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Karriereende nach 37 Jahren Bundestag

Michael Glos (CSU) hat eine lange Politikerkarriere hinter sich und wirkt beim Eintritt in den Ruhestand fast erleichtert, dem Politikzirkus nicht mehr angehören zu müssen. Vor allem seinen Parteichef wird er wohl nicht vermissen. Doch er blickt auch wehmütig auf die Zeit als Abgeordneter zurück.

Von Katharina Hamberger | 18.07.2013
    Michael Glos, CSU-Urgestein und Mainfranke, steht am Ende einer breiten Treppe der bayerischen Landesvertretung in Berlin und begrüßt die Gäste seiner Abschiedsfeier. Der dunkle Anzug sitzt korrekt, nur die Haare, die sind mittlerweile weiß. Früher habe seine Frau sie ihm noch braun gefärbt, heißt es. 37 Jahre lang saß Glos als Abgeordneter im Bundestag. Knapp vier Jahrzehnte - ununterbrochen! Das grenzt schon fast an eine Festanstellung - das gesetzliche Renteneintrittsalter ist mit 68 längst überschritten. Und mit den 68ern hat der Christsoziale einst seine politische Karriere auch begonnen - oder besser gesagt gegen sie:

    "Es war damals sehr viel Bewegung in Deutschland, und die 68er-Bewegung hat sicher auch Positives verändert. Auf der anderen Seite, wie das gemacht worden ist, mit welchen Methoden, das ist etwas, was mich mehr abgestoßen hat. Ich bin deswegen auf die andere Seite gegangen."

    Die andere Seite - das war für ihn die CSU. Der er auch beigetreten ist, weil er mit dem finanzpolitischen Kurs der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt nicht einverstanden war. Diese Kampfeslust ist ihm heute nicht mehr anzumerken, wenn er bedächtig seinen Kaffee trinkt und mit rundem Rücken auf einem Stuhl sitzt, was ihn kleiner macht, als er eigentlich ist. Aber damals, 1976, als Glos für die Partei in den Bundestag einzieht - da war er ja auch erst 32 Jahre alt und der bis dahin jüngste christsoziale Abgeordnete.

    "Meine erste Nominierung, da war ich jung und Außenseiter, geschah dann mit einer Stimme Mehrheit nach Stichwahl. Und bei meiner letzten Nominierung zur zehnten Wahl hatte ich 100 Prozent der Stimmen in schriftlich-geheimer Wahl."

    So richtig kämpfen musste er am Schluss also nicht mehr - Glos konnte immer ungehindert weitermachen. Das hat schon fast königsähnliche Züge. Besonders merkt er das, wenn er vor Schulklassen spricht:

    "Und wenn dann ein Schüler die Lehrerin fragen würde, kann man wirklich einen anderen wählen, ich hab noch nie etwas anderes gehört in dem Kreis als Michael Glos. Das ist dann schon ein bisschen ein zusätzlicher Anreiz, endlich aufzuhören."

    Jetzt reicht es ihm. Die 37 Jahre Bundestag scheinen ihn fast amtsmüde gemacht zu haben - in der letzten Legislaturperiode hat er, so hat es die Initiative abgeordnetenwatch.de gezählt, nur noch zwei Mal im Parlament geredet - zwei Mal in vier Jahren.

    "Ich weiß, meine Zeit ist um, und ich hab mich schon länger entschlossen, dass ich meinen 70. Geburtstag nicht als Bundestagsabgeordneter feiern will."

    Manchmal - verrät er - fragt er sich sogar, ob er nicht schon früher hätte gehen müssen. Trotzdem wohne jedem Abschied ein Stück Wehmut inne, sagt der Müllermeister. Aber so richtig sentimental wirkt Glos nicht. Eher erleichtert, endlich nicht mehr diesen Wahlkampfzirkus mitmachen zu müssen. Und dann kommt Glos doch noch eine Art "früher war alles besser"-Bemerkung über die Lippen. Der Respekt vor Politikern sei weniger geworden. Er bedauert das. Und kann jedem, der trotzdem in die Politik will, nur raten: überdurchschnittlich viel zu arbeiten, was auch wenig schlafen heißt.

    "Und dann würde ich ihm noch empfehlen, wenn er dann gewählt wird, dass er dann nicht nur versucht, von einem Mikrofon zum andern zu laufen und zwischendurch zu twittern. Sondern ernsthaft sich in einem Ausschuss mit bestimmten Berichterstattungen und so, Aufgaben anzunehmen und so."

    Er selbst hat im Haushaltsausschuss angefangen. Von 1993 bis 2005 stand Glos der CSU-Landesgruppe im Bundestag vor. So lange wie bislang keiner - und dieses Amt scheint er wirklich geliebt zu haben. Die schönste Aufgabe nach dem bayerischen Ministerpräsidenten, die die CSU zu vergeben hat, findet Glos. Kein Wunder, dass er nicht besonders angetan war, als er nach der Wahl 2005 Bundeswirtschaftsminister werden musste, weil Edmund Stoiber dieses Amt in einer Großen Koalition doch nicht übernehmen wollte.

    "Sie werden nicht gezwungen, Minister zu werden. Ich weiß viele, die würden sehr weit in die Luft springen, wenn man ihnen so ein Angebot machen würde."

    Es mag die Altersweisheit sein, aber Glos lässt sich nicht mehr hinreißen zu bissigen Kommentaren über seine Parteifreunde, die ja, wie es oft heißt, die Steigerung von Feind und Erzfeind sein können. So auch, was seinen Parteichef Horst Seehofer angeht.

    "Das ist eine Geschichte, die ich Ihnen jetzt nicht erzähle."

    Sagt er, verschränkt die Arme, lehnt sich weit nach hinten. Und dann sagt er nichts mehr. Bei Glos' Abschiedsfeier glänzte Seehofer mit Abwesenheit. Es heißt, der Ministerpräsident sei nicht eingeladen gewesen. Das Verhältnis der beiden Alphatiere gilt als - gelinde gesagt - schwierig: Es gipfelte darin, dass Glos Seehofer Anfang 2009 per Fax seinen Rücktritt als Bundeswirtschaftsminister ankündigte. Der CSU-Chef war damals völlig überrumpelt, verwehrte den Rücktritt, dann - nach Absprache mit der Kanzlerin - ließ er ihn doch ziehen. Wer Michel Glos kennt, der weiß: Das war ein wohl lange geplanter Schritt. "Wenn Glos Beleidigungen ausspricht, dann tut er das zwar treuherzig, aber absichtlich", brachte es jüngst sein Parteifreund Theo Waigel auf den Punkt. Eine letzte Frage lässt Glos dann doch noch zu: Auf wen kann er sich eigentlich wirklich verlassen in diesem Politikbetrieb, den er nur zu gut kennt. Wie aus der Pistole geschossen kommt:

    "Auf mich."