Sprache. Wer sie beherrscht, findet ein offenes Ohr; wer nicht, erlebt das Gegenteil: die Zuhörer wenden sich ab! So weit, so gut, aber stimmt das? Müssen wir nicht immer wieder Worte ertragen, die fahrlässig, bar jeglichen Sprachempfindens gesprochen werden: zum Beispiel in Hörsälen, Parlamenten und Kirchen - ganz zu schweigen von dem, was uns über Funk und Fernsehen erreicht?
Die Kritik ist überzogen? So schlimm ist es doch gar nicht? Falsch, es ist sogar noch viel schlimmer! Denn nicht nur die, die den Publizisten Karl Hugo Pruys zu Rate ziehen, wissen, dass die Bundesbürger in einer "Republik der Phrasendrescher" leben, in der Mann und Frau sich fast täglich "Wortwörtliches einer verunglückten Sprache" bieten lassen müssen. So drastisch formuliert steht es jedenfalls auf dem Umschlag des neuesten Pruys-Buches. Titel samt Unterzeile lassen erahnen, was der Herausgeber kommunikationswissenschaftlicher Werke will: unsere alltäglich gesprochenen Dummheiten, lustvoll provozierend, doch augenzwinkernd und mit Witz aufspießen.
Da bekommt jeder sein Fett weg: Politiker aller Couleur, große und kleine; Manager verschiedener Branchen, erfolgreiche oder gescheiterte; Journalisten jeglicher Provenienz, ob gebildet oder nicht - und selbstverständlich auch all diejenigen, die sich möglicherweise für elitär - im besten Sinne des Wortes - halten, es aber (noch oder doch) nicht sind. Kurzum: Jeder darf sich angesprochen fühlen. Denn wer könnte von sich behaupten, stets nur gefällig zu reden oder zu schreiben?
Pruys gehört nicht zu den Sprachpuristen, die bloß die üblichen Verdächtigen dingfest machen möchten, sich etwa mit Häme auf die stürzen, die sich mal oder schon wieder im Wort vergriffen haben; er ist - wie er selbst betont - deshalb auch nicht nur auf der Pirsch nach Anglizismen, die inzwischen zur deutschen Sprache gehören wie das Unkraut zur öffentlichen Grünanlage. Pruys mahnt:
Sprachkritik darf sich freilich nicht in der Anglizismen-Jagd erschöpfen, wiewohl diese zu einem beliebten Spiel geworden ist, an dem sich mittlerweile Zehntausende in Deutschland beteiligen. Karl Kraus’ Satz: 'Anstatt sich an der deutschen Sprache zu versündigen, ist es hundertmal besser, sich der einfacheren Form einer fremden zu bedienen’, liest sich heute wie gezielte Kritik an den Praktiken des 'Vereins Deutsche Sprache’. Denn das Anprangern von Anglizismen allein kann unserer Sprache in Zeiten der Bedrängnis keinen Dienst erweisen. Dass der 'Verein Deutsche Sprache’ beim 'Sprachpanscher des Jahres’, den Chef der staatlichen Reformkommission, Peter Hartz, für diese wenig begehrte Auszeichnung nominierte, ist immerhin Ausweis eines sicheren Griffs. Denn Hartz hatte die Deutschen ins 'job center, zum casemanagement inklusive bridging mit key account’ schicken wollen. Schlimmer geht’s nimmer.
Kritik allein genügt Pruys nicht. Der Autor möchte beim Leser vor allem die Freude an der Sprache wecken; er soll die Schönheit neu- oder wieder entdecken, die ihr innewohnt. Pruys ermuntert deshalb alle, die seine Zeilen lesen, sich nicht mit dem gesprochenen oder geschriebenen Wort derjenigen abzufinden, die sich aus gedanklicher Bequemlichkeit der Phrase bedienen - eine wohltuende Mahnung, weil das Leichte und Seichte, spaßiges Gesäusel und flippig-alberne Selbstbespiegelung Konjunktur haben. Pruys fordert:
Ein Dichter mag träumen und beim Erwachen Verse niederschreiben, die uns entzücken - wie man dies Goethe nachsagt. Dem gewöhnlichen Menschen verlangt Denken und Sprechen oft Mühe und Konzentration ab. Sie lohnen sich, wenn andere ihren Nutzen davon haben, ich meine die, mit denen wir sprechen oder die unsere Texte lesen sollen, wollen, müssen und sogar können.
