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Kapitulation in Anklam?

Rechtsextremisten haben Anklam in Vorpommern ins Visier genommen. Für sie soll die Hansestadt vor den Toren Usedoms zu einem "Nationalen Leuchtturm" werden. Dabei können die Rechten nahezu ungehindert agieren, viel Gegenwind brauchen sie bei der Verbreitung ihrer antisemitischen und rassistischen Gedanken nicht zu fürchten.

Von Thilo Schmidt | 12.01.2008
    Günther Hoffmann: "Ja, wie steht's um Anklam … Es ist leider immer noch so, dass von den regionalen Verantwortlichen die Gefahr in ihrer Tragweite noch nicht wahrgenommen wird. Und nach den Landtagswahlen hätte eigentlich spätestens angesetzt werden müssen, den Rechten die Plätze streitig zu machen, die sie erobert haben. Aber die Realität stellt sich wirklich noch anders dar, man versucht wirklich immer noch, sich rauszulavieren, sich nicht zu seiner Verantwortung zu bekennen. Und inzwischen haben wir wirklich die Situation, dass wir Regionen rund um Anklam haben, wo die Diskussionshoheit eindeutig von den Rechten beherrscht wird."

    Anklam, Sitz des Landkreises Ostvorpommern. Hansestadt. Romantisch gelegen an der Peene, vor den Toren der Insel Usedom. Lilienthalstadt, der Flugpionier ist ein Sohn Anklams. Gerne schmückt sich die Stadt damit. Anklam ist aber auch für Rechtsextremisten ein "Leuchtturm": wenig Zukunft, viele Arbeitslose. Seit Jahren verkauft ein Neonazi-Laden inmitten der Stadt rechtsextreme Devotionalien. Im Mai 2007 ersteigerten zwei Mitarbeiter der NPD, Enrico Harmisch und Alexander Wendt, ein unter Zwangsverwaltung stehendes Möbelhaus mitten in Anklam. Und keiner hat’s gemerkt. Günther Hoffmann vom Zentrum für demokratische Kultur Mecklenburg-Vorpommern:

    "Nun, das ist so das grundsätzliche Problem, dass wir hier in der Region von den Verantwortlichen kaum einen Blick auf die Protagonisten haben, aber jetzt in dem Zusammenhang, jetzt mit Alexander Wendt und Enrico Harmisch waren es ja wirklich zwei führende Köpfe aus der Region, das ist weder beim Amtsgericht noch bei der Sparkasse irgendjemandem aufgefallen. Auffällig geworden ist es dann auch erst etwa drei Monate später."

    Die Käufer sind aktenkundige Rechtsextremisten. Zunächst wurde befürchtet, die NPD wolle ein Schulungszentrum im Herzen der Kreisstadt aufbauen. Aus dem alten Möbelhaus, so die NPD, soll aber nun eine "nationale Bücherei" werden …

    Umfrage: "Deutschland is’n freies Land und jeder soll machen was er für richtig hält. Ich sag irgendwo müssen se ja n Platz finden."
    "Und die wollen hier jetzt ne nationale Bibliothek aufmachen, glauben Sie, dass ist sowas, was Anklam braucht?"
    "Kommt ganz drauf an, ne … ich denk ma, hier gibt‘s viele Sachen, warum dat nich? Also mich selber stört dat nich.
    Also ich geh auch selber ma einmal im Monat inne Stadt, mich selber nich. Ne! Brauchen wir nich! Wir haben als Kinder noch genug miterlebt!"

    Aber ansonsten spürt man ja nicht so viel Gegenwind dagegen, oder?

    Umfrage: "Ne. Da will ja auch keiner sich mit denen anlegen, denk ich ma. Die Angst ist zu groß, deswegen hält sich jeder raus und ruhig."

    Anklam schweigt. Die Kaufabsichten des Neonazis Jürgen Rieger in Delmenhorst füllten tagelang die Tagesschau, selbst der Kauf eines Landguts am Rande des brandenburgischen Dorfes Rauen durch Neonazis besorgte die Republik. Anders in Anklam, so Günter Hoffmann.

    "Nein, es gab also keine großen öffentlichkeitswirksamen Kampagnen, es gab auch keine Aufrufe irgendeiner Art, die ne Mobilisierung ermöglicht hätten … man kann nicht sagen, dass die Stadt nichts gemacht hat. Es gab auch ne gemeinsame Erklärung der Fraktionen, die sollte dann auch in allen Läden aushängen. Wobei sich dann sehr, sehr schnell gezeigt hat, dass die Geschäftsbetreiber mit Angst reagiert haben, sich überhaupt zu positionieren. So hat der Fraktionsvorsitzende der CDU in Anklam sich geweigert, in seinem Laden die – von ihm unterschriebene – Erklärung auszuhängen, weil er Angst hatte, dass ihm die Scheiben eingeschmissen werden."

