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Karneval auf den Seychellen

Er rühmt sich, der einzige Karneval zu sein, der die ganze Welt zusammenbringt: der "Carnaval International de Victoria". Bei der großen Parade auf den Straßen der Seychellen-Hauptstadt kommen die Teilnehmer aus 33 Ländern. Mit dabei auch das Düsseldorfer Prinzenpaar samt Adjutantengarde.

Von Lottemi Doormann | 10.02.2013
    Es ist sehr warm in Victoria, feuchtwarm um 30 Grad, der Himmel schwer
    von Wolken. Schon am Abend vor der großen Parade strömen die Menschen in den Gassen des sonst so beschaulichen Städtchens zusammen, um die Bühnenshow zur Eröffnung des "Carnaval International de Victoria" mitzuerleben. Dunkelhäutige Schönheiten in glitzernden knappen Kostümen, überm Kopf ein feuerroter Federbusch von gewaltigen Ausmaßen, präsentieren sich dem bewundernden Publikum. Sie sind vom Londoner Notting Hill Carnival angereist, darunter die 18-jährige Rhona, klein unter ihrem riesenhaften pinkfarbenen Schirm, der eine geöffnete Muschel symbolisiert.

    Und da erscheinen Düsseldorfer Karnevalisten inmitten des Trubels wie eine Halluzination, das Prinzenpaar samt Adjutantengarde, schwitzend in ihren dicken Kostümen.

    Karnevalist Jürgen Ried: "Och, wir machen uns ein paar schöne Tage und zeigen mal den Seychellen, wie wir in Düsseldorf Karneval feiern. – Also Düsseldorf helau! Seychellen helau! Düsseldorf helau!"

    Und wer ist dabei?

    Karnevalist Jürgen Ried: "Tänzerinnen von der katholischen Jugend, das Prinzenpaar mit Adjutantur, Tanzmariechen. Alles in allem besteht die Gruppe aus 50 Teilnehmern. Montagabend um 18 Uhr 55 fahren wir wieder weg."
    In diesem Jahr allerdings fehlen die Düsseldorfer Karnevalisten beim Internationalen Karneval auf den Seychellen, weil genau zu der Zeit auch der Düsseldorfer Karneval seinem Höhepunkt zusteuert. Doch im nächsten Jahr wollen sie wieder dabei sein.

    Erst 2010 haben sich die Seychellen, Réunion, Mauritius, Madagaskar und die Komoren zu den sogenannten "Vanilla Islands" zusammengeschlossen, um mit neuen Events den Tourismus auf diesen Inseln im Indischen Ozean anzukurbeln.

    Der Seychellen-Karneval, heißt es auf den Eröffnungsbühnen, sei der einzige, der versucht, die ganze Welt zusammenzubringen. Mit einem durchaus ernsten Hintergrund, der in vielen Reden beschworen wird, zum Beispiel vom Tourismus-Chef der Seychellen, Alain St. Ange:

    "Unsere Idee ist es, hier die Solidarität der Nationen mit den Inseln im Indischen Ozean zu zeigen in ihrem Kampf gegen die Piraterie. Das ist die ernste Seite dieses Karnevals, bei dem die Gemeinschaft der Nationen zusammenkommt, um in diesem notwendigen Kampf ihre Solidarität auszudrücken. Wir wollen auf den Seychellen eine Plattform der Nationen schaffen, wo jeder gleich behandelt wird, jenseits der Politik, der Religion, der Hautfarbe und von Unterschieden, die uns oft trennen. Wir sagten uns, es sei an der Zeit, darauf zu schauen, was uns eint, statt was uns trennt. Deshalb wollten wir eine Plattform, den 'Carnaval International de Victoria', in der Hauptstadt der Seychellen."

    Es ist dunkel geworden. Auf der Bühne schmettert jetzt Popsängerin Michelle Marengo den Song "Carnaval Carnaval" ins Mikrofon, und Einheimische und Touristen rundherum in den Straßen beginnen begeistert zu tanzen.

    Auch früher habe es schon mal einen Karneval auf den Seychellen gegeben, erinnert sich Edith Hunzinger, eine Seychelloise, die heute für das Fremdenverkehrsamt in Frankfurt arbeitet:

    "Also damals war es eigentlich für uns als Kinder - wir waren schon monatelang vorbereitet, welche Kostüme man dann anziehen sollte. Und unsere Mütter waren eigentlich auch Näherinnen, und so hatten wir Mut in der Schule, was nähen wir, und waren auf einmal alle wie Schildkröten angezogen. Und dann gab es so einen Riesenwagen. Ich weiß von meinem Halbbruder, der hat wirklich zum ersten Mal auf den Seychellen einen Karnevalswagen gebaut wie eine Schildkröte. Wir hatten das Gefühl, wir hatten eine Schildkröte auf Rädern auf der Straße. Und wir waren natürlich begeistert, so ein Riesending gesehen zu haben und dass es möglich ist, so was zu bauen. Aber es hat drei Monate gedauert! Das war, würde ich sagen, genau vor 40 Jahren."

