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Karriere in Weiß

Die Ära der "Halbgötter in Weiß" ist vorbei. Schon bald sagen Gesundheitsexperten für Deutschland deshalb einen Medizinermangel voraus. Kein Wunder, dass der Hartmannbund - der Berufsverband der Ärzte und Ärztinnen - verstärkt für eine "Karriere in Weiß" wirbt. Trotz aller schwierigen Umstände.

Von Silke Schmidt |
    "Ich bin Christine Schneider, bin jetzt im 2. Klinischen Semester Medizin und ich möchte später im kurativen Bereich als Ärztin arbeiten.
    Mein Name ist Karsten Schmitz, studiere im 12. Semester Medizin in Köln. Mein Berufswunsch ist Chirurg.
    Mein Name ist Vanessa Müller. Ich bin im zweiten Jahr meiner Facharztausbildungszeit und interessiere mich für alternative Berufsfelder, weil ich nicht weiß, was mich nach meiner Facharztzeit erwartet."

    Junge Mediziner mit unterschiedlichen Zielen und Perspektiven. 15 Seminarteilnehmer sind an diesem Samstagvormittag in den Universitätsclub Bonn gekommen, um sich über mögliche Karrierewege in der Medizin zu informieren. Die Allermeisten wollen als praktizierende Ärzte arbeiten, so wie die 24-jährige Christine Schneider.

    "Weil ich gerne mit Patienten zu tun habe. Weil ich auch in den Praktika festgestellt habe, dass ich gerne mit Menschen arbeite - und ich muss sagen: im kurativen Bereich hat man wirklich die Möglichkeit einen Effekt zu sehen beim Patienten, der sich freut, wenn man ihm in irgendeiner Form helfen kann."

    Über ihren Einstieg in den Beruf muss sich Christine Schneider keine Sorgen machen. Die Aussichten für angehende Ärzte seien derzeit gut - referiert Doktor med. Andreas Rhode vom Hartmannbund vor den Seminarteilnehmern.

    "Wie sieht die Situation heute aus? Die deutsche Ärzteschaft ist strukturell überaltert, das Durchschnittsalter eines deutschen Arztes liegt bei über 50 Jahren, die deutsche Ärzteschaft hat ein Nachwuchsproblem und vor allem die unmittelbar in der Patientenversorgung tätigen Ärzte werden immer weniger."

    18.000 unbesetzte Arztstellen gebe es derzeit - so Andreas Rhode. Aber freie Stellen bedeuten noch lange nicht, dass Ärzte auch eine attraktive Karriere vor sich haben. Ein Großteil der freiwerdenden Stellen gibt es im Bereich der niedergelassenen Ärzte. Mediziner, die in den Ruhestand gehen wollen, finden oft keine Nachfolge, denn die Verdienstmöglichkeiten sind heute für viele Medizinabsolventen unattraktiv. Viele verbleiben deshalb an den Kliniken und sorgen dort für einen regelrechten Karrierestau erklärt Referent Andreas Rhode.

    " Es gibt weiterhin einen Riesenbodensatz an Assistenten, darüber satteln sich einige Oberärzte und oben steht ein Chef!"

    Und so muss der Hartmannbund im Karriere-Seminar einen schwierigen Spagat machen: einerseits dafür werben, dass Ärzte trotz unattraktiver Zukunftsperspektiven die Patientenversorgung in Deutschland übernehmen. Andererseits nicht verschweigen, dass alternative Berufsfelder oft besser bezahlt und oft auch besser mit der Familie vereinbar sind.

    "Weil Teilzeitangebote gerade für Ärztinnen wesentlich besser sind. Familie und Beruf geht in alternativen Berufsfeldern wesentlich einfacher unter einen Deckel zu bekommen als es im kurativen Bereich ist."

    Statt auf der Station im Krankenhausmanagement arbeiten, in der Pharmaindustrie, oder auch bei Ärztekammern, Krankenkassen, Gesundheitsämtern - das sind Alternativen zu den oft schwierigen Arbeitsbedingungen im Klinikbereich, wie sie auf die zukünftige Fachärztin Vanessa Müller zukommen.

    "Es gibt keine Halbtagsjobs. Verträge sind kurz. Wir haben Kollegen, die nur 8-Wochen-Verträge bekommen. Was nach der Facharztausbildung kommt, weiß keiner. Da werden Fachärzte generell nicht so gerne übernommen, weil sie zu teuer sind. Also muss man sich da schon frühzeitig Sachen überlegen, wie es weitergeht."

    Und deshalb bietet der Hartmannbund nun verstärkt auch Karriere-Seminare für junge Ärzte an, denn Möglichkeiten und Perspektiven im Arztberuf gebe es immer noch viele. Auch Vanessa Müller schließt nicht aus, dass sie beispielsweise in der Pharmaindustrie einsteigt. Auch wenn sie sich eigentlich viel lieber um Patienten statt Pillen kümmern würde.