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Karneval als Kulturbegegnung

In der Eigenwerbung hat es Köln immerhin zur "Eventstadt Europas" gebracht. Das größte Event findet derzeit auf den Straßen und in den Kneipen statt: Der Karneval. Da wurde es langsam Zeit für ein Karnevalsmuseum. Jetzt ist es da.

Von Katja Lückert |
    Der Weltmeisterschaft sei Dank: Ein harmloseres Motto als "Fastelovends Foßballspill" hätte sich das alljährlich im Februar durch Köln rollende Karikaturenfestival namens Rosenmontagszug kaum geben können. Keine Spur von Mohammed und ähnlich heiklen Themen. Dafür gibt es zwei Erklärungen: Die eine lautet, Religionen und Minderheiten würden beim Kölner Karneval grundsätzlich nicht verunglimpft. Die andere bezieht sich auf die lange Vorbereitungsfrist. In der Tat mussten die Pläne für die Persiflagewagen bereits im Herbst ausgearbeitet und beim Festkomitee eingereicht werden, so dass man auf die aktuelle politische Lage nur bedingt reagieren konnte. Bloß - ist das nicht immer so? Matthias von der Bank, Leiter des Kölner Karnevalsmuseums verweist auf die letzte Bundestagswahl:

    " Dieser Wagen wird dann gebaut, nach Karikaturen von Karikaturisten, die in der Regel für die Kölner Stadtzeitung arbeiten, aber da kann sich jeder beteiligen, das ist also nicht beschränkt, danach bauen die Firmen den Wagen, aber gerade bei politischen Wagen ist ja so, dass sich zum Beispiel mit der Regierungsbildung da viele Sachen monatelang hingeschoben haben und das natürlich die Rosenmontagszugbauer vor große Komplikationen stellt, man wusste ja gar nicht, wer wird wann wie Kanzler mit welchem Koalitionspartner."

    Während in ehemaligen Fabrikhallen im Kölner Westen der jeweils aktuelle Rosenmontagzug gebaut und später auch wieder verschrottet wird, bietet in einem benachbarten Gebäude das neue Kölner Karnevalsmuseum erstmals eine zusammenfassende historische Darstellung des rheinischen Fests der "Fleischverabschiedung", des carne vale, das seit dem Mittelalter traditionell der Fastenzeit vorausgeht. Trotz der römischen Wurzeln der Stadt, liegt der Ursprung des Karnevals in Köln nicht etwa in den antiken Bacchanalien. Vielmehr stammt die früheste schriftliche Erwähnung aus dem Eidbuch des Rates der Stadt von 1341.

    " Die erste Erwähnung - man kann das mal übersetzen das mittelalterliche Kölsch, das heißt: Niemals soll der Rat zu Fastnacht Unterstützung aus städtischen Mitteln gewähren. Das heißt, wenn die Ratsherren da feiern wollten, mussten die das aus eigener Tasche tun, nicht auf Kosten der Stadt Köln. "

    Die privatwirtschaftliche Organisation war von jeher sicher eine der stabilsten Grundlagen des Verkleidungsfests. Das galt schon für die groß angelegten Festessen, die im 16. Jahrhundert vom Dreikönigstag bis Aschermittwoch dauerten, es galt für die vornehmen Maskenbälle des 18. Jahrhunderts und es gilt nicht minder für den vereinsmäßig organisierten Karneval des 19. und 20. Jahrhunderts. Auch noch heute müssen die Karnevalisten das Wurfmaterial für den Rosenmontagszug selbst bezahlen und schon auf der frühesten Darstellung des Festkommittees von 1830 sieht man die Karnevalsmütze, die nach der Idee des preußischen Offiziers Generalmajor von Czettritz und Neuhaus nur diejenigen tragen durften, die den Mitgliedsbeitrag bezahlt hatten.

    Mit der Schaffung eines Festkomitees wurde der ungestüm auf den Straßen tobende Karneval erstmals in geregelte Bahnen gelenkt. Zugleich diente er zum Auffüllen der Stadtkasse: jeder, der sich in Köln verkleiden wollte, musste zuvor bei der Armenverwaltung, die auch für Kranken- und Waisenhäuser zuständig war, einen Obolus entrichten. Aber noch etwa anderes führte dazu, dass der Karneval in Köln seine heutige Struktur bekam: Durch den Wiener Kongress 1815 wurde die Stadt ein Teil der preußischen Rheinprovinzen.

    " Karneval ist immer etwas, wo man sich gesellschaftlich begegnet, das heißt, wir haben ein Kölner Bürgertum und eine neue preußische Oberschicht, man musste sich gesellschaftlich begegnen und dieser Art und Weise musste ein Karneval konstruiert sein, der für beide Gruppen tragbar war. "

    Die historische Betrachtung des Karnevals, so wie sie das Museum bietet, lässt aber viele Fragen zum eigentlichen Wesen des Karnevals offen. Zum Beispiel: ist er nun subversiv oder affirmativ? Stellt er wirklich ein Entlastungsventil für den vergesellschafteten Menschen dar? Oder ist er bloß eine Frühform der Unterhaltungsindustrie und ihrer Hohlheiten? Für solche sozialpsychologischen Erkundungen müßte man freilich die Vereins-und Veranstalterperspektive verlassen und sich dem Volk und seinen Sitten zuwenden, die während der tollen Tage bekanntermaßen gefährlich locker sind. Zumindest in Köln bedeutet Karneval neben dem politischen und ästhetischen Ausnahmezustand auch einen erotischen, und gerade dieses permissive Moment ließe sich im Vergleich mit anderen Karnevalshochburgen als Charakteristikum der Kölner Stadtkultur herausarbeiten. Doch dazu liefert das Kölner Karnevalsmuseum leider keinen Ansatz.