Pruys führt den Leser in die Geschichte der Phrase ein, nicht langatmig belehrend, sondern kurzweilig. Die Sprachvirtuosen und -kritiker verschiedenster Epochen kommen zu Wort: Johann Wolfgang Goethe selbstverständlich, aber auch der vom Dichter der Deutschen verehrte Gelehrte Christian Fürchtegott Gellert; der Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky fehlt ebenso wenig wie der 1936 verstorbene Wiener Publizist Karl Kraus. Zitiert und bewertet werden aber auch neuere Kritiker wie Eckhard Henscheid, Herausgeber der Dummdeutsch-Wörterbücher oder der Linguist Harald Weinrich. Sie alle sind dem breiteren Publikum mehr oder weniger bekannt, was nicht weiter von Belang ist; was zählt sind ihre Auslassungen, die Gewinn versprechen. Denn Pruys will uns lehren:
...Abgründe dort zu sehen, wo Gemeinplätze sind.
Er ist den häufigsten Verfehlungen auf der Spur: Doppelungen, verrutschten Metaphern, Floskeln, Modewörtern und Pleonasmen, die Häufung sinngleicher oder sinnähnlicher Wörter. Und Pruys nennt Beispiele, die des Lesers Augen öffnen bzw. seine Ohren schärfen sollen. Aktuelle deutsche Phrasendrescherei in Kurzform - von A wie 'Die Abholer’ bis Z wie 'Die Zukünftigen’. Das liest sich dann wie folgt:
Die Herausgeforderten - Als Hannibal mit seinen Soldaten und Elefanten die Alpen überquerte, ja - das mag für diesen antiken Haudegen eine Herausforderung gewesen sein! Das ist heute ganz anders. Da begreift jeder drittrangige Ministerialbeamte und jeder Ortsvorsteher einer Splitterpartei seine 'Berufung’ ins Amt als eine Herausforderung. Es wird der Tag kommen, da sich der Betreiber einer Würstchenbude zu diesem wirtschaftspolitisch bedeutsamen Schritt herausgefordert fühlen wird. Die Wichtigtuerei wird allenthalben schlimmer und zunehmend unübersichtlich. Wobei ungeklärt bleiben muss, wer oder was hier wen oder was eigentlich - und wozu überhaupt - herausfordert. Ein zu gewichtiges Wort für unwürdigste Anlässe bzw. Tatbestände.
Fazit: 'Die Republik der Phrasendrescher’ gehört auf jeden deutschen Schreibtisch - zumindest ist das Buch ein Muss für diejenigen, die vom Reden und Schreiben leben und überzeugt sind, beides ausgesprochen gut zu können.
Das war eine Rezension von Reinhard Backes zum Buch von Karl Hugo Pruys:
"Die Republik der Phrasendrescher. Wortwörtliches einer verunglückten Sprache", erschienen ist der Band im Quintessenz-Verlag, Edition q in Berlin, er hat 182 Seiten und kostet 17 Euro neunzig.
Die Kritik ist überzogen? So schlimm ist es doch gar nicht? Falsch, es ist sogar noch viel schlimmer! Denn nicht nur die, die den Publizisten Karl Hugo Pruys zu Rate ziehen, wissen, dass die Bundesbürger in einer "Republik der Phrasendrescher" leben, in der Mann und Frau sich fast täglich "Wortwörtliches einer verunglückten Sprache" bieten lassen müssen. So drastisch formuliert steht es jedenfalls auf dem Umschlag des neuesten Pruys-Buches. Titel samt Unterzeile lassen erahnen, was der Herausgeber kommunikationswissenschaftlicher Werke will: unsere alltäglich gesprochenen Dummheiten, lustvoll provozierend, doch augenzwinkernd und mit Witz aufspießen.
Da bekommt jeder sein Fett weg: Politiker aller Couleur, große und kleine; Manager verschiedener Branchen, erfolgreiche oder gescheiterte; Journalisten jeglicher Provenienz, ob gebildet oder nicht - und selbstverständlich auch all diejenigen, die sich möglicherweise für elitär - im besten Sinne des Wortes - halten, es aber (noch oder doch) nicht sind. Kurzum: Jeder darf sich angesprochen fühlen. Denn wer könnte von sich behaupten, stets nur gefällig zu reden oder zu schreiben?
Pruys gehört nicht zu den Sprachpuristen, die bloß die üblichen Verdächtigen dingfest machen möchten, sich etwa mit Häme auf die stürzen, die sich mal oder schon wieder im Wort vergriffen haben; er ist - wie er selbst betont - deshalb auch nicht nur auf der Pirsch nach Anglizismen, die inzwischen zur deutschen Sprache gehören wie das Unkraut zur öffentlichen Grünanlage. Pruys mahnt:
Sprachkritik darf sich freilich nicht in der Anglizismen-Jagd erschöpfen, wiewohl diese zu einem beliebten Spiel geworden ist, an dem sich mittlerweile Zehntausende in Deutschland beteiligen. Karl Kraus’ Satz: 'Anstatt sich an der deutschen Sprache zu versündigen, ist es hundertmal besser, sich der einfacheren Form einer fremden zu bedienen’, liest sich heute wie gezielte Kritik an den Praktiken des 'Vereins Deutsche Sprache’. Denn das Anprangern von Anglizismen allein kann unserer Sprache in Zeiten der Bedrängnis keinen Dienst erweisen. Dass der 'Verein Deutsche Sprache’ beim 'Sprachpanscher des Jahres’, den Chef der staatlichen Reformkommission, Peter Hartz, für diese wenig begehrte Auszeichnung nominierte, ist immerhin Ausweis eines sicheren Griffs. Denn Hartz hatte die Deutschen ins 'job center, zum casemanagement inklusive bridging mit key account’ schicken wollen. Schlimmer geht’s nimmer.
