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Karel van Miert: Microsoft hat Quasi-Monopol ausgenutzt

Karel van Miert, ehemaliger Wettbewerbskommissar der EU, ist zufrieden mit der Gerichtsentscheidung gegen Microsoft. Das US-Softwareunternehmen habe seine Dominanz missbraucht, sagte der Belgier. Das Europäische Gericht erster Instanz entschied, dass eine Rekordstrafe der EU in Höhe von 497 Millionen Euro wegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung rechtens war.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Der weltgrößte Software-Konzern Microsoft hat den Rechtsstreit mit der EU-Kommission über ein Rekordbußgeld verloren. Das EU-Gericht erster Instanz in Luxemburg entschied heute Vormittag, dass die Wettbewerbshüter gegen das US-Unternehmen rechtmäßig eine Strafe über rund eine halbe Milliarde Euro und Auflagen verhängt hatten. Microsoft habe seine marktbeherrschende Stellung zum Nachteil der Konkurrenz und der Verbraucher missbraucht.

    Am Telefon ist jetzt Karel van Miert, früherer EU-Wettbewerbskommissar. Unter seiner Ägide hat das Verfahren gegen Microsoft seinerzeit den Anfang genommen. Guten Tag, Herr van Miert!

    Karel van Miert: Schönen guten Tag!

    Klein: Ihre Bedenken wurden jetzt höchstrichterlich bestätigt. Der Ausgang der Entscheidung galt aber eigentlich als gar nicht so sicher. Waren Sie von Anfang an überzeugt davon, dass das Gericht Ihrem Denken folgen würde?

    Miert: Ja. Ich war eigentlich sehr optimistisch, weil: Es geht hier um sehr, sehr wichtige wesentliche Elemente der Wettbewerbspolitik. Wenn die Richter hier nicht mitgemacht hätten, das würde bedeuten, dass die europäische Wettbewerbspolitik erheblich geschwächt worden wäre, vor allen Dingen wenn es darum geht, die Wettbewerbsfähigkeit auch auf moderne, neue Technologien anzupassen. Deswegen ist es wirklich sehr wichtig, wahrscheinlich das wichtigste Urteil, das es bis jetzt gegeben hat. Deswegen kann man als Wettbewerbshüter und vor allen Dingen auch die Europäische Kommission auch froh sein.

    Klein: Und die Frage nach dem Schutz geistigen Eigentums, die das Unternehmen ja immer wieder ins Feld geführt hatte, ist zufriedenstellend beantwortet worden?

    Miert: Ja. Ich glaube, das hat auch seine eigene Grenze. Wenn ein Unternehmen, das so dominant ist, eigentlich ein Quasi-Monopol ist, seine Macht so missbraucht, dann ist etwas los. Ich glaube, die Kommission hat richtig gehandelt, hat deutlich gemacht, auch Microsoft als Quasi-Monopolunternehmen steht nicht über den Gesetzen. Deswegen ist es wirklich sehr positiv, wie das jetzt ausgegangen ist, Microsoft hat jahrelang immer wieder mit einer Armee von Anwälten, Lobbyisten und so weiter versucht, das immer für sich aufzuschieben. Aber jetzt ist klar und deutlich auch seitens der Richter festgestellt worden, Microsoft steht nicht über den Gesetzen. Und man kann auch froh sein, dass die Europäische Kommission hier richtige Arbeit gemacht hat, weil: In Amerika hat man das nicht gemacht.

    Klein: Mit welchen unmittelbaren Auswirkungen für die Verbraucher, sprich die Computernutzer rechnen Sie jetzt?

    Miert: Das wird man erst nachher spüren. Es gab nicht genügend Wettbewerb. Es gab Missbrauch einer Dominanz. Nur wenn es der Kommission gelingt, jetzt durchzusetzen, was man damals schon beschlossen hat, was jetzt bestätigt worden ist von den Richtern, dann wird es einen stärker kompetitiven Markt geben. Aber das wird sich nur über Zeit zeigen. Die Kommission muss hier weiter ihre Arbeit machen.

    Klein: Das heißt ,welche Arbeit der Kommission wäre jetzt noch erforderlich, um mehr Konkurrenz in diesem Sektor zu erreichen und damit sinkende Preise zum Beispiel?

    Miert: Wie Sie wissen hat Microsoft immer die Sache vor sich hergeschoben, hat nicht die notwendigen Informationen auf den Tisch gelegt und so weiter. Jetzt muss die Kommission darauf bestehen, dass Microsoft das sofort macht. Wenn nicht, dann muss die Kommission weitere erhebliche Bußgelder beschließen.

    Klein: Das heißt, Sie halten es durchaus auch für möglich und denkbar, dass Microsoft sich weiterhin den Auflagen entzieht?

    Miert: Ja. Microsoft hat - das hat man über die letzten Jahre gesehen - mit Hilfe der Anwälte, Lobbyisten und so weiter sowie auch immer wieder Drohungen versucht, das für sich aufzuschieben. Jetzt muss die Kommission ganz klar und deutlich sagen: schluss, aus jetzt. Auch die Richter haben bestätigt, was wir beschlossen haben. Endlich muss Microsoft sich mal daran halten. Und wenn nicht, dann muss die Kommission auch wieder die notwendigen Schlussfolgerungen daraus ziehen, und das heißt auch höhere Bußgelder.

    Klein: Inwieweit ist das Urteil heute sozusagen auch mit Folgen behaftet für andere Unternehmen in anderen Wirtschaftsbranchen?

    Miert: Das ist sehr wichtig, weil: Wenn die Richter hier nicht die Seite der Kommission vertreten hätten, dann würde das bedeuten, dass sämtliche andere Fälle, die auch seitens der Kommission jetzt behandelt werden, wahrscheinlich nicht weiterführen könnte.

    Klein: An welche Einzelfälle denken Sie dabei?

    Miert: Es gibt noch mehrere Fälle jetzt im Bereich Hightech und so weiter. Möglicherweise hängt auch noch was in der Luft in Bezug auf Microsoft. Wenn die Richter nicht den Beschluss der Kommission bestätigt hätten, dann würde das bedeuten, dass die Kommission in diesem Bereich in Zukunft ihre Arbeit eigentlich nicht mehr richtig machen kann.

    Klein: Das heißt auch andere Unternehmen müssen damit rechnen, dass die Wettbewerbshüter der EU jetzt einschreiten, Bußgelder verhängen und damit mehr Konkurrenz zulassen?

    Miert: Ja und auch bezüglich des Machtmissbrauchs. Das geht wirklich gegen die Spielregeln von einer Marktökonomie, einer Marktwirtschaft, so dass die Kommission nach wie vor dafür sorgen kann, dass ein Markt ordentlich funktioniert. Das ist wirklich sehr wichtig. Nochmals: Wenn die Richter nicht bestätigt hätten, was die Kommission damals beschlossen hat, dann würde das die Wettbewerbspolitik sicher im Bereich Marktmachtmissbrauch erheblich geschwächt haben. Glücklicherweise ist das nicht passiert. Jetzt kann die Kommission als meistbewunderte Wettbewerbsautorität in der Welt ihre Arbeit richtig weiter machen.

    Klein: Karel van Miert war das, ehemaliger EU-Wettbewerbskommissar, zum Urteil heute im Rechtsstreit der EU-Kommission mit Microsoft. Danke Ihnen für das Gespräch.

    Miert: Bitte schön.