    Fahrt nach Salchow, ein Dorf vor den Toren Anklams. Hier residieren die Rechtsextremisten Alexander Wendt und Enrico Harmisch in einem Einfamilienhaus.

    Unter gleichem Dach residiert auch das Bürgerbüro des NPD-Landtagsabgeordneten Michael Andrejewski.

    Das Anwesen, ein schmuckes Einfamilienhaus mitten im Dorf. Vor dem Haus weht die Pommernflagge. Ein Schäferhund bewacht das Gelände, vor dem Eingang Wachen. Bullige Typen, Marke Türsteher.

    "Guten Tag, mein Name ist Thilo Schmidt, Sie sind der Herr Wendt?"
    "Ne, aber ich kann ihn mal holen …"
    "Herr Andrejewski ist vielleicht auch da?"
    "Ja … Andrejewski …"
    "Ach, ja, sie schon wieder, wir kennen uns …"
    "Wollt sie mal besuchen hier draußen …"
    "Ja, nur kommt hier keiner rein. Keine Presse kommt ins Bürgerbüro."
    "Ah, mmh … Können wir uns hier vielleicht unterhalten …"
    "Können wir!"

    Andrejewski, ein unscheinbarer Typ. Die NPD punktet bei den Menschen in Vorpommern mit Bürgernähe. In den Gegenden, wo die Menschen vom Staat nichts mehr erwarten, kommt die NPD. Und gibt vor, gegen Hartz IV und gegen die Schließung von ländlichen Postfilialen - oder eben Büchereien zu kämpfen. Und Alternativen zu schaffen, nur sind die dann eben "national" – trojanische Pferde.

    Andrejewski: "Wir versprechen uns, dass wir die Infrastruktur hier machen, die der Staat nach und nach kaputtgehen lässt. Es sind ja letztlich Zahlen veröffentlicht worden, wie viele öffentliche Bibliotheken in Mecklenburg-Vorpommern dichtgemacht wurden, es werden ständig welche dichtgemacht, der Staat zieht sich zurück, und dann müssen wir hier eben einspringen, dass hier noch ne Bibliothek da ist … Es wird einen anderen Aspekt noch beinhalten, nämlich Bücher, die bei uns auf der Giftliste sind. Weil sie halt als rechts gelten, als national, hehe …"

    "Wird’s denn auch das Tagebuch der Anne Frank geben in ihrem Haus?"

    "… da müsste ich die Betreiber fragen, ich persönlich würde sagen: Warum nich … wenn es denn einer lesen will …"

    Andrejewski, unter einem Dach mit den Neonazis und Hobby-Bibliothekaren Hamisch und Wendt – die Liaison der Neonazi-Kameradschaften und der NPD in Vorpommern hat Methode. Die Nationalisten geben die Kümmerer, machen Sozialarbeit und – wie Rechtsanwalt Andrejewski - Hartz-IV-Beratung. Und werden schleichend zu akzeptierten politischen Akteuren.

    Andrejewski: "Ich meine, dass Anklam einer der Orte ist, wo wir am frühesten einen Bürgermeister durchsetzen könnten. Ich hab vor, zu kandidieren bei der nächsten Bürgermeisterwahl, rechne auch mit einem anständigen Ergebnis, aber dass man sich in einer Kommune von der Größe durchsetzen könnte in einer Stichwahl, da muss man mehr haben als der Gegenkandidat des ganzen Parteiensystems, das halte ich noch nicht für möglich, da denke ich, dass das noch zehn – fünfzehn Jahre dauert."

    Andrejewski, der nach einer langen westdeutschen Ultrarechts-Karriere in den Osten pilgerte, will sich auch als Landrat des Kreises Ostvorpommern bewerben. Ein Achtungserfolg scheint ihm sicher. Bei den Landtagswahlen erzielte er das beste Erststimmenergebnis aller NPD-Kandidaten, in manchem Dorf in Ostvorpommern war die NPD mit über 30 Prozent stärkste Partei. Die Rechtsextremen sehen in dieser Gegend eine Modellregion und lassen nicht nach, sich weiter zu vernetzen.

