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Karriere in der Finanzkrise

359 hochbegabte junge Nachwuchs-Ökonomen treffen sich in Lindau am Bodensee mit 17 Wirtschafts-Nobelpreisträgern. Da geht es natürlich um Lösungswege aus der globalen Finanzkrise, aber auch um Networking und um Karrieremöglichkeiten im Finanzbusiness.

Von Thomas Wagner | 26.08.2011
    "Ein ethisches Verhalten wird alleine durch solche Erörterungen nicht gefestigt. Sondern es muss im gesamten Studium ein Bewusstsein für diese Fragen da sein. Es ist auch nötig, dass ein anderes Menschenbild propagiert wird, nicht wahr?"

    Ein älterer, freundlicher Herr sitzt auf der Terrasse vor der Inselhalle in Lindau, nur einen Steinwurf vom Bodensee entfernt: Krawatte, weißes Hemd, Hosenträger, graues, schütteres Haar: Professor Reinhard Selten von der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn ist der einzige Deutsche unter den 17 Wirtschafts-Nobelpreisträgern, die dieser Tage nach Lindau gekommen sind. Gerade in der Finanzkrise, sagt er, müssten die Manager mehr Verantwortung zeigen. Daher das Plädoyer für mehr ethische Aspekte in der Ausbildung . So etwas stößt unter den Nachwuchs-Ökonomen auf fruchtbaren Boden.

    "Also ich glaube, dass es auch nicht reicht, den Unis zu sagen: Macht jetzt einen Wirtschafts-Ethik Kurs! Und damit haben wir das Thema abgesagt, und die Öffentlichkeit regt sich nicht mehr auf. Sondern es sollte jeder Professor, jeder Dozent eben das Ziel haben, einen Teil dieser wichtigen Fragen mit einzubauen. Und ich glaube, dass gerade im Finanzwirtschaftsbereich, was ja auch zu den Ökonomen gehört, das da selten die Frage gestellt wird: Wie sehen denn die Auswirkungen für das Allgemeinwohl aus? Da rechnet man. Und am Ende ist man besserer Taschenrechner. Da gibt es Studiengänge, zum Beispiel Financial Engineering, da beschäftigt man sich kaum mit ethischen Fragen. Ich denke, das sollte in der Breite schon geändert werden."

    Larissa Zierow beginnt demnächst an der Universität St. Gallen ihre Promotion im Bereich Bildungs-Ökonomie - und markiert eine neue Generation von Jung-Ökonomen: Ihnen geht es nicht nur um möglichst viel Cash in kürzester Zeit. Vielmehr setzen sie sich, auch unter dem Eindruck der Krise, für nachhaltiges Handeln ein - und peilen gerade deshalb eine Karriere als Wirtschaftswissenschaftler an. Julia Koehn ist ebenfalls zur Wirtschafts-Nobelpreisträgertagung nach Lindau gekommen. Sie hat zuvor Volkswirtschaft und Philosophie studiert. Nun beschäftigt sie sich mit der verantwortungsvollen Anwendung volkswirtschaftlicher Erkenntnisse. Damit, glaubt sie, markiert sie einen Trend.

    "Also ich hab' ihr total viele Mädels kennen gelernt aus der Universität St. Gallen, die sich gerade im Bereich Stability Economics tummeln und häufig aus so einem Hintergrund kommen. Also die sind selber mal bei Attac gewesen, sind meistens Atomkraftgegner, die sich halt überlegt haben: Wir wollen das genauer verstehen, was da passiert und wollen selber Lösungen schaffen. Und sie studieren jetzt oder haben studiert und promovieren jetzt in solchen Fächern und haben da ganz spannende Lösungen."

    Die Zahl solcher kritischen Nachwuchs-Ökonomen wachse ständig, beobachtet Julia Koehn. Nur: Das, was sie zu sagen haben, finde in der Öffentlichkeit kaum Gehör.

    "Gerade wenn man sich deutsche Ordinarien anschaut, dann sind das eben meistens recht konservative Neoliberale, gesetzte Herren, die dort arbeiten und die dort öffentlichkeitswirksam sind. Und dementsprechend kann ich mir vorstellen, dass das Bild einfach noch ein wenig verzerrt ist, weil diejenigen, die solchen neuen Arbeiten machen, einfach noch zu jung sind, um in den Medien präsent zu sein und die Kritik dann an diese Menschen gerichtet wird, wobei das viele von uns Jungen gar nicht mehr so betrifft, weil sie da sehr ähnlich denken, etwas verändern wollen und deshalb Ökonomie studiert haben."

    Doch selbst bei manchen alten Herren hat ein Umdenken eingesetzt: Der amerikanische Wirtschafts-Nobelpreisträger Professor Joseph Stiglitz, Jahrgang 1943,findet: Es muss sich etwas ändern in der Ausbildung der Wirtschaftswissenschaftler.

    "Ich glaube, so manche Ursache der gegenwärtigen Finanzkrise liegt darin, wie die Zunft der Wirtschaftswissenschaften heute arbeitet. Mit den alten Rezepten und Modellen haben doch gerade diejenigen, die an den Schaltstellen der Zentralbanken und im privaten Sektor arbeiten, ganz wesentlich zum Entstehen der Krise beigetragen."

    Neue Manager braucht das Land - Manager, die nachhaltiger arbeiten, die ethische Aspekte bei ihren Entscheidungen im Hinterkopf behalten - das ist eine wichtige Botschaft aus Lindau. Und weil es an Managern und Wirtschaftswissenschaftlern mit solchen Qualitäten noch mangelt, haben diejenigen Jung-Ökonomen, die in solchen neuen Bahnen denken, keine Angst bei der Jobsuche. Bastiaan Oud promoviert an der Universität Zürich an der Schnittstelle zwischen VWL, Psychologie und Neurowissenschaften:

    "Also wenn die Krise eines klar gemacht hat, dann ist es der Bedarf für bessere Forschung in diesem Bereich, so dass ich eigentlich nicht so pessimistisch bin. Insofern hat das unsere Chancen nicht unbedingt geschmälert, eher im Gegenteil: Ich finde, dass gerade solche Ansätze wie die Integration der VWL in andere Disziplinen und einfach Erkenntnisse, die von anderswo kommen, bei uns einzubauen, dass das ein fruchtbarer Pfad ist, wo noch extrem viel Arbeit zu tun ist. Ich hoffe, das wird uns beschäftigt halten."