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Karl Oskar Illmensee: Das Phantom des Klonens

Die meisten Chroniken des Klonens beginnen mit dem Jahr 1996 als am 5.Juli im schottischen Roslin-Institut das Klonschaf Dolly geboren wurde. Dabei waren die Methoden, die Dolly möglich machten, nicht neu. Bei ihrer Entwicklung spielt ein Wissenschaftler eine zentrale Rolle, der später als "Schattenmann" dubioser Menschenkloner wieder auftauchte. Michael Lange fasst die Geschichte des Klonens zusammen, mit einem besonderen Blick auf das "Phantom des Klonens": Karl Oskar Illmensee.

Von Michael Lange | 05.08.2007
    Als Dolly am 5. Juli 1996 geboren wurde, war die Technik, der das Klonschaf sein Leben verdankte, bereits mehr als 15 Jahre alt: Der so genannte Kern-Transfer. Erstmals beschrieben wurde er 1981 in der angesehenen Fachzeitschrift Cell von dem aus Deutschland stammenden Wissenschaftler Karl Oskar Illmensee, und seinem amerikanischen Mitarbeiter Peter Hoppe. Voller Hochachtung schreiben Ian Wilmut und Keith Campbell, die Schöpfer des Klonschafes, in ihrem Buch "Dolly":

    "Brillant, verblüffend, ein Geniestreich. Damit skizzierten Karl Illmensee und Peter Hoppe Anfang der achtziger Jahre das genaue Forschungsprogramm, an das sich die anderen Forscher seither halten."

    Illmensee und Hoppe hatten Zellkerne aus verschiedenen Embryozellen einer Maus entnommen. Die hatten sie in Mäuse-Eizellen verpflanzt, deren eigene Zellkerne sie zuvor entfernt hatten. Dabei setzten sie ganz auf Mikro-Chirurgie mit feinsten Instrumenten. Viele Versuche schlugen fehl, doch dann kam angeblich der Durchbruch.

    Die Eizellen programmierten das Erbgut im Zellkern so um, dass das Leben von vorne begann. Sie schufen so 16 geklonte Embryonen. Letztlich entstanden drei geklonte Mäuse, so heißt es in dem Artikel in "Cell". Im Prinzip funktioniert die Klontechnik bis heute nach dem gleichen Muster.

    Aber Illmensees Ergebnisse ließen sich nicht reproduzieren. Das galt für die gesamten achtziger Jahre. Fälschungsvorwürfe standen im Raum. Illmensee konnte sie nicht widerlegen. Sie ließen sich aber auch nicht beweisen. Eine internationale Experten-Kommission schrieb 1982 im Auftrag der Universität Genf einen Untersuchungsbericht.

    "Die Veröffentlichung von Karl Illmensee und Peter Hoppe ist wissenschaftlich wertlos, so lange die Ergebnisse nicht von anderen Forschern wiederholt werden können."

    Alle Versuche, die Experimente genau so noch einmal durchzuführen, schlugen fehl. Enttäuscht verließ Karl Illmensee die Universität Genf und kehrte der Wissenschaft vorerst den Rücken.

    "Die ganze Episode ist in vielerlei Hinsicht außerordentlich bedauerlich. Nicht zuletzt, weil als Fazit bleibt: Was für eine Vergeudung von Talent!"

    So Ian Wilmut und Keith Campbell in ihrem Buch "Dolly". Die beiden britischen Embryologen nahmen mehr als zehn Jahre später die Veröffentlichung von Illmensee und Hoppe als Arbeitsanleitung. Aus Zellkernen von Schafsembryonen schufen sie 1995 die Schafe Megan und Moraq. Dann gingen sie noch einen Schritt weiter. Sie verpflanzten den Kern einer ausgereiften Körperzelle. Er stammte aus der Euterzelle eines geschlachteten Schafes, und daraus entstand ....

    Dolly, das Schaf. Wilmut und Campbell veröffentlichten ihre Ergebnisse im Februar 1997 in der Zeitschrift Nature. Und wieder gab es Zweifel, denn das Klonen ist ein höchst unnatürlicher Prozess.
    Der Stammzellenforscher Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin in Münster.

    " Das ist etwas, was von der Biologie her wirklich faszinierend ist. Jeder war vor den Kopf geschlagen, als Dolly auf die Welt kam. Die meisten hielten das für nicht möglich, so dass man lange gesucht hat: Wo ist der Fehler? Und man hat lange gebraucht, bis man das akzeptiert hat. "

    Die Zweifel schwanden in den folgenden Jahren, als immer mehr Tierarten geklont wurden. Zunächst Rinder, dann auch Mäuse, später Ziegen, Ratten, Schweine, Katzen, Hunde und so weiter.

    Karl Illmensee arbeitete unterdessen zurückgezogen an einer Klinik für künstliche Befruchtung in Salzburg. Er mied die Öffentlichkeit, auch die wissenschaftliche. Seine Zurückhaltung zahlte sich aus. Schließlich wurde er erneut Professor an der Universitätsfrauenklinik Innsbruck.

    Später tauchte sein Name im Umfeld des italienischen Reproduktionsmediziners Severino Antinori auf. Der kündigte an, er wolle Menschen klonen. Im Februar 2 000 sagte Antinori in einem Interview mit dem Spiegel:

    "Ein wichtiger Partner ist für mich der Innsbrucker Universitäts-Professor Karl Illmensee, der über große Erfahrung beim Klonen von Tieren verfügt. Er ist für mich der beste auf der Welt."

    Illmensee blieb stumm. Stattdessen eine offizielle Erklärung der Universität Innsbruck:

    "Karl Illmensee hat weder konkrete Pläne für das Klonen von Menschen, noch wird eine diesbezügliche Zusammenarbeit mit Antinori angestrebt."

    In der Folgezeit wurde vielfach spekuliert, ob Karl Illmensee tatsächlich zum Klonteam von Severino Antinori gehöre. Immer wieder gab es Gerüchte. Die Sekte der Raelianer gab Weihnachten 2002 die Geburt des ersten geklonten Kindes bekannt. Auch Antinori vermeldete kurz darauf den ersten Klonerfolg. Nichts davon bestätigte sich.

    Dann der Februar 2003. Der südkoreanische Tiermediziner Hwang Woo Suk gab bekannt: Er habe menschliche Embryonen geklont und daraus embryonale Stammzellen gewonnen. Dieser Klonversuch wurde von der großen Mehrheit der Wissenschaftlergemeinde akzeptiert und gefeiert. Denn nicht Menschen wurden geklont, sondern menschliche Stammzellen für die Medizin.
    Deshalb auch der Schock zwei Jahre später, als klar wurde: Hwang Woo Suk hatte sich für seine Experimente widerrechtlich menschliche Eizellen besorgt. Und viele seiner Ergebnisse waren gefälscht. Oliver Brüstle vom Institut für Rekonstruktive Neurobiologie der Universität Bonn.

    " Mich haben diese Entwicklungen sehr überrascht. Man kann auch sagen: bestürzt. "

    Nach dem Skandal um Hwang gehen die Klonversuche mit menschlichen Zellen weiter: In Großbritannien, Spanien, in den USA und Australien. Die einzigen, die nach wie vor versuchen, reproduktiv zu klonen, sind Panayotis Zavos aus den USA und Karl Illmensee.