Die Krausianer im deutschsprachigen Lande und in der ganzen Welt feiern diese Freigabe wie ein großes Fest, denn allzu beschränkt waren die Zugänge zum "Fackel"-Werk bis heute , da die Germanistik den Dichter, der zusammen mit den großen Polemikern Lichtenberg, Lessing, Schopenhauer und Nietzsche den obersten Rang des Dichterparnass bewohnt, nur sehr stiefmütterlich behandelt hat. Im Westen kam immerhin in der Folge von 1968, wo man den Sprachkritiker politisch interessiert als Linken verkannte, eine Reprintausgabe der "Fackel" in unhandlichen dicken zwölf Bänden bei 2001 zustande, in der DDR aber besann man sich spät erst auf eine blamable Art Notausgabe des bedeutendsten Werkes, nämlich der Tragödie "der letzten Tage der Menschheit". Er war dort also wie im gesamten Ostblock, wo er sehr dringend gebraucht worden wäre, so gut wie unbekannt.
Karl Kraus passte nicht in die simple, schwarz weiße Manichäerwelt des Kalten Krieges. Das ging so weit, dass der Literatur-Papst Marcel Reich Ranicki das wohl bedeutendste und nachhaltigste deutsche Drama, nämlich jene "letzten Tage der Menschheit", noch nicht einmal in seinen so genannten Kanon aufnahm. Auch in germanistischen Vorlesungsverzeichnissen wird man den Namen Karl Kraus im Nachkriegsdeutschland kaum einmal verzeichnet finden. Während man für zeitgemäße, mediokre Schriftsteller aufwendige Editionen und Ausgaben finanzierte, ließ man sein Werk verwaist und schwer zugänglich links und rechts der Schablonenwelt des Kalten Krieges liegen, mit einer Ausnahme der österreichischen Literatur, worin er eine verborgene, doch entscheidende Rolle spielt, die dieser Literatur bis heute ihren sprachlichen Vorrang verleiht.
Aber die ganze Misere hat jetzt eine Ende, endlich, jetzt geht es los, heißt es bei Jacques Offenbach, dem Krausliebling, in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München am 16. Januar zum Beispiel mit einer "Kanonade auf Spatzen". Jens Malte Fischer, der bekannte Theaterwissenschaftler, liest Texte von Karl Kraus. Viele solche Veranstaltungen werden folgen.
Ab jetzt dürfen neue Ausgaben und Anthologien zusammengestellt werden, die das Werk für viele erst lesbar und erschließbar machen. Endlich wird es eine digitale Ausgabe der "Fackel" geben, die das Meer der Glossen, Invektiven, Satiren, Aphorismen und Kommentare zum ersten Mal übersichtlich und befahrbar macht. Jetzt wird allmählich klar werden, wen man da bisher versäumt hat, einen poetischen Mystiker der deutschen Sprache, einen Medienkritiker von bis heute unerreichtem Rang, dessen Scharfsinn und Fundamentalkritik an der Journalisierung allen Lebens, nicht nur der Literatur, gerade heute so notwendig geworden ist wie nichts anderes.
Karl Kraus arbeitete zeit seines Lebens für die "Reprivatisierung des Innenlebens" wie Jerzy Lec, sein polnischer Geistesverwandter sagt. In seinem Werk stecken verborgene Schätze und Vermächtnisse, Korrekturen des historischen Materials, das man für gegenwärtige Interessen manipulierte. Jetzt wird sich zeigen, dass die miteinander verfeindeten Brüder Freud und Kraus sich in Wahrheit ergänzen, dass Kafka wie die ganze deutsch-jüdische Kultur mit Karl Kraus genauer und besser zu verstehen ist. Dem letzten Adorno-Anhänger wird klar werden, woher dieser seinen Stil und seine wesentlichen Erkenntnisse bezog. Die österreichische Staatsgründungslegende wird entrümpelt und zur Kenntlichkeit entstellt werden, wenn jetzt "Die dritte Walpurgisnacht", der radikalste Text zum Dritten Reich überhaupt, erforscht und neu herausgegeben werden kann.
