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Kartoffeln zu groß für die Verbraucher

Die lang anhaltende Dürre hatte im vergangenen Jahr besonders den Kartoffeln zugesetzt: Die "Erdäpfel" gerieten viel kleiner und auch der Ertrag in Deutschland blieb mit 9,8 Millionen Tonnen hinter den Erwartungen zurück. In diesem Jahr ist alles anders: das wechselhafte Wetter ließ besonders die Kartoffeln hervorragend gedeihen, so sehr, dass die Experten schon wieder besorgt sind über die immense Größe, die eigentlich nur von der Pommes-Frites-Industrie gewünscht wird - damit die Pommes schön lang werden. Schlecht für die Landwirte - gut für die Verbraucher: die Kartoffelpreise befinden sich im Keller. Heute beginnt in Hannover die 53. Internationalen Kartoffel-Herbstbörse.

Von Michael Engel |
    Schon im August hatte der Deutsche Bauernverband auf eine gute Kartoffelernte in diesem Jahr hingewiesen. Jetzt liegt eine erste Schätzung vor, die heute in Hannover bekannt gegeben wurde. Herwig Elgeti - Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Kartoffelhandels:

    Wir haben in diesem Jahr eine gute bis sehr gute Kartoffelernte in Deutschland. Es ist keine überragende, es ist auch keine Rekordernte, aber wir gehen von einer Erntemenge aus, die etwa zwei Millionen Tonnen über der des Vorjahres liegt, und damit so um 12 Millionen Tonnen für Deutschland sein wird. Das ist ziemlich viel, wenn man bedenkt, auf welchen Märkten das alles untergebracht werden muss.

    Denn stattliche Ernten gibt es auch in anderen Staaten der EU, insbesondere in Frankreich und in dem neuen Mitgliedsland Polen. Im vergangenen Jahr konnten die deutschen Landwirte elf Euro für 100 Kilogramm Kartoffeln erzielen. In diesem Jahr müssen die Produzenten herbe Einbußen in Kauf nehmen, wie Joachim Tietjen, Vorsitzender des Verbandes der Kartoffelkaufleute in Niedersachsen ausführt:

    Wir hoffen alle, dass der Landwirt irgendwann mit seiner Ware kostendeckende Preise erlöst. Zur Zeit ist es allerdings so, dass die Preise, die vom Handel geboten werden können, überhaupt nicht kostendeckend sind. Der Landwirt erzielt Preise von drei Euro pro 100 Kilo, die Produktionskosten liegen bei sechs bis sieben Euro. Lagert man die Kartoffeln ein, entstehen weitere Kosten über Schwund, über Qualitätsverluste, letztendlich auch durch die Lagerkosten und den Zinsverlust.

    Viele Landwirte retten sich zur Zeit in die Direktvermarktung, um den ruinösen Preisen der Großhändler und Discounter zu entgehen. Andere lagern ein und warten auf bessere Zeiten. Ob die Rechnung aufgeht, bleibt abzuwarten. Verbraucher indes können sich freuen. Für das ballaststoffreiche und durchweg gesunde Nahrungsmittel muss nicht mehr so tief in die Tasche gegriffen werden:

    Im Mittel der Bundesrepublik Deutschland kann man von einer Preissenkung bei Speisekartoffeln - 2,5 Kilo - von etwa zehn bis 15 Prozent ausgehen. Das sind die aktuellen Ermittlungen. Da schlägt es ja nicht so stark durch wie auf der Erzeugerebene, weil ja viele weitere Kosten, die anfallen, wie das Abpacken, wie das Logistische, die Einzelhandelsaufwendungen selber, die sind ja alle stabil, so dass der Erzeugerpreis da nur bedingt durchschlägt, aber trotzdem ist für den Verbraucher eine solche Preissenkung derzeit zu beobachten.

    Sorgen bereitet den Discountern die immense Größe der diesjährigen Kartoffeln, die zwar gut für die Pommes-Frites-Industrie und Kartoffel-Chip-Hersteller ist, nicht aber den Essgewohnheiten der Verbraucher entspricht:

    Denn im Zweieinhalb-Kilo-Beutel möchte man ja nicht drei Kartoffeln vorfinden. Das ist auch im Haushalt nicht gut zu handeln, sondern eine mittlere Größensortierung hätte man da schon lieber. Und nicht überall, aber bisweilen hat das durchaus auch negative Konsequenzen, was die Ausbeute dieser Ernte betrifft.

    Verbraucher werden sich auf größere Speisekartoffeln einstellen müssen. Während im Süden des Landes eher die mehligen Sorten bevorzugt werden, dominieren im Norden die festkochenden "Salatkartoffeln". Neue Kartoffelsorten, die auf der Kartoffelherbstbörse in Hannover gezeigt werden, bringen Vorteile vor allem für die Produzenten: Die Neuzüchtungen sollen der Krautfäule besser Paroli bieten, resistenter gegenüber Viren sein und - wichtiges Ziel - früher reifen. Hier besteht nach Ansicht von Jörg Eggers von der Europlant Pflanzenzucht GmbH Lüneburg erheblicher Nachholbedarf. Mit Gentechnik - so der Experte - wäre das Ziel schneller erreichbar. Aber:

    Man muss sich im Moment vorstellen, dass doch ein unendlicher Betrag von den Landwirten ausgeben werden muss, Pflanzenbehandlungsmittel zur Bekämpfung der Krautfäule zum Beispiel, das alles könnte man natürlich im Interesse eines verbesserten Umweltschutzes, im Interesse eines verbesserten Verbraucherschutzes sehr positiv einsetzen. Aber: nichts desto trotz - im Moment ist die Verbrauchermeinung nicht dort, wo sie sicherlich in zehn Jahren sein wird, der Verbraucher lehnt die Gentechnik ab, und von daher ist es für uns selbstverständlich, weil wir uns am Verbrauch zu orientieren haben, dass auch wir keine gentechnisch veränderten Sorten in Umlauf bringen können.