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Kartoffeln für Tadschikistan

Tadschikistan bildete früher den östlichen Zipfel der Sowjetunion. Mit deren Zusammenbruch kam die Unabhängigkeit. Ein schwieriger Schritt, denn wirtschaftlich war das Land total abhängig von der Sowjetunion. Die Menschen bekamen nicht mehr genug zu essen. Ein Bürgerkrieg brach aus. Aber nun geht es allmählich aufwärts. Nur in den Dörfern noch nicht. Jetzt versuchen die Bauern, ihre Lage mit dem Anbau von Kartoffeln zu verbessern.

Von Andrea Reischies | 14.01.2005
    Wir haben 36 Hektar Land. Darauf haben wir 900 Kilogramm Kartoffeln gepflanzt, nach dem Winterweizen.

    Soleli Khuja lebt mit seiner Familie in einem abgelegenen Seitental nahe des Zeravshan Flusses im Norden Tadschikistans. In höheren Lagen verbreitert es sich soweit, dass etwas angebaut werden kann. Nur fünf bis zehn Prozent des Berglandes sind für die Landwirtschaft geeignet, deshalb beackern die Tadschiken jeden Winkel. Es wachsen Bohnen, Gurken, Tomaten, etwas Mais, und die Futterpflanze Luzerne. Gerade wurden Kartoffeln ausgemacht. Die kommen ursprünglich aus den Anden, und sind auch gut geeignet für die Ausläufer des Pamirgebirges auf 1200 Meter Höhe. Die Böden in den oberen Ebenen der Bergtäler sind oft besonders reich an Nährstoffen und gut durchfeuchtet. Außerdem sind die Pflanzzeiten etwas nach hinten verschoben, so dass die Bauern sie gut mit der Arbeit im tiefer gelegenen Haupttal verbinden können:

    Während der Aussaat und der Ernte helfen die Frauen, sie jäten Unkraut, schneiden Luzerne. Die Männer bewässern, kultivieren. Der Verkauf ist auch Männersache.

    Die Ernte darf Soleli Khuja selbst verkaufen. Das Land gehört dem Staat, aber er hat das Recht, es zu nutzen und zu vererben. Soleli ist Pionier, denn die Privatisierung ist erst in den Anfängen. Meist sind die Kolchosen aufgelöst und in kommunale Dekhanfarmen aufgeteilt worden, die unabhängig wirtschaften, aber nach dem alten Muster.

    In den Ebenen wird Baumwolle angepflanzt, eine der wenigen Einnahmequellen des Landes. Für den Anbau von Grundnahrungsmitteln bleibt wenig Fläche. Weil die Handtuch großen Felder die Familie oft nicht ernähren können, gehen viele Männer als Wanderarbeiter nach Russland. Solelis Nachbar hat nur 0,03 Hektar Land, zu wenig. Die Überweisungen aus dem Ausland sind in vielen Dörfern die Haupteinnahmequelle. Häufig sieht man nur Frauen auf den Feldern.

    Aber jetzt ist Erntezeit und alle sind zufrieden. Dass die Kartoffeln so gut gediehen sind, verdanken sie der Deutschen Welthungerhilfe, die seit dem Bürgerkrieg in Tadschikistan Programme zur Ernährungssicherung durchführt. Hubertus Rueffer war von Anfang an dabei:

    Dies Land ist ein Brotland. Getreide anzubauen ist im Vergleich zu anderen Kulturen nicht lukrativ. Ein Bauer, der bewässertes Land und 40 Doppelzentner produziert an Weizen, dann verdient er 500 bis 600 Dollar. Wenn er auf seinem Hektar Kartoffeln anpflanzt, kriegt er 2000 bis 2500 Dollar pro Hektar. Nur die Kartoffel war in Tadschikistan als Grundnahrungsmittel überhaupt nicht anerkannt damals. Deshalb war die durchschnittliche Produktion 1995/96 im Land bei 40.000 Tonnen im Jahr, heute produziert das Land 463.000 Tonnen Kartoffeln und hat die Ernährungsgewohnheiten umgestellt.

    Die Bauern erhalten die Saatkartoffeln von der Deutschen Welthungerhilfe und müssen ihren Anteil nach der Ernte zurückgeben. Der kommt dann anderen zugute. Das klappt, obwohl die Felder immer wieder von Erdrutschen betroffen sind, eine Folge von Überweidung. Die Entlassung aus der Sowjetunion und der folgende Bürgerkrieg um die Macht im Land haben die Industrie weitgehend zerstört. Die Arbeiter kehrten zurück zur Viehhaltung. Eine der Ursachen für Überweidung und Erosionsschäden. Die NGO ist bemüht etwas zur Ernährungssicherung beizutragen. Außer dem Kartoffel Fonds hat sie ein Demonstrationsfeld angelegt, auf dem sie testet, welche Kartoffeln sich für die Gegend besonders eignen:

    Wir benutzen die lokalen Arten vom Jirgertal: Kardinal, Diamand. Picasso ist eine neue Sorte für mich. Früher hatten wir elf Tonnen, jetzt 16 Tonnen pro Hektar. Wir leben mit zwölf Personen von dem Ertrag.

    Die Kartoffel mit den dunklen Tupfen, Picasso, ist sehr beliebt. Die alten Sorten waren groß, aber geschmacklos, meint Soleli Khuja, die neuen aus Holland sind leckerer. Seine Frau hat schon neue Küchenrezepte kreiert, Kürbis mit Kartoffeln beispielsweise oder Pilaw, das traditionelle Reisgericht mit Fleisch und Gemüse, um Kartoffeln ergänzt. Eine Großfamilie muss satt werden.