entlassung mussten die ehemaligen Gefangenen zurück in ihre Einheiten. Die Haftzeit wurde nicht angerechnet. "Nachdienen" nannte man das.
Permanent lebten die Gefangenen mit einer Drohung: Wer über das Erlebte mit der Außenwelt sprach, würde wieder nach Schwedt kommen. Die meisten Häftlinge hielten sich an das Verbot. Der "Mythos Schwedt" entstand, es kursierten Schreckensgeschichten. Die Postleitzahl von Schwedt, 133, stand für die NVA-Soldaten für den Armeeknast. Und da wollte man auf keinen Fall hinkommen.
Permanent lebten die Gefangenen mit einer Drohung: Wer über das Erlebte mit der Außenwelt sprach, würde wieder nach Schwedt kommen. Die meisten Häftlinge hielten sich an das Verbot. Der "Mythos Schwedt" entstand, es kursierten Schreckensgeschichten. Die Postleitzahl von Schwedt, 133, stand für die NVA-Soldaten für den Armeeknast. Und da wollte man auf keinen Fall hinkommen.
Es dauerte über 20 Jahre bis die ehemaligen Häftlinge und die Aufseher nach der Wende ihr Schweigen brachen und die Stadt hadert noch immer mit ihrem ungeliebten Knast.
Benjamin Hammer: Die Spuren von Druschba kann man in Schwedt noch immer sehen. Und hören. Druschba, Freundschaft, so nannte man die Erdölleitung aus dem Uralgebirge der Sowjetunion. 1963 wurde sie in Betrieb genommen. Ende der Leitung: Schwedt an der Oder.
Verarbeitet wurde das Öl im Petrolchemischen Kombinat – kurz PCK. Das überschüssige Gas fackelte man ab. Hohe, metallene Türme ragten dort in die Luft, mit kräftigen, zischenden Flammen oben drauf.
Damals, zu Zeiten der DDR lebten in Schwedt bis zu 50.000 Menschen. Nach der Wende ereilte die Stadt das gleiche Schicksal wie viele andere Städte, viele Bewohner verließen die Region.
Das Petrolchemische Kombinat, das gibt es noch immer. Und auch heute noch brennt ein Turm im PCK. Die Flamme zischt inmitten einer märkischen Waldlandschaft. Nur wenige Kilometer - und man ist in Polen.
Unmittelbar neben dem Petrolchemischen Kombinat liegt das Gelände des ehemaligen Militärgefängnisses.
Torsten Dressler, Archäologe: Die Leute kamen hier an, die Bestraften oder Inhaftierten dann. Und das erste – meistens kamen sie nachts im Dunkeln hier an -, was sie sahen, war diese Stichflamme und dieses Geräusch, aber auch dieser Gestank. Also dieses Verbrennen und auch dieses schwarze Rußige, was sich sozusagen ablegte, das spürten und merkten sie überall nach den Gesprächen mit den Zeitzeugen. Diese Flamme hat sich nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich in ihr Inneres, in die Seele eingebrannt.
Hammer: Torsten Dressler ist Archäologe. Das klingt vielleicht etwas merkwürdig: ein Archäologe im ehemaligen Militärknast. Wie fast alle Menschen, die sich mit dem Knast beschäftigen, hat auch Dressler eine NVA-Vergangenheit: Wehrpflicht, kurz vor der Wende. Schwedt hat sich für Dressler zu einer Leidenschaft entwickelt. Er war es, der das Gelände neu vermessen und kartografiert hat.
Dresslers Expertise ist hier gefragt. Es ist nicht leicht, sich auf dem Gelände zurechtzufinden. Dort wo einst militärische Disziplin und Ordnung herrschten, hat sich die Natur weite des Geländes längst wieder zurückerobert. Den Rest haben Menschen erledigt, viel wurde abgerissen. Große Teile des Geländes werden heute gewerblich genutzt. Dort, wo früher NVA-Soldaten ihre Kommandos mehr brüllten, als sprachen, steht heute ausgerechnet ein Abrissunternehmen, daneben ein großer Solarpark.
Dressler: Es steht heute leider nicht mehr viel, sagen wir mal, von der Bausubstanz vielleicht noch 20 Prozent. Deswegen sage ich jetzt als Denkmalschützer, Archäologe und Bauforscher, es ist wichtig, das Wenige, was wir hier haben, zu erhalten, und es ist 2012 dann auch unter Denkmalschutz gestellt worden.
Szenenwechsel
Dressler: Wir stehen vor einem Postenturm, ein Wachturm, ein sogenannter BT9, Beobachtungsturm neun. Von denen gab es hier vier Stück. Richtung Osten war das militärische Ausbildungsgelände, der Bereich mit zwei Sturmbahnen, die Laufbahnen. Schaute der Wachsoldat nach Norden raus, hatte er den Blick auf den großen Produktionsbereich. Schaute er weiter nach Westen, Blick auf das eigentliche Militärstrafgelände, wo die Militärstrafgefangenen bis zu zwei Jahren verurteilt waren. Und im Hintergrund nach Süden das Gebäude der Disziplinareinheit und das Stabsgebäude.
Hammer: Eine zweite schwere Eisentür öffnet sich, Gitterstäbe, graue Gitterstäbe, und wir kommen in einen langen kargen Trakt mit noch schwereren Eisentüren. Hier waren Zellen, Herr Dressler?
Dressler: Ja. Wir sind jetzt hier in dem besonders abgesperrten Bereich innerhalb der Disziplinareinheit, aber auch im Militärgefängnis gab es wiederum Einzelarrest-Zellen. Und in diesen Einzelarrest-Zellen, man sieht es noch, es gibt die Klappbetten, die hochklappbaren Betten an der Wand.

Hammer: Wir gehen mal in eine dieser Zellen. Ein Raum, in dem man sich in der Breite als großer Mensch kaum legen kann. Ich würde sagen, 1,80 breit?
Dressler: Ja, circa 1,80. Lang dreieinhalb Meter. Es ist ja entsprechend einer Zelle sehr spartanisch eingerichtet.
Hammer: Warum sind manche Gefangene in diese kargen Einzelarrest-Zellen gesperrt worden?

Dressler: Widerstand. Dazu zählt Arbeitsverweigerung. Andere, die politisch auffällig hier waren, am Politunterricht sich nicht beteiligten oder gar Widerspruch dagegen einlegten oder andere Meinungen vertraten, teilweise aber auch noch Delikte unter den Gefangenen: Körperverletzungen.
Hammer: Wie lange waren die Gefangenen in der Regel in diesen Einzelarresten?
Dressler: nach Aussage von den Zeitzeugen zwischen drei bis fünf Tagen. Es gibt aber auch Fälle, die länger, bis zu 14 Tage, hier drin waren. Man weiß: DDR, NVA, Disziplinareinheit und dann noch in einer Einzelarrest-Zelle, danach kann es eigentlich nichts Engeres, Eingeschlosseneres mehr geben. Man muss sich sozusagen völlig schutzlos, wehrlos gefühlt haben. Und dann, wenn man nicht versteht, warum man hier gelandet ist, die andere Seite, wenn man es verstanden hat und bewusst sozusagen gegen die DDR, gegen das Regime, gegen die NVA-Führung angegangen ist. Und das ist so ein Scheideweg: Bricht man, passt man sich an, oder ist man so stark und geht seinen eigenen Weg weiter und übersteht diese Einzelarrest-Zelle und geht gestärkt raus.