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Karriere in den Niederlanden

Hoch qualifiziert und motiviert - und trotzdem arbeitslos. Die wirtschaftliche Krise hat in Deutschland längst schon die Akademiker erreicht. Nicht nur, dass viele Berufsanfänger ihren Job verlieren, auch viele Hochschulabsolventen drängen in den Markt und finden trotz exzellenter Ausbildung keine geeignete Stelle. Ganz anders in den Niederlanden: Dort herrscht nach wie vor Arbeitskräftemangel. Längst schon suchen niederländische Unternehmen auch im europäischen Ausland nach geeigneten Arbeitskräften - auch in Deutschland. War der Arbeitskräfteaustausch bislang auf den Austausch von Handwerkern und Facharbeitern beschränkt, gibt es nun erstmals ein attraktives Angebot für Akademiker: Das Projekt heißt ANTJE - eine Abkürzung für "Arbeiten in den Niederlanden - Training und Jobs in Europa" - und wendet sich vornehmlich an Absolventen mit einer wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung.

29.01.2003
    Ein Beitrag von Antje Allroggen

    Vor einem Jahr hatten die Niederlande ein ernsthaftes Problem: den dortigen Unternehmen fiel es zunehmend schwer, geeignetes Personal zu finden. Die Zahl der offenen Stellen erreichte sogar ein historisches Hoch und überschritt erstmals die Zahl der Arbeitslosen. Um mehr Stellen wieder besetzen zu können, suchen niederländische Firmen inzwischen auch im Nachbarland Deutschland nach geeigneten Fachkräften.

    Vor einem Jahr hätte man grundsätzlich jeden Deutschen verhaftet und sofort einen Arbeitsvertrag angeboten. Mittlerweile ist es schon so, dass die Arbeitgeber sich das schon so ein bisschen aussuchen können. Wir bieten dem Arbeitgeber in den Niederlanden deutschsprachige Bewerber an, und da gibt es noch einen sehr großen Bedarf an Arbeitskräften.

    Detlev Priebe arbeitet im Düsseldorfer Büro der deutsch-niederländischen Handelskammer, kurz DNHK, und koordiniert für über 1000 niederländische Unternehmen die Suche nach geeignetem deutschen Personal. Nach wie vor gibt es in Holland einen großen Bedarf an Fachkräften in den Bereichen Vertrieb und Marketing, sagt Thomas Birlenberg, der das Projekt beim Essener Arbeitsamt mit betreut.

    Das schließt dem Grunde nach aber auch alle anderen Arten ein. Wobei natürlich, wenn es etwas Exotischeres ist von dem Studium her einfach die Frage ist, liegt so ein Angebot vor. Wenn es vorliegt, stößt man in eine Lücke, und dann würde die DNHK auch sagen prima, der oder die kommt uns wie gerufen, das passt.

    Voraussetzung für eine Bewerbung ist eine abgeschlossene, möglichst akademische Berufsausbildung. Nach einem Bewerbungsgespräch schließt sich eine 6-monatige Weiterbildung an, die von den Carl-Duisberg-Centren in Essen durchgeführt wird und mit einem anerkannten Sprachexamen endet. Neben dem Fach Niederländisch soll es auch ein interkulturelles Training geben, erläutert Hubert Michels, Leiter der Einrichtung.

    Unternehmenskultur ist in den Niederlanden doch anders gestaltet als in der Bundesrepublik, und da lohnt es sich schon, sich von Experten beraten zu lassen und sich selbst dann zu hinterfragen, wie verhalte ich mich beispielsweise, wenn alle Mitarbeiter im Unternehmen sich duzen, wenn der Chef im Rollkragenpullover ankommt und mal eben Kaffee kocht.

    Der Wunsch, die deutschen Teilnehmer nicht nur sprachlich, sondern auch kulturell auf ihren Aufenthalt in den Niederlanden vorzubereiten, kam von den niederländischen Unternehmen selber, so Ina Krumsiek-Heidebrecht von der Beratungs- und Projektgesellschaft der Industrie- und Handelskammern in NRW:

    Dann haben wir mit den niederländischen Unternehmen gesprochen, die uns ganz pragmatisch gesagt haben, dass die deutschen Bewerber sich interkulturell bei uns einfügen können und nicht als deutsche Macher in den Unternehmen dort erscheinen, weil das keinen guten Eindruck macht und dann so schnell wie möglich kommen können.

    Nach dem dreimonatigen theoretischen Teil kann sich ein weiteres dreimonatiges Praktikum in einem niederländischen Unternehmen anschließen. Möglich ist aber auch, nach dem Kurs direkt bei einem Unternehmen einzusteigen. Das Projekt rechnet mit einer Vermittlungsquote von über 80 Prozent. Bei der Durchführung der Maßnahme gibt es allerdings noch ein bürokratisches Problem: die Arbeitsämter erkennen das Projekt zwar als offizielle Bildungsmaßnahme für arbeitslose Akademiker an, können allerdings unter Umständen nicht so viele Kurse für Antje bewilligen, wie es interessierte und geeignete Kandidaten gibt, erklärt Peter Jäger, zuständiger Abteilungsleiter beim Essener Arbeitsamt:

    Das Problem ist einfach ein Problem finanzieller Art, dass insgesamt der so genannte Eingliederungstitel, den die Arbeitsämter zur Verfügung haben und aus dem solche Maßnahmen finanziert werden, dass dieser Eingliederungstitel etwas geringer ist im Vergleich zum Vorjahr. Hier im Arbeitsamtbezirk Essen ist er um sechs Prozent niedriger.

    Übrigens gibt es noch keine Niederländer, die Interesse daran haben, mit Antje nach Deutschland zu gehen. Abgesehen von der derzeit schlechteren wirtschaftlichen Lage verbinden die meisten Niederländer mit dem Arbeiten in Deutschland starke Hierarchien und viele unnötige bürokratische Regelungen.

    Die ersten Kurse starten am 3.2. Es sollen aber noch weitere Kurse stattfinden.

    Ansprechpartner für weitere Infos:

    Arbeitsamt Essen, Thomas Birlenberg Thomas.Birlenberg@arbeitsamt.de

    Deutsch-niederländische Handelskammer d.priebe@dnhk.nl

    IHK - Beratungs- und Projektgesellschaft Krumsiek-Heidebrecht@duesseldorf.ihk.de

    Carl Duisberg Centrum Dortmund Hubert Michels michels@cdc.de