Jeder, selbst der naivste Leser, wird darin erfahren, was man tatsächlich alles schon 1933 wissen konnte, vorausgesetzt man war wach und fähig, das Ungeheure in allen zugänglichen Zeitungen wahrzunehmen. In dieser Schrift steht auch sein prophetisches Wort, dass nach dem Massaker jeder zweitrangige Skribent, der von den Nazis verbrannt wurde, als großer Genius einst verehrt werden müsse.
So ist es gekommen und dass man Karl Kraus absichtsvoll vergaß, weil er den politischen Ideologen des Kalten Kriegs nicht in ihren Kram passte. Diese graue Zeit ist gottlob seit Beginn dieser Woche vorbei.
Karl Kraus passte nicht in die simple, schwarz weiße Manichäerwelt des Kalten Krieges. Das ging so weit, dass der Literatur-Papst Marcel Reich Ranicki das wohl bedeutendste und nachhaltigste deutsche Drama, nämlich jene "letzten Tage der Menschheit", noch nicht einmal in seinen so genannten Kanon aufnahm. Auch in germanistischen Vorlesungsverzeichnissen wird man den Namen Karl Kraus im Nachkriegsdeutschland kaum einmal verzeichnet finden. Während man für zeitgemäße, mediokre Schriftsteller aufwendige Editionen und Ausgaben finanzierte, ließ man sein Werk verwaist und schwer zugänglich links und rechts der Schablonenwelt des Kalten Krieges liegen, mit einer Ausnahme der österreichischen Literatur, worin er eine verborgene, doch entscheidende Rolle spielt, die dieser Literatur bis heute ihren sprachlichen Vorrang verleiht.
Aber die ganze Misere hat jetzt eine Ende, endlich, jetzt geht es los, heißt es bei Jacques Offenbach, dem Krausliebling, in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München am 16. Januar zum Beispiel mit einer "Kanonade auf Spatzen". Jens Malte Fischer, der bekannte Theaterwissenschaftler, liest Texte von Karl Kraus. Viele solche Veranstaltungen werden folgen.
Ab jetzt dürfen neue Ausgaben und Anthologien zusammengestellt werden, die das Werk für viele erst lesbar und erschließbar machen. Endlich wird es eine digitale Ausgabe der "Fackel" geben, die das Meer der Glossen, Invektiven, Satiren, Aphorismen und Kommentare zum ersten Mal übersichtlich und befahrbar macht. Jetzt wird allmählich klar werden, wen man da bisher versäumt hat, einen poetischen Mystiker der deutschen Sprache, einen Medienkritiker von bis heute unerreichtem Rang, dessen Scharfsinn und Fundamentalkritik an der Journalisierung allen Lebens, nicht nur der Literatur, gerade heute so notwendig geworden ist wie nichts anderes.
Karl Kraus arbeitete zeit seines Lebens für die "Reprivatisierung des Innenlebens" wie Jerzy Lec, sein polnischer Geistesverwandter sagt. In seinem Werk stecken verborgene Schätze und Vermächtnisse, Korrekturen des historischen Materials, das man für gegenwärtige Interessen manipulierte. Jetzt wird sich zeigen, dass die miteinander verfeindeten Brüder Freud und Kraus sich in Wahrheit ergänzen, dass Kafka wie die ganze deutsch-jüdische Kultur mit Karl Kraus genauer und besser zu verstehen ist. Dem letzten Adorno-Anhänger wird klar werden, woher dieser seinen Stil und seine wesentlichen Erkenntnisse bezog. Die österreichische Staatsgründungslegende wird entrümpelt und zur Kenntlichkeit entstellt werden, wenn jetzt "Die dritte Walpurgisnacht", der radikalste Text zum Dritten Reich überhaupt, erforscht und neu herausgegeben werden kann.
Jeder, selbst der naivste Leser, wird darin erfahren, was man tatsächlich alles schon 1933 wissen konnte, vorausgesetzt man war wach und fähig, das Ungeheure in allen zugänglichen Zeitungen wahrzunehmen. In dieser Schrift steht auch sein prophetisches Wort, dass nach dem Massaker jeder zweitrangige Skribent, der von den Nazis verbrannt wurde, als großer Genius einst verehrt werden müsse.
So ist es gekommen und dass man Karl Kraus absichtsvoll vergaß, weil er den politischen Ideologen des Kalten Kriegs nicht in ihren Kram passte. Diese graue Zeit ist gottlob seit Beginn dieser Woche vorbei.