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"Wir wollen genauso behandelt werden wie die Amerikaner"

Ohne einen automatischen Informationsaustausch werde es mit seiner Partei kein deutsch-schweizer Steuerabkommen geben, betont SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Zudem dürften Steuersünder nicht anonym bleiben, nannte der der SPD-Spitzenmann als weitere Bedingung.

Peer Steinbrück im Gespräch mit Christine Heuer | 03.05.2013
    Christine Heuer: "Es gibt dieses Abkommen oder gar keins", das waren mal klare Worte. Gesprochen wurden sie von der Schweizer Bundespräsidentin Widmann-Schlumpf, die damit ausschloss, das deutsch-schweizerische Steuerabkommen vom vergangenen Jahr noch einmal zu verändern oder ein neues auszuhandeln. Die Geschichte ist bekannt, das Abkommen scheiterte im Bundesrat am Nein der SPD-geführten Bundesländer. Seitdem herrschte Funkstille. Und die wurde jetzt überraschend gebrochen, als der Schweizer Außenminister in Aussicht stellte. Am Telefon ist der SPD-Kanzlerkandidat und ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Guten Morgen!

    Peer Steinbrück: Guten Morgen, Frau Heuer!

    Heuer: Die Schweiz will neu verhandeln. Kann die Kavallerie also in Fort Yuma bleiben?

    Steinbrück: Es kommt darauf an. Wenn die Punkte gelöst werden, die die SPD für zwingend erforderlich hält, das heißt die Bedingungen erfüllt werden, will erstens sagen, wir kriegen einen automatischen Informationsaustausch, wir werden so ähnlich behandelt wie die Amerikaner, die die Informationen über ihre US-Bürger mit Konten in der Schweiz bekommen, und zweitens wir eine befriedigende Lösung der Altfälle haben, die darüber nicht in der Anonymität bleiben und sich mit einer pauschalen Zahlung freizeichnen können.

    Heuer: Dann wären Sie bereit. Aber warum sollte die Regierung in Bern denn jetzt Bedingungen erfüllen, die sie letztes Jahr noch abgelehnt hat?

    Steinbrück: Na ja, da ist ja eine erstaunliche Wendung spürbar, Frau Heuer. Also, da sagt die zuständige Schweizer Bundesrätin für Finanz- und Haushaltsfragen, sie sei doch bereit, über einen automatischen Datenaustausch, Informationsaustausch in eine Diskussion einzutreten. Das hat sie am Rande des G20-Treffens gesagt. Und ein Außenminister gibt zu erkennen, dass er sich Neuverhandlungen vorstellen kann. Das heißt, der Druck wirkt.

    Heuer: Aber derselbe Außenminister Didier Burghalter hat auch gesagt, der automatische Datenaustausch, das sei für ihn Kafka.

    Steinbrück: Ja, dann ist es vorbei. Dann wird der Druck weiter aufrechterhalten über die OECD, über die Europäische Union und all die anderen europäischen Partner, die wie wir auf einen automatischen Informationsaustausch drängen. Und wir wollen genauso behandelt werden wie die Amerikaner.

    Heuer: Wenn die Schweizer also sagen, sie wollen nur über das ausgehandelte Abkommen reden, aber kein neues aushandeln, dann war es das?

    Steinbrück: Na ja, wo ist da der Unterschied. Es kommt darauf an, was in dem neuen Steuerabkommen drin stünde. Und die beiden entscheidenden Bedingungen habe ich genannt.

    Heuer: Was bieten Sie denn für einen Kompromiss?

    Steinbrück: Ich biete keinen Kompromiss, sondern ich möchte, dass die Schweiz genauso sich verhält wie viele andere europäische Nachbarn, insbesondere mit Blick auf den automatischen Informationsaustausch, und sich orientiert an dem, was weiter von der OECD, einer Staatengemeinschaft, als Kodex verabredet wird und in Gang gesetzt wird.