    Am nächsten Tag startet die große Parade der kostümierten Tänzer aus
    33 Ländern in der von Palmen und Zuschauern dicht gesäumten Francis Rachel Street im Zentrum von Victoria. Gerade haben James Alix Michel, Präsident der Republik Seychellen, und Monsieur Didier Robert, Präsident von La Réunion, auf einer Stuhlreihe am Rande der Straße Platz genommen, beide lässig-luftig gekleidet. Es ist ein schwüler tropischer Nachmittag, und das Spektakel beginnt mit dem Auftritt einer tanzenden Jugendgruppe der Seychellen.

    Die Parade führt am berühmten Uhrenturm und der St. Paul's-Kathedrale
    vorbei, dann in einem großen Bogen durch die Avenue des 5. Juni und über den Freiheitsplatz zurück. Unglaublich phantasievoll und abwechslungsreich ist das Defilee der Karnevalisten aus Afrika, Asien, Südamerika und Europa, mit viel nackter Haut und ausgelassener Tanzwut. Indonesien zum Beispiel präsentiert sich mit magischen Kunststücken, gewaltige Krüge werden auf dem Kopf balanciert, und Frauen in märchenhaften Kleidern lassen sich in akrobatischen Verrenkungen auf dem Pflaster nieder. Dann treten Feuerschlucker auf, ein schwangerer Clown auf Stelzen tänzelt kokett und ein riesiger Elefant auf Rädern mit rosafarbenen Ohren wird vorbeigeschoben.

    Plötzlich ertönen Kampfrufe. Russische Marinesoldaten, deren Schiff gerade im Hafen von Mahé gelandet ist, führen mit geschwärzten Gesichtern und in Tarnuniform Kampf- und Karateübungen vor.

    Es folgt Korea, alle in gleicher zugeknöpfter Tracht, mit großen Hüten und traditionellen Trommeln, und mächtig legen sie sich ins Zeug.

    Die französischen Karnevalisten haben einen Eiffelturm auf ihr Fahrzeug montiert, das mit den Farben der Trikolore überspannt ist. Die Briten vom Londoner Notting Hill Carnival ziehen mit einer überlebensgroßen Meerjungfrau aus Pappmaché vorbei, Fische hängen in den fliegenden Haaren. Die jungen Frauen in ihren Schmetterlingshaften erotischen Kostümen tanzen zu Sambaklängen, begleitet von Jubelrufen.

    Auf jede ausländische Darbietung folgt eine einheimische Gruppe aus dem Land der 116 Inseln. Weißgekleidete Jungen und Mädchen mit weißen Schirmen gehen Hand in Hand durch einen Wald aus weißen Streifen für eine Umweltschutzorganisation. Es präsentieren sich Tourismusprojekte, die Universität, der Meeresschutz, und den Kampf des Inselstaates gegen die Piraten im Indischen Ozean symbolisieren tanzende Soldaten auf einem Marineboot, das eine Piratenjolle abschleppt.

    Schließlich die Düsseldorfer, die vor den karibischen Tänzern aus Trinidad und Tobago auftreten. Fast exotisch wirken sie in ihrem schweren Ornat. Vorweg die Blaskapelle, auf dem fahnengeschmückten Wagen Prinzessin Venetia Anke Conti-Mica und Prinz Thomas Puppe alias Thomas II. samt Adjutantengarde, dem Publikum huldvoll zuwinkend. Und als die Tanzmariechen mit ihren Gretelzöpfen-Perücken vor dem Stuhl des Seychellen-Präsidenten alle gleichzeitig zum Spagat auf den Boden sinken, gibt es viel Beifall.

    Als der letzte Wagen durchgezogen ist, geht das Fest in den Straßen von Victoria laut und fröhlich weiter. Mittendrin ein kleiner dunkelhäutiger Junge, der ein knallrotes T-Shirt mit der Aufschrift "Germany Fußballweltmeisterschaft 2010" trägt. Woher stammt das T-Shirt?

    Seine Mama sagt, das T-Shirt habe jemand in Thailand gekauft, um es auf den Seychellen zu verkaufen.

    Vielleicht gibt es ja im nächsten Jahr beim Internationalen Karneval in Victoria ein T-Shirt der Düsseldorfer Narren mit der Aufschrift: Germany Fastnacht 2013.