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Karakasoglu: Bildungsgerechtigkeit liegt mir am Herzen

Die Professorin und Konrektorin der Universität Bremen Yasemin Karakasoglu wurde von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in sein Kompetenzteam berufen. Für Deutschland sei es notwendig, dass Kinder gleich welcher Herkunft, ihr Potenzial entfalten könnten, betont die Professorin.

Das Gespräch führte Ulrike Burgwinkel | 06.06.2013
    Ulrike Burgwinkel: Gestern hat SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sie in sein Kompetenzteam berufen, als Chefin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung: Yasemin Karakasoglu, Professorin und Konrektorin an der Uni Bremen, Spezialistin für Internationalität und Interkulturalität. Und heute hat sie Zeit für "Campus & Karriere". Frau Karakasoglu, das ist sehr schön, guten Tag!

    Yasemin Karakasoglu: Ja, guten Tag, Frau Burgwinkel!

    Burgwinkel: Inwieweit beeinflusst denn Ihre berufliche Spezialisierung Ihren Blick auf Bildung?

    Karakasoglu: Ich glaube, ich kann durch meine berufliche Spezialisierung das Thema Interkulturalität, aber eben auch Internationalität, internationale Öffnung, dem Thema einen neuen Akzent vermitteln und meine Sichtweise auf das Thema in die Breite bringen, wobei ich denke, dass es wichtig ist, dass ich natürlich das nicht jetzt zum zentralen Thema mache, die Interkulturalität, sondern es ist ein Querschnittthema, was durch mich jetzt mit eingebracht wird. Und das ist auch eine große Chance, denke ich, diesen Bereich, der bisher im Bereich Bildung eher eine etwas randständige Rolle gespielt hat, nun dorthin zu bringen, wo er eigentlich hingehört.

    Burgwinkel: Können Sie das in Zusammenhang bringen mit dem Stichwort Bildungsgerechtigkeit, dass Sie gestern ja ganz kurz schon erwähnten als eine Ihrer Herzensangelegenheiten?

    Karakasoglu: Das ist richtig, ja, das ist eine Herzensangelegenheit in meiner Forschung, in meiner Lehre und jetzt auch in dieser Funktion. Ja, es ist eine große Notwendigkeit für Deutschland, ein Land, das sich der Bildungsgerechtigkeit verpflichtet sieht, Kindern ohne Ansehen ihrer sozialen Herkunft, der familiären Bildungshintergründe und auch der Region, in der sie in Deutschland aufwachsen – sei sie strukturschwach oder strukturstark –, die gleichen Möglichkeiten zu geben, ihr Potenzial zu entfalten, ihr intellektuelles Potenzial, ihre Qualifikation, ihre Kompetenzen, das, was sie ausmacht, diese Kinder. Und ich denke, hier ist eine große Herausforderung, der wir uns stellen müssen, und wir dürfen es nicht zulassen, dass wir als ein Land, das Bildung als Kernressource hat, für die Zukunft unserer Gesellschaft insgesamt so dastehen, dass wir zum Beispiel im OECD-Vergleich unsere Bildungsausgabe sogar unterhalb des Durchschnitts ansiedeln derzeit.

    Burgwinkel: Das heißt, Sie hätten natürlich auch gerne ein bisschen mehr Geld für die Bildung. Was denken Sie, wie könnte man das denn finanzieren?

    Karakasoglu: Ja, das ist eine große Frage, die, denke ich, diskutiert werden muss mit den Kollegen der anderen Bereiche, auch mit Fachleuten. Dann bin ich jemand, der sich beraten lassen möchte und beraten lassen muss, aber ich bin da zuversichtlich, dass wir Möglichkeiten finden werden bei dieser wichtigen Zukunftsaufgabe Deutschlands, die entsprechenden finanziellen Möglichkeiten dann auch dafür zu schaffen.

    Burgwinkel: Dann gibt es noch das ganz, ganz heiße Eisen Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern. Sie haben sogar gestern gesagt, ja, da müsste eigentlich der Bund auch mehr Einfluss nehmen können auf die Schulen. Das scheint mir schwer durchsetzbar.

    Karakasoglu: Vielleicht ist die Formulierung, der Bund müsste mehr Einfluss nehmen auf die Schulen, nicht die richtige, sondern die Schulen müssten die Möglichkeit haben, in den Ländern auch über den Bund zusätzliche Finanzierungen zu bekommen, damit sie dieser Aufgabe, die wir eben skizziert haben, nämlich Bildungsgerechtigkeit herstellen zu können, auch gerecht werden, das heißt natürlich in Absprache mit den Ländern. Und in enger Sicht darauf, was eigentlich die jeweiligen Regionen und Schulen eben auch benötigen an Unterstützung, müsste der Bund hier stärker mit in die Verantwortung genommen werden können. So rum ist das eher gedacht als so, wie Sie das gerade formuliert haben.

    Burgwinkel: Wenn wir jetzt den Blick mal auf die Hochschulen richten, würde das vielleicht auch bedeuten, dass es nicht unbedingt Elite- und Exzellenzuniversitäten geben muss, sondern dass Sie eher an einer breiten Förderung interessiert sind?

    Karakasoglu: Ich mag den Begriff Eliteuniversität nicht. Ich würde tatsächlich davon sprechen, dass wir eine exzellente Forschung, eine exzellente Lehre in Deutschland haben möchten, und diese dem jeweiligen Fachgebiet, für das eine Universität, oder den Fachgebieten, für die eine Hochschule und eine Universität ausgewiesen ist, dann eben auch entsprechen muss. Das muss in einem angemessenen und richtigen Verhältnis zueinanderstehen, zwischen dem, was das Ziel einer jeweiligen Hochschule ist, und dem, was die Mittel sind, die sie verwendet, um dieses Ziel zu erreichen. Und eine exzellente Forschung bedeutet nicht Elitenforschung, exzellente Forschung, exzellente Lehre, darauf haben – vor allen Dingen auf die exzellente Lehre, in der sich ja auch dann die Forschung widerspiegelt – darauf haben alle an allen Hochschulen in Deutschland ein Recht. Von daher ist es zum einen eine Frage der Breitenwirkung und auch sozusagen die Breite im Blick zu haben, und für einige Bereiche – da bin ich natürlich der Meinung, das hat sich in der Vergangenheit als zielführend erwiesen –, die Exzellenzinitiative hat gute Impulse gesetzt in vielen Hochschulen, in meiner eigenen Universität in Bremen, die ja zu den elf Exzellenzuniversitäten gehört, hat sie viele neue Impulse in Gang gesetzt. Das darf aber dann nicht dazu führen, dass andere Bereiche und andere Hochschulen und Universitäten quasi in eine zweite Klasse verwiesen werden. Alle müssen die Chance haben, dieses Niveau, wenn sie es denn als Ziel haben, auch erreichen zu können.

    Burgwinkel: Die Schattenministerin für das BMBF, Yasemin Karakasoglu, über ihre Vorstellungen von Bildung und Forschung.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.