    In Anklam luden im Januar 2007 Antisemiten und Geschichtsrevisionisten zum "Tag der Reichsdeutschen". Günther Hoffman hat die Veranstaltung beobachtet:

    "… das war ein hanebüchenes Ding, also ich war noch nie auf einer Geschichte, wo so massiv antisemitische Ressentiments geäußert wurden, wo der Holocaust in dieser Form in Frage gestellt wurde, es war teilweise von den Formulierungen her auch sehr geschickt, es wurde in der Veranstaltung selber auch der Holocaust nicht geleugnet, er wurde aber mit rhetorischen Mitteln in Frage gestellt, dass der Rückschluss daraus praktisch auf ne Holocaustleugnung hinausläuft."

    Die Redner an diesem Abend bezeichnen sich als "Reichsdeutsche", und wollen durch abstruse Theorien ableiten, dass das deutsche Reich noch immer fortbesteht und die Bundesrepublik eine illegitime Konstruktion der Siegermächte sei. Matthes Klemme, Reporter beim Norddeutschen Rundfunk in Greifswald, wird auf die Veranstaltung aufmerksam und fährt hin – mit einem Kamerateam:

    "Ich hab den Hinweis bekommen, dass es dort diese Veranstaltung gibt, wir sind dort hingefahren, um einfach zu schauen, wenn möglich dort auch Bilder zu machen, das war ja überhaupt nicht klar. Und wir wussten überhaupt nicht, welche Gäste dort sind."

    Dutzende hören den Referenten aufmerksam zu, als erster spricht der Stralsunder Michael Wegner, der von der Fortexistenz des Deutschen Reiches spricht und stolz ein entsprechendes, auf seinen Namen ausgestelltes Personaldokument in die Kamera hält …

    Wegner: "… von Israel möcht ich gar nicht reden. U-Boote geschenkt, Handelsflotte geschenkt, und so weiter … und der gute Jude Konrad Adenauer hat … waren ja wie viele 100 Milliarden, ne?"

    Klemme: "… ich habe mehrere Interviews in der Pause in dieser Veranstaltung gemacht …"

    … erzählt NDR-Reporter Matthes Klemme. Und einer derjenigen, denen er das Mikro hinhält, ist ein prominenter Anklamer Bürger.

    Bierwerth: "… die Theorie ist sehr interessant. Mehr sag ich dazu nicht … Ich hör mir das mal an, und hab auch einiges gelesen, darüber, vorab, und war sehr interessiert, das mal mitzuerleben, tja …"

    Klemme: "… wenige Minuten später, nach dem Interview, habe ich dann den Hinweis bekommen: Du hast gerade den Ordnungsamtsleiter interviewt."

    Dirk Bierwerth, der Ordnungsamtsleiter der Stadt Anklam, zuständig für die öffentliche Ordnung der Stadt, auf einer Veranstaltung von Antisemiten und Geschichtsrevisionisten. Bierwerth weiter zum NDR:

    "… inzwischen muss man sich fragen, ob dieser Staat für die Mehrheit seiner Bürger funktioniert. Das ist ne Frage, die beantwortet werden muss. Da gibt es auch, denk ich mal, hier, in der Landschaft, Zweifel, nicht? Wenn ich die Probleme nehme, die wir hier haben, mit der Arbeitslosigkeit und so weiter, dann wird sich hier mancher halt nen Strohhalm suchen. Und wenn’s halt das Deutsche Reich ist …"

    So wäre es dem Ordungsamtsleiter offenbar auch recht. Im zweiten Teil der Veranstaltung referiert Iwan Götz, der Politiker wie Johannes Rau oder Ole von Beust der Pädophilie bezichtigt und sich - auch hier in Anklam - offen antisemitisch gibt.

    Götz: "Wie viele Juden liegen in der Psychiatrie? Und da haben wir festgestellt: Sechs mal so viele wie andere. Die Juden haben en Knick in dem Kopf!"

    Klemme: "So wie ich es in Erinnerung habe, hat der ganze Saal zum Schluss applaudiert, ja."

