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Karikaturenband "Kriegerische Auseinanderzeichnungen"
Humoristische Streubombe

Eigentlich sollte es ein Ausstellungskatalog werden, nun ist ein Karikaturenband zum Thema Krieg entstanden: die Sammlung "Kriegerische Auseinanderzeichnungen" des Holzbaum-Verlags. Einige Karikaturen darin sind herausragend - jedoch fehlt dem Band eine klare Richtung, sowohl thematisch als auch künstlerisch, findet unserer Kritiker.

Von Kai Löffler | 14.04.2015
    Eine Hand zeichnet etwas mit einem Bleistift auf Papier.
    Von krakeligen Skizzen bis zu detaillierten kolorierten Zeichnungen: In "Kriegerische Auseinanderzeichnungen" sind die unterschiedlichsten Facetten des Mediums Comic enthalten. (imago/stock&people/Westend61)
    Wozu soll Krieg gut sein? Eine berechtige Frage von Soul-Sänger Edwin Starr, damals im Kontext des Vietnam-Kriegs. Die gleiche Frage stellt auch eine neue Karikaturensammlung. Mitherausgeber Clemens Ettenauer erzählt, wie es dazu gekommen ist:
    "Es war so, also es gibt ja jetzt eine Ausstellung in den Salzwelten in Altaussee, und die Ausstellung steht unter dem Thema "Kunst und Krieg". Und die Salzwelten wollten, dass wir da, unser Verlag, einen Ausstellungskatalog dazu macht."
    Einen Monat vor Ausstellungseröffnung erscheint dieser Katalog jetzt in Form eines Sammelbandes. 15 verschiedene Künstler haben rund 80 Karikaturen beigesteuert. Visuell repräsentieren sie verschiedensten Facetten des Mediums Comic, von krakeligen Skizzen bis zu detaillierten kolorierten Zeichnungen, und thematisch streifen sie die Schützengräben des Ersten Weltkriegs, Terrorismus und sogar Amokläufe und virtuelle Gewalt am Computerbildschirm.
    "Unser Gedanke war eigentlich nur, dass es lustig sein sollte. Es ist natürlich schön, dass es sich jetzt so ergeben hat, dass da irgendwie von den Künstlern alle Sachen abgedeckt waren, also von Napoleon bis zu den Dronen. Aber uns war eigentlich nur wichtig, dass es lustig ist, dass man so ein ernstes Thema irgendwie humorvoll behandeln kann, und die Absurdität von dem Ganzen kommt einfach gut raus bei manchen Cartoons."
    Diese Absurdität ergibt sich nicht immer nur aus dem Thema Krieg: Karikaturist Til Mette, das Schlusslicht des Bandes, greift zum Beispiel auch Gleichberechtigung oder Recycling auf - oder auch Kinderbetreuung, wenn in einem Cartoon ein Soldat notgedrungen sein Baby mit an die Front nimmt.
    "Der Cartoonist darf mehr"
    Dabei wechseln sich Wortspiele und pure Absurditäten mit gut beobachtete Spitzen ab. Wenn etwa ein islamistischer Terrorist kurz vor seiner Enthauptung noch schnell drei Freunde für die "IS Steel Sword Challenge" nominiert, kommt das den Grenzen des guten Geschmacks zwar nahe; Clemens Ettenauer sagt aber, es kam nie vor, "dass wir irgendwie gesagt hätten das geht nicht, weil das ist jetzt zu geschmacklos. Mit diesem Kriegsthema ist es eh klar, dass jetzt nicht jeder Witz um jeden Preis verwendet werden muss."
    "Also wenn jemand einen Kommentar schreibt, dann wird wahrscheinlich jedes Wort auf die Waage gelegt, und der Cartoonist darf sicher mehr, weil es sein Job ist, dass er Sachen überspitzt darstellt."
    Der Anschlag auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" zeigt, dass diese Narrenfreiheit nicht in allen Fällen respektiert wird. "Kriegerische Auseinanderzeichnungen" ist kein Gewehr mit Zielfernrohr, sondern eher eine humoristische Streubombe, die sich über jeden und alles lustig macht, nicht zuletzt auch militante Islamisten und Selbstmordattentäter. Mulmig war Ettenauer dabei trotzdem nicht zumute:
    "Das wär vermutlich auch eher gewesen, wenn wir einen Band mit religiösen Cartoons gemacht hätten. Das Kriegsthema hat zwar jetzt auch am Rand damit zu tun, aber wir haben jetzt zum Beispiel auch keine einzige Mohammed-Karikatur bekommen von irgendwem."
    Dem Band fehlt eine klare Richtung
    Ähnlich wie die thematische Schere geht allerdings auch die Qualität weit auseinander. Eine Zeichnung etwa zeigt Hitler als harmlosen Irren auf der Couch von Sigmund Freund, eine andere stellt Kritik an den provokanten Cartoons von Charlie Hebdo mit der Behauptung gleich, Frauen tragen Schuld an ihrer eigenen Vergewaltigung. Solche allzu einfachen Antworten auf komplizierte Fragen hinterlassen einen bitteren Naschgeschmack.
    Mit Charlie Hebdo sind provokante Karikaturen relevanter denn je und tatsächlich überwiegen in "Kriegerische Auseinanderzeichnungen" zeitgenössische Bezüge. Laut Ettenauer hätte der Band aber genauso gut zu jedem anderen Zeitpunkt erscheinen können:
    "Weil irgendwo ist immer Krieg. Früher waren's vielleicht mehr Religionskriege und heute geht es mehr um Öl und solche Sachen - aber Krieg ist Krieg."
    Wozu soll Krieg gut sein? Edwin Starr hat seine eigene Frage damals im Song "War" beantwortet: Zu absolut gar nichts. Zum gleichen Schluss kommen auch viele der Cartoons in "Kriegerische Auseinanderzeichnungen". Trotzdem fehlt dem Band eine klare Richtung, sowohl thematisch als auch künstlerisch. Als repräsentativer Katalog einer viel größeren Ausstellung mag die Sammlung ihren Zweck erfüllen. Der allzu weite Fokus nimmt dem Band aber sowohl die Relevanz als auch den Stachel. Was bleibt, sind bunt zusammengewürfelte Cartoons. Einige davon sind zwar herausragend, aber mit einem durchdachten Konzept oder einer thematischen Sortierung hätte "Kriegerische Auseinanderzeichnungen" deutlich mehr sein können als die Summe seiner Teile: nämlich ein wirklich bemerkenswerter Beitrag zum Thema Krieg.