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Kaputt, entmenschlicht, wild

Apokalypsen haben seit Menschengedenken einen festen Platz im Denken von Menschen, und damit auch in der Kunst. Ob in Form von Gevatter Tod am unteren Bildrand oder Armageddon à la Hollywood, ob in den bildenden, darstellenden, schönen oder weniger schönen Künsten - an Visionen des Untergangs mangelt es nie.

Von Sacha Verna |
    Eine Art Anthologie künstlerischer Endzeitszenarien präsentiert nun die Ausstellung "After Nature” im New Museum in New York. Die hier von vielen mit Spannung erwartete Schau versammelt über neunzig Werke von sechsundzwanzig Künstlern, von so bekannten wie Maurizio Cattelan bis zu kuriosen Außenseitern wie Eugene von Bruenchenhein.

    Inspiriert wurde der Kurator Massimiliano Gioni, wie er sagt, von zwei Deutschen: dem Schriftsteller W.G. Sebald und dem Regisseur Werner Herzog. Von Sebalds Buch "Nach der Natur” stammt der Titel der Ausstellung. Werner Herzogs Film "Lektionen der Finsternis” über die brennenden Ölfelder in Kuweit nach dem ersten Golfkrieg bildet ein Kernstück von "After Nature”. Die Frage, ob er die Deutschen für ein besonders pessimistisches Volk halte, verneint Gioni. Allerdings attestiert er ihnen ein spezielles Verhältnis zur Natur:

    "Die Deutschen haben ein Vokabular und eine Tradition entwickelt, die ihr Bewusstsein für die Bedeutung der Erde widerspiegelt, im Negativen wie im Positiven. Es ist doch bemerkenswert, dass die Deutschen die ersten waren, die eine Grüne Partei gründeten. Ich glaube, sie verfügen wie viele andere Europäer über ein Verständnis von Zugehörigkeit und Erde, das sich zumal von dem der Amerikaner unterscheidet. "

    Erde, Umwelt, Natur - davon ist in zahlreichen der ausgestellten Werke erwartungsgemäß nicht mehr viel übrig. Oder dann gibt es zu viel davon wie in William Christenberrys Fotos von vollständig von Kletterpflanzen überwucherten Häusern. Wo Menschen auftauchen, sind sie in schlechter Verfassung. Sei es der Mann, der sich auf einem Bild von Dana Schutz durch die eigene Brust hindurch frisst, oder seien es Thomas Schüttes aufgespießte Keramikköpfe.

    Der Weltuntergang wird zweifelsohne kein Zuckerschlecken. Insofern wäre es wohl verfehlt, eine Ausstellung wie diese in der Hoffnung zu besuchen, darin eine Menge visuell, intellektuell oder anderweitig Erhabenes und Erhebendes vorzufinden. Dennoch ist erstaunlich, wie viel schlicht Geschmackloses "After Nature” auf drei Etagen bietet. So ist etwa ein unbetiteltes Sechs-Minuten-Video von Erik van Lieshout kaum zu überbieten an Zynismus ohne jeglichen Erkenntnisgewinn. Lieshout begleitet darin seine Mutter, die nach Tansania reist, um Aids-Opfern die Füße zu massieren. Während eiternde Zehen in Grossaufnahme gezeigt werden, hören wir im Hintergrund lustige Dialoge zwischen dem Künstler und seiner Mama. Abgeschmackt und zugleich geradezu peinlich plump wirken auch Roger Ballens Aufnahmen im Stil der Folter-Fotos aus Abu Ghraib, auf denen statt der Gefangenen Kinder posieren.

    " Er sei immer an Ausstellungen interessiert gewesen, die Geschichten erzählen, so Massimiliano Gioni, Geschichten jedoch, die offen genug seien für endlose Interpretationen."

    Das Problem ist, dass bei dieser Sorte Programmschauen und Botschaftskunst von endlosen Interpretationen keine Rede sein kann. Egal wie billig, hässlich oder langweilig die Kreationen sind, die Kuratoren von thematischem Furor getrieben heutzutage so gerne anhäufen und dann als großes Ganzes präsentieren: Kunst und Künstler stehen von Anfang an auf der richtigen Seite. Ausbeutung wird im Museumszusammenhang zur Auseinandersetzung. Künstler verletzen nicht, sie provozieren und regen zum Denken an.

    "After Nature” ist eine Ansammlung mehr oder weniger deprimierender Objekte. Deprimierend, nicht weil sie vor dem Fürchterlichen warnen, dass da kommen soll. Sondern deprimierend, weil sie in derselben oder ähnlicher Zusammenstellung in jedem anderen Museum für Gegenwartskunst zu sehen sein könnten. Und zwar ebenso gut unter dem Titel "Have Fun!”.