Archiv


Kartografie italienischen Wohnzimmer-Raubguts

Gianni Versace machte sich nicht nur als Modemacher einen Namen. Auch unter Italiens Antiquitätenhändlern war er sehr beliebt. Pflegte er doch zeitlebens antike Skulpturen und Vasen am liebsten gleich im Dutzend zu kaufen. Vor allem der alten Griechen und Römer. Bis einer seiner Gäste einem Polizisten von der Kunstsammlung erzählte. Da Versace, wie später bekannt wurde, nicht eines der kostbaren Exponate legal erworben hatte, beschlagnahmte die Polizei die Sammlung. Hatte sich der Sohn einer kalabresischen Schneiderin doch tatsächlich erlaubt, Raubkunst bei zweifelhaften Kunsthändlern zu erwerben. Bei solchen Deals machen sich nicht nur die Verkäufer straffällig, sondern auch die Kunden - haben sie doch die Pflicht, beim Kauf eines Kunstgegenstandes ein offizielles Herkunftszertifikat zu verlangen. Genau das aber scheint Versace nicht getan zu haben. Wie der vor wenigen Jahren ermordete Mode-Designer handeln viele seiner Landsleute. Die Sondereinheit der italienischen Polizei zur Aufdeckung von Kunstraub vermutet, dass in keinem anderen europäischen Land so viele Privathaushalte soviel geraubte Kunst klammheimlich in ihren Wohnzimmern zur Schau stellen. Bei einer so großen Nachfrage kommt der offizielle Markt natürlich nicht nach. Aber zum Glück gibt es da viele unseriöse Händler, die gegen Barzahlung jeden Wunsch erfüllen.

Ein Beitrag von Thomas Migge |
    Gegen diesen illegalen Kunsthandel mit geraubten Objekten will die Regierung von Silvio Berlusconi jetzt gesetzlich vorgehen. Ausgearbeitet wurde ein Dekret von Kulturminister Giuliano Urbani und seinem Justizkollegen Roberto Castelli. Ziel der Aktion ist die "Legalisierung von Raubkunst”. Das soll ganz einfach gehen: wer in seinen vier Wänden Kunstgegenstände besitzt, die illegal erworben wurden, meldet dies dem Kulturministerium in einem formlosen Schreiben. Darin ist der Gegenstand genau anzugeben. Anschließend muss der Bürger eine moderate Geldstrafe entrichten und schon ist auch ganz offiziell Eigentümer seines Kunstwerkes. Auf diese Weise will das Finanzressort zum einen ein wenig Geld in die leeren Kassen spülen - vorsichtigen Hochrechnungen zufolge finden sich in rund 300.000 Haushalten illegal erworbene Kunstobjekte. Zum anderen will das Kulturministerium eine genaue Liste aller Gegenstände in Privathänden erstellen - um auf diese Weise ihren möglichen Verkauf ins Ausland zu verhindern.

    Auf den ersten Blick ist das neue Gesetz gar keine schlechte Idee. Doch die Kritiker des Vorhabens haben sicherlich nicht Unrecht wenn sie von einer "nachträglichen Legalisierung des eigentlich Illegalen” sprechen. Sie werfen dem Kulturminister vor, es gehe es ihm in Wirklichkeit doch nur ums Geld, denn niemand könne heute mehr - in einem Europa ohne kontrollierte Grenzen - den Verkauf privater Kunst ins Ausland noch kontrollieren. Sie werfen ihm auch vor - und auch dies nicht zu Unrecht - dass mit einem solchen Gesetz der Verkauf von geraubten Kunstgütern und auch das Bedürfnis nach solchen Prestigeobjekten immens steigen könnte. Wie im Fall von Bausünden. Überall in Italien sind Dachfenster in historischen Gebäuden strengstens verboten und doch sieht der Italienbesucher überall solche Fenster. Und warum ist das so? Weil für jedes illegal eingebaute Dachfenster eine lächerliche Geldstrafe gezahlt werden muss, und schon ist der Blick in den Himmel legal. Genauso könnte es auch mit dem neuen Gesetz für private Kunstgegenstände kommen. Wer ohnehin schon genügend Geld für den Erwerb zum Beispiel antiker Skulpturen hat, der wird auch noch die restlichen Euro für das Strafgeld aufbringen können. Niemand wird darüber hinaus befürchten müssen, dass die illegal erworbenen Objekte beschlagnahmt werden. Genau das aber, fordern auch die Oppositionsparteien, müsse ein Raubkunst-Gesetz vorsehen. Ohne Beschlagnahme und zusätzliche Bestrafung sei das vom Kultur- und Justizminister beschlossene Gesetz, so ihre Kritik, nur Augenwischerei - zur Freude all jener, denen es vollkommen egal ist, ob das, was ihr Wohnzimmer ziert, aus einem Museum oder sonst woher gestohlen wurde.

    Link: mehr ...

    1327.html