    Heuer: Wenn man, Herr Steinbrück, auf ein Gesprächsangebot öffentlich mit Maximalforderungen reagiert, dann macht das die Verhandlungen nicht eben wahrscheinlicher. Möchten Sie in Wahrheit gar kein Abkommen?

    Steinbrück: Doch, ich möchte gerne ein Abkommen. Aber noch einmal: orientiert an dem Standard, der international üblich ist. Ich verlange da gar nichts Außergewöhnliches. Ich bin auch gar nicht garstig. Ich bin auch gar nicht, wenn Sie so wollen, irgendwie vernagelt, sondern das, was im Zusammenwirken und in der Zusammenarbeit anderer europäischer Staaten möglich ist und längst praktiziert wird, sollte auch im Verhältnis zur Schweiz gelten.

    Heuer: Könnte aber doch auch sein, dass die Schweiz ein Alleinstellungsmerkmal gerne behalten möchte.

    Steinbrück: Das ist dann aber die Frage, die die Schweiz selber lösen muss.

    Heuer: Im Wahlkampf ist es aber nicht schlecht für die SPD, dass das Thema jetzt noch mal hochkommt, oder?

    Steinbrück: Na ja, mit Wahlkampf hat das vielleicht durch den terminlichen Zufall zu tun, dass plötzlich Steueroasen wieder im Gespräch sind und dass der Fall Hoeneß eine Art Motor oder Auslöser ist. Aber die SPD verfolgt dieses Thema ja schon über Jahre. Ich selber, insbesondere auch als Bundesfinanzminister, wie Sie zu Beginn unseres Gespräches mit meinem Ausflug in Westernfilmerfahrung ausgedrückt haben.

    Heuer: Die Credit Suisse und die UBS, die großen Schweizer Banken, die drohen ihren deutschen Kunden inzwischen mit Rauswurf, wenn sie ihre Steuerehrlichkeit nicht beweisen. Brauchen wir überhaupt noch bilaterale Steuerabkommen mit der Schweiz?

    Steinbrück: Das ist ein wichtiger Punkt, indem auch ich feststelle, auch im direkten Gespräch, dass die Schweizer Banken längst auf dem Weg sind, die Situation zu bereinigen, auch weil sie deutlich machen wollen, dass sie sehr seriöse, verlässliche Geschäftsmodelle haben, und sie wollen erkennbar aus dem Geruch heraus, direkt oder indirekt Beihilfe zu Steuerhinterziehung oder Steuerbetrug zu leisten. Das ist richtig. Und es gibt eine andere Stimmungslage in der Schweiz oder eine weitere, die längst zu erkennen gibt, dass das Bankgeheimnis in der Schweiz faktisch ja auch schon gefallen ist, siehe die Daten, die die Amerikaner bekommen.

    Heuer: Das müssten ja die Schweizer Banken eigentlich ihre Arbeit erledigen und auf die eigene Regierung einwirken.

    Steinbrück: Ja gut, das sind innere Schweizer Verhältnisse, auf die kann ich nicht einwirken und die will ich auch nicht kommentieren.

    Heuer: Sie hoffen auch nicht darauf?

    Steinbrück: Na ja, ich habe Kontakt gehabt zu einigen, insbesondere bei einer größeren Veranstaltung in Zürich, wo spürbar gewesen ist, dass der Schweizer Bankensektor selber sagt, wir brauchen eine neue Kultur, wir müssen einen neuen Ansatz machen, und wir müssen aus dem Druck heraus, der im Augenblick auch ausgeübt wird mit Blick auf die Besonderheiten, die wir hier aufweisen.

    Heuer: Wenn wir über ein Abkommen reden, Herr Steinbrück, ist dann nicht ein europäisches viel besser als ein bilaterales?

    Steinbrück: Dagegen spricht rein nichts. Auf der europäischen Ebene wird an einer Verschärfung der Zinsrichtlinie debattiert, das müsste dann auch in der Verabredung mit sogenannten Drittstaaten gelten, will sagen, mit Staaten, die nicht Mitglied der Europäischen Union sind. Das würde ich außerordentlich begrüßen.

