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Kartoffeln
Der Pop in der Knolle

Die Kartoffel gilt als urdeutsches Lebensmittel, dabei kommt sie ursprünglich aus Südamerika. Sie hat es zu den mitunter beliebtesten Lebensmitteln in Deutschland geschafft - und erobert nun nach den Tellern auch den Pop. Wie das geht, zeigte die Kartoffelshow in Köln.

Von Ina Plodroch | 16.03.2015
    Im Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg (VERN) in Greiffenberg (Brandenburg) liegen seltene Kartoffelsorten, darunter drei aufgeschnittene Sorten: Siglinde (gelb), Blauer Schwede (blau/violett) und Rote Emmalie (rosa)
    Die Kartoffel ist poppiger, als man glaubt - das meinen die Veranstalter der Kartoffelshow. (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    "Grundnahrungsmittel."
    "Eine Delikatesse."
    "Ein wichtiges Lebensmittel."
    "Da könnte ich nicht drauf verzichten." - "Nee, ich auch nicht."
    "Vielseitig, einmal koche ich die, dann mache ich Bratkartoffeln."
    Und auch mal: der neue Popstar. Auf der großen Kartoffelshow. Für die kleinen, knubbeligen und verschrumpelten Kartoffeln, die es meistens gar nicht erst in den Verkauf schaffen. Stichwort: Lebensmittelverschwendung. Holger Jan Schmidt und Katrin Schwermer-Funke sind die Trendsetter im deutschen Gemüse-Pop. Und veranstalten das Sonntagnachmittag-Event für die Knolle, um zu zeigen:
    "Dass die Kartoffel poppiger ist als man glaubt. Dass die Kartoffel nicht nur die schrumpelige Knolle ist, sondern dass man da auch vielfältige Dinge zubereiten kann. Dass es viele gibt, die wir gar nicht mehr kennen. Und dass die Kartoffel in unseren Augen auch verdient hat, auf der Bühne zu stehen."
    Kommt der neue Pop also ganz ohne Musiker und nur mit Gemüse aus? Das Wiener Gemüseorchester flötet schon immer mit Gurken, Möhren oder Paprika; in Japan ist der erste Pop-Avatar Hatsune Miku schon lange ein Star. Warum nicht also auch die Kartoffel? Auf seiner Show präsentiert sich der Kartoffelpop erst mal, naja, trocken als Spoken-Word-Performance gibt mit Power-Point-Präsentation als Visuals.
    "Und zwar habe ich hier erst mal zwei wichtige Fakten aufgeschrieben. Es werden tatsächlich circa die Hälfte aller Lebensmittel, die produziert werden, weggeschmissen. Und hier bei uns in Deutschland wirft jeder von euch, jeder von uns 80 Kilo Lebensmittel weg."
    Obwohl noch keiner weiß, wie dieser neue Kartoffelpop klingen soll, basteln sich die Fans schon erste Fanposter und Karten. Mit Kartoffeldruck. Und sie haben noch andere Ideen für Fan-Kunst:
    "Wir kochen eine Kartoffel-Lauch-Suppe. Bereiten das jetzt vor. Für das Schnippeln sind ja auch die Gäste hier zuständig."
    Kommt jetzt die Trockenheit des Kartoffelpops?
    Waschkörbe voller Gemüseraspeln stehen im Saal. Sind ja auch mehr als 30 Leute, die schneiden. Und mehr als 60, die essen und auf die Bühne schauen. Denn mit Events kennt sich Holger Jan Schmidt aus. Weil er früher das Festival „Rheinkultur" in Bonn organisiert hat und sich jetzt beruflich mit Nachhaltigkeit in der Event-Branche beschäftigt. Kartoffel und Pop?
    "Damit wir Leute erreichen können, die vielleicht sagen: Ein Informationstag zur Kartoffel. Wär' dann vielleicht so: Gehe ich nicht hin. Aus meinem Bekanntenkreis sind total viele Leute: ‚Sag mal, was ist das da mit der Kartoffelshow?' Weil das so absurd klingt, wie ein Widerspruch in sich, weil Kartoffel keine große Show ist. Ein bisschen flippiger, schmissiger."
    Eine Fangemeinde hat die Kartoffel längst. Foodsharing, Urban Gardening, Slow Food, Schnippeldisko, Upcycling, Recycling. Die Sterne für den neuen Pop "Made in Germany" stehen gut. Denn nach Krautrock kann ja eigentlich nur Kartoffelpop kommen. Ist ja schließlich auch ein Stück deutsche Identität. Zwar eingewandert - dafür aber mit Weltmusik-Charakter. Deshalb: Nach der Kühle Kraftwerks und der Härte Rammsteins: Kommt jetzt die Trockenheit des Kartoffelpops? Jan Delay hat sich schon vor Jahren geoutet:
    "Ich bin ne Kartoffel, und ich bin cool damit, ich nehm' das Thema her und schreibe noch n' Superhit, über dieses öde Gemüse, und seine Eigenschaft, Stärke zu besitzen, aber leider kein' Geschmack!"