    Anklams Ordnungsamtsleiter Bierwerth bleibt bis zum Ende der Veranstaltung im Saal, ohne zu intervenieren oder andere Behörden zu informieren. Der NDR führt nach der Veranstaltung ein Interview mit dem Referenten Iwan Götz …

    NDR-Reportage:
    Götz: "Diese Reichskristallnacht, das haben alles Juden organisiert."
    Klemme: "Dann heißt das, die Juden haben ihren eigenen Holocaust finanziert und auch durchgeführt?"
    Götz: "Na ja, den Holocaust gab’s ja nicht! Das ist ja irgendwas, sozusagen, dass sie ausgedacht haben …"

    Gegen den Holocaustleugner Götz hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben und das Filmmaterial des NDR beschlagnahmt. Anklams Ordnungsamtsleiter Bierwerth bleibt nach einer Prüfung durch die Dienstaufsicht von Stadt und Landkreis auf seinem Posten. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelte – und kam zu dem Schluss, dass man ihm nichts vorwerfen könne. Der parteilose Bürgermeister Michael Galander:

    "… das heißt mit einer Missbilligung dieses Sachverhaltes und auch der Äußerungen in den Medien musste er rechnen, die hat er auch bekommen, und damit ist das Verfahren an sich auch eingestellt, es ist natürlich schon so, dass es immer wieder auch auf Anklam in so ner Situation nen schlechtes Bild wirft, aber man kann ihm hier keine weitere Verfehlung vorwerfen."

    Günter Hoffmann vom Zentrum für demokratische Kultur sieht es anders.

    "… warum der in Amt und Würden geblieben ist, das ist dann eher mit regionalen Spezifika zu begründen, in anderen Regionen wäre der sicher auf der Stelle dauerhaft seines Amtes enthoben worden, da aber Herr Bierwerth seit der Wende in der Anklamer Gesellschaft immer eine gewisse Rolle gespielt hat, war es an sich auch sehr schwierig, daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen."

    Vermutlich wäre über die Geschichte längst Gras gewachsen Hätte nicht die Stadt ihrem Ordnungsamtsleiter gerade einmal ein halbes Jahr später eine hohe Auszeichnung zuteil werden lassen: Dirk Bierwerth erhält die goldene Ehrennadel der Hansestadt.

    Hoffmann: "… es waren einige wenige Bürger, unter anderem der Fraktionsvorsitzende der SPD, die sich offen dagegen positioniert haben, von Seiten der CDU, von Seiten der PDS gab es da keinerlei Bedenken."

    Schultz: "Ich glaub das wird nicht nur komisch beäugt, das wird außerhalb von Anklam als nicht nachvollziehbar empfunden, oder angesehen …"

    … sagt Uwe Schultz, der SPD-Fraktionschef …

    "sicherlich ist diese Medaille für eine Tätigkeit gegeben worden, über die es überhaupt nichts zu diskutieren gibt, die ist okay, aber zu diesem Zeitpunkt war das unüberlegt. Unüberlegt von denen, die das vorgeschlagen haben, und auch unüberlegt von denen, die den Vorschlag dann praktisch aufgenommen haben. Ein Jahr später wäre das sicherlich eine Sache gewesen, über die keiner mehr geredet hätte. Aber zu dem Zeitpunkt ... Ich fass es immer noch nicht!"

    Uwe Schultz ist der Vorsitzende einer Minderheitenfraktion, die SPD hat in Anklam drei Sitze. Mit seinen Warnungen bleibt er allein, andere in der Stadtvertretung decken das Verhalten Bierwerths. So Karl-Dieter Lehrkamp, der als Bürgervorsteher der Stadtvertretung vorsteht. In einem Brief an die Stadtverordneten schreibt er:

    "Grundsätzlich gehe ich bei der Bewertung der Situation von einer Unschuldsvermutung aus. Die Darstellung durch Fernsehmedien ist mir aus eigenem Erleben nur zu gut bekannt."

    Die einzigen Vorwürfe, die man Herrn Bierwerth machen kann, sind, dass er sich nicht im Vorfeld über die Hintermänner der Veranstaltung informiert hat und dass er überhaupt ein Interview gegeben hat.

    Hoffmann: "Wenn man sich ernsthaft mit der Situation hier auseinander setzen würde, dann bedürfte es eines dezidierten Willens und einer klaren Position. Und die fehlt bei allen Verantwortlichen hier in der Region."

    … sagt Günther Hoffmann vom Zentrum für demokratische Kultur Mecklenburg-Vorpommern – es gibt wohl kaum jemanden im Land, der über die rechtsextremen Strukturen Vorpommerns besser bescheid weiß. Und kaum einen, der deutlicher formuliert, dass lokale Autoritäten oftmals ein Teil des Problems sind. Bürgervorsteher Lehrkamp scheint daher mit Günter Hoffmann die größeren Probleme zu haben als mit den Rechtsextremen selbst. In seinem Brief an die Stadtverordneten schreibt er weiter:

    "Da setzt sich ein elitärer Kreis von Intellektuellen und Politikern, vorneweg Herr Hoffmann, hin, und argumentiert sich gegenseitig zum Thema Rechtsextremismus."