Kritik allein genügt Pruys nicht. Der Autor möchte beim Leser vor allem die Freude an der Sprache wecken; er soll die Schönheit neu- oder wieder entdecken, die ihr innewohnt. Pruys ermuntert deshalb alle, die seine Zeilen lesen, sich nicht mit dem gesprochenen oder geschriebenen Wort derjenigen abzufinden, die sich aus gedanklicher Bequemlichkeit der Phrase bedienen - eine wohltuende Mahnung, weil das Leichte und Seichte, spaßiges Gesäusel und flippig-alberne Selbstbespiegelung Konjunktur haben. Pruys fordert:
Ein Dichter mag träumen und beim Erwachen Verse niederschreiben, die uns entzücken - wie man dies Goethe nachsagt. Dem gewöhnlichen Menschen verlangt Denken und Sprechen oft Mühe und Konzentration ab. Sie lohnen sich, wenn andere ihren Nutzen davon haben, ich meine die, mit denen wir sprechen oder die unsere Texte lesen sollen, wollen, müssen und sogar können.
Pruys führt den Leser in die Geschichte der Phrase ein, nicht langatmig belehrend, sondern kurzweilig. Die Sprachvirtuosen und -kritiker verschiedenster Epochen kommen zu Wort: Johann Wolfgang Goethe selbstverständlich, aber auch der vom Dichter der Deutschen verehrte Gelehrte Christian Fürchtegott Gellert; der Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky fehlt ebenso wenig wie der 1936 verstorbene Wiener Publizist Karl Kraus. Zitiert und bewertet werden aber auch neuere Kritiker wie Eckhard Henscheid, Herausgeber der Dummdeutsch-Wörterbücher oder der Linguist Harald Weinrich. Sie alle sind dem breiteren Publikum mehr oder weniger bekannt, was nicht weiter von Belang ist; was zählt sind ihre Auslassungen, die Gewinn versprechen. Denn Pruys will uns lehren:
...Abgründe dort zu sehen, wo Gemeinplätze sind.
Er ist den häufigsten Verfehlungen auf der Spur: Doppelungen, verrutschten Metaphern, Floskeln, Modewörtern und Pleonasmen, die Häufung sinngleicher oder sinnähnlicher Wörter. Und Pruys nennt Beispiele, die des Lesers Augen öffnen bzw. seine Ohren schärfen sollen. Aktuelle deutsche Phrasendrescherei in Kurzform - von A wie 'Die Abholer’ bis Z wie 'Die Zukünftigen’. Das liest sich dann wie folgt:
Die Herausgeforderten - Als Hannibal mit seinen Soldaten und Elefanten die Alpen überquerte, ja - das mag für diesen antiken Haudegen eine Herausforderung gewesen sein! Das ist heute ganz anders. Da begreift jeder drittrangige Ministerialbeamte und jeder Ortsvorsteher einer Splitterpartei seine 'Berufung’ ins Amt als eine Herausforderung. Es wird der Tag kommen, da sich der Betreiber einer Würstchenbude zu diesem wirtschaftspolitisch bedeutsamen Schritt herausgefordert fühlen wird. Die Wichtigtuerei wird allenthalben schlimmer und zunehmend unübersichtlich. Wobei ungeklärt bleiben muss, wer oder was hier wen oder was eigentlich - und wozu überhaupt - herausfordert. Ein zu gewichtiges Wort für unwürdigste Anlässe bzw. Tatbestände.
Fazit: 'Die Republik der Phrasendrescher’ gehört auf jeden deutschen Schreibtisch - zumindest ist das Buch ein Muss für diejenigen, die vom Reden und Schreiben leben und überzeugt sind, beides ausgesprochen gut zu können.
Das war eine Rezension von Reinhard Backes zum Buch von Karl Hugo Pruys:
"Die Republik der Phrasendrescher. Wortwörtliches einer verunglückten Sprache", erschienen ist der Band im Quintessenz-Verlag, Edition q in Berlin, er hat 182 Seiten und kostet 17 Euro neunzig.