    Heuer: Was kommt eher? Das deutsche oder das europäische Abkommen?

    Steinbrück: Das kann ich nicht voraussagen, weil nicht allein Deutschland der Handelnde ist, sondern auch die Schweiz.

    Heuer: Die Debatte über das Steuerabkommen fällt ja in eine Zeit, in der in Deutschland die Aufregung immer noch relativ groß ist über den Fall Uli Hoeneß. Der hat jetzt in der "Zeit" gesagt, er fühle sich ausgeschlossen und er leide. Tut er Ihnen leid?

    Im Fall Hoeneß "ist eine gewisse Tragik festzustellen"

    Steinbrück: Persönlich ja. Ich kenne ihn, und ich glaube, da ist eine gewisse Tragik festzustellen, weil er ja unzweifelhaft seine Verdienste hat und enorme Fähigkeiten hat. Und das wir jetzt doch – ich will nicht sagen, zerstört, aber sehr stark in Zweifel gesetzt. Über die Zockerei, die er betrieben hat, aber insbesondere auch über das Delikt des Steuerbetruges. Das hat eine gewisse Tragik. Nur, noch einmal: Er muss so behandelt werden wie alle anderen Bürger auch.

    Heuer: Lassen Sie uns noch kurz, Herr Steinbrück, über die Entscheidung der EZB von gestern reden, den Leitzins auf 0,5 Prozent abzusenken. Finden Sie diese Entscheidung gut?

    Steinbrück: Ich kommentiere keine Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank. Das ist Sache eines unabhängigen Zentralbanksystems. Das kann man in die eine Richtung bewirken oder in die andere Richtung bewirken, will sagen, dass da, wo die Renditen immer geringer werden, dass viele Sparer sagen, ich kriege kaum noch eine Verzinsung, eine Rendite auf mein Geld. Man kann auch sagen, dass damit der Gestaltungsspielraum der Geldpolitik immer geringer wird. Weil, je mehr er sich auf Null reduziert, desto weniger ist dieser Gestaltungsspielraum. Auf der anderen Seite versucht die EZB offenbar, sagen wir mal, die Bedingungen auf den Kapitalmärkten zu verbessern.

    Heuer: Aber die Maßnahme soll ja schon den Ländern in Not helfen, grob gesprochen, dem europäischen Süden, darum geht es doch der SPD jetzt, oder?

    Steinbrück: Ja, das habe ich ja versucht, deutlich zu machen. Es geht darum, dass die auf den Kapitalmärkten niedrigere Zinsen haben, um ihre Staatsanleihen zu platzieren, richtig. Deshalb komme ich auch zu dem Ergebnis, es gibt zwei unterschiedliche Betrachtungen dazu.

    Heuer: Ich versuche herauszufinden, welcher Sie anhängen, Herr Steinbrück.

    Steinbrück: Ja, ich ziehe da keinen Strich drunter. Die Zinspolitik liegt in der Zuständigkeit eines unabhängigen Zentralbanksystems, und es verbietet sich für Politiker, über Aktienkurse zu reden, über Währungskurse zu reden und über Zinssätze zu reden.

    Heuer: Dann frage ich Sie etwas, was nur Peer Steinbrück angeht. Sparen Sie persönlich für Ihre Altersvorsorge und verlieren deshalb Geld bei niedrigen Zinsen oder reichen Ihnen die Pensionen durch Ihre Politikertätigkeit aus?

    Steinbrück: Ich habe auch eine private Altersvorsorge betrieben, eine private Kapitallebensversicherung, die ist mir ausgezahlt worden. Darüber habe ich eine niedrigere Rendite bekommen, als ich vor 30 Jahren dachte.

    Heuer: Peer Steinbrück, der SPD-Kanzlerkandidat, im Interview mit dem Deutschlandfunk. Haben Sie vielen Dank!

    Steinbrück: Ich danke Ihnen!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.