    … und weiter …

    "Fest steht jedenfalls, mit Leuten wie Herrn Hoffmann werden wir das Problem des Rechtsextremismus nicht lösen – im Gegenteil."

    Damit nicht genug - der Bürgervorsteher ruft zum Besuch von Veranstaltungen wie dem "Tag der Reichsdeutschen" auf:

    "Ich rufe alle vor Ort handelnden Personen und alle, denen unsere Demokratie am Herzen liegt, auf, sich aktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen, die Sorgen und Meinungen der Menschen anzuhören und ernst zu nehmen. Dazu gehört auch der Besuch solcher Veranstaltungen wie der in der Gaststätte Beling."

    Notabene: Es ging um eine Veranstaltung von Antisemiten und Holocaust-Leugnern. Gleichwohl scheint die Anklamer CDU, der Lehrkamp angehört, sich nicht davor zu scheuen, in der Stadtvertretung mit Andrejewski Bündnisse zu schmieden – der NPD-Landtagsabgeordnete ist seit Jahren Mitglied der Anklamer Stadtvertretung. Der Bürgermeister jedenfalls glaubt an Absprachen mit dem NPD-Mann.

    Galander: "Es ist aber auffällig, dass die Stimme des NPD-Abgeordneten bei gewissen Abstimmungen hier in der Stadt benötigt wird, es ist genauso auffällig, dass die NPD relativ nah sagen wir mal an der CDU und auch an der PDS, also den Linken steht, insofern gibt es in unserer Stadtvertretung schon Berührungspunkte, wo ich zwar nicht beweisen kann, aber merke, auch, anhand des Abstimmungsverhaltens, dass man durchaus auch mal vorher miteinander gesprochen haben muss."

    Schultz: "Es darf einfach keine Mehrheiten geben, es darf also auch keine Bündnisse mit der NPD geben, und mit Nicht-Demokraten sollten wir gerade als DDR-Demokratisch-Geschädigten nicht gemeinsame Sache machen. Und deswegen hab ich da großes Ungefühl, wenn ich da Leute sehe, die zusammen, nur weil sie meinen, ja, so schlecht iss et ja gar nicht, was dort rübergebracht wird, dann damit gemeinsame Sache machen."

    … meint der SPD-Fraktionschef. Schultz wirkt müde - und etwas frustriert, dass Engagement und klare Worte gegen Rechts immer wieder verhallt sind. Eine große zivilgesellschaftliche Gegenöffentlichkeit gibt es in Anklam nicht mehr.
    Immerhin versucht die Landesregierung, nun endlich die Notbremse zu ziehen und hat ein Regionalzentrum für demokratische Kultur in Anklam installiert. Regine Krüger ist eine der Mitarbeiterinnen:

    "Es ist sehr schwierig, weil erstmal brauche ich jemanden, der beraten werden möchte. Also: Ich muss ein- zwei Leute finden, die ich kontakten kann, und die sagen: Ich möchte was verändern. Und genau die muss ich eigentlich erstmal stützen. Ich muss die tragen, ich muss die erstmal so stabil machen, dass die weiter ihre Meinung vertreten, und dass sie irgendwann mal in der Lage sind, auch andere Leute an sich zu binden. Mit ihrer Meinung. Also wenn sie sich entscheiden, nichts zu tun, können wir auch ganz genau sagen, was die Folge ist, wenn sie nichts tun, wenn sie das Thema nicht annehmen. Und wenn sie sagen: sie nehmen das Thema an, hat das auch Konsequenzen."

    Auf der NPD-Immobilie im Stadtzentrum prangen "Nazis raus"-Graffiti, immerhin, schon darüber freut man sich in Anklam. Ansonsten: Kaum Engagement und Bürgerbewegung gegen rechtes Gedankengut. Jetzt gibt es das Regionalzentrum. Ein Anfang, wenigstens. Sagt Günter Hoffmann:

    "Die Frage ist, inwieweit eine solche Institution auch Akzeptanz erfährt. Da sind die Leute vom Regionalzentrum – haben sicher einen langen Weg vor sich, aber ich begrüße jegliche Aktivitäten, die in diese Richtung gehen, es sind halt Prozesse, die sehr, sehr langwierig sind. Es geht tatsächlich darum, verlorenes Terrain zurück zu gewinnen. Und das ist ein Prozess, den ich eher im Bereich eines Jahrzehnts einordnen würde, um dort einen Stimmungswechsel zu etablieren."