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Kaschmir

Seit Wochen befinden sich die indischen und pakistanischen Streitkräfte in höchster Gefechtsbereitschaft. An der Demarkationslinie, die die von Indien und Pakistan verwalteten Teile Kaschmirs trennt, sowie an der indisch-pakistanischen Staatsgrenze stehen sich gewaltige Truppenkontingente gegenüber. Eingeleitet wurde die erneute Konfrontation Ende vergangenen Jahres mit einem martialischen verbalen Schlagaustausch der Führung beider Länder, der Krieg als letztes Mittel nicht ausschloss. Beide Staaten verfügen über Atomwaffen. Der erklärte Verzicht beider auf einen atomaren Erstschlag schließt allerdings die Bereitschaft zum nuklearen Verteidigungsschlag mit ein. Das Schlüsselwort der in seinen Ausmaßen beispiellosen militärischen Konfrontation heißt Kaschmir. Es erregt die Gemüter auf beiden Seiten.

Friedemann Schlender | 18.01.2002
    Wo liegen die Wurzeln des Konflikts ? Welcher Argumente bedienen sich die streitenden Parteien, um ihre Positionen zu rechtfertigen?

    Welche Auswirkungen haben die Ereignisse des 11. Septembers und die von außen eingeforderte Teilnahme Pakistans am Kampf gegen den Terrorismus auf den Kaschmir-Konflikt?

    Sind aufgrund der neuen geopolitischen Lage in Südasien Ansätze für eine dauerhafte Lösung der Kaschmir-Frage erkennbar? Drehen wir das Rad der Geschichte 55 Jahre zurück.

    Im Juni 1947 verkündete der britische Vizekönig in Indien, Lord Mountbatten, die Modalitäten für die Unabhängigkeit der Kolonie Indien: Am 14. und 15. August desselben Jahres soll die frühere Kolonie als selbständige Gebiete Indien und Pakistan in die Unabhängigkeit entlassen werden. Der Teilungsplan, der auf Drängen der politischen Vertretung der muslimischen Bevölkerung Indiens, der Muslim-Liga, entworfen worden war, fand nach anfänglichem Bedenken auch die Zustimmung der Kongress-Bewegung von Mahatma Gandhi und Nehru.

    Pakistan und Indien wurde der Auftrag für den Entwurf eigener Verfassungen erteilt. Die einzelnen selbständigen Fürstentümer, darunter auch Kaschmir, sollten sich entscheiden, welchem der beiden Gebiete sie beitreten wollen. Während in der von Lord Mountbatten gesetzten Frist von 2 Monaten 564 Fürstentümer ihre Entscheidung trafen, ließ lediglich Maharadscha Hari Singh, der Herrscher von Kaschmir, die Frist verstreichen.

    Hari Singh war der letzte Vertreter einer Herrschaftsdynastie, die auf den Hindu-General Gulab Singh zurückgeht. Ihm hatten die Briten 1846, nachdem sie Kaschmir erobert hatten, das Fürstentum verkauft. Das Kaschmirtal war in seiner wechselvollen Geschichte von Herrschern unterschiedlichster Religionszugehörigkeit regiert worden, von Hindus, Buddhisten, Jainas, Parsen, Sikhs und insgesamt fast 480 Jahre lang von Muslimen.

    Hari Singh hatte gehofft, quasi an der Öffentlichkeit vorbei, seine Selbständigkeit bewahren zu können. Die Führung Indiens und Pakistans hatten gleichermaßen wenig Interesse an einem selbständigen Kaschmir. Für Pakistan galt der Fürsorgeanspruch für die überwiegend muslimische Bevölkerung Kaschmirs als Argument für den gewünschten Anschluss an Pakistan.

    Für Indien waren strategische und sicher auch emotionale Beweggründe ausschlaggebend: Nehru selbst stammte aus Kaschmir.

    Nur zwei Monate nach der Unabhängigkeitserklärung von Indien und Pakistan fand das Versteckspiel von Hari Singh ein jähes Ende. Hunderte von Pathanen drangen aus dem Gebiet Peschawar in Kaschmir ein und brachten Hari Singh in Bedrängnis. Indien nutzt die Chance und setzt ihn unter Druck: Als Gegenleistung für den aus Indien angeforderten militärischen Beistand tritt der Maharadscha ab und unterschreibt die Beitrittserklärung. Lord Mountbatten macht aber die Anerkennung des Anschlusses Kaschmirs an Indien von einer Bedingung abhängig:

    In Anbetracht der mehrheitlich muslimischem Bevölkerung von Kaschmir ist der Wille des Volkes durch einen Volksentscheid zu ermitteln, der durchzuführen ist, nachdem die Invasoren aus dem Land vertrieben sind.

    Unmittelbar nach dem Beitritt Kaschmirs beginnt Indien die Angliederung mit massiver militärischer Präsenz im Kaschmirtal abzusichern. Es setzt ein erbitterter Kampf um Gebietsanteile zwischen Pakistan und Indien ein. Im ersten Kaschmirkrieg 1948 gelingt es Pakistan, rund ein Drittel des kaschmirischen Territoriums zu erobern. Seither wird dieses wirtschaftlich weniger bedeutende Gebiet von den Pakistanern unter den Namen Azad Kaschmir (freies Kaschmir) und Northern Area (Nordgebiet) mit einem Sonderstatus in der föderalen Struktur des Landes verwaltet.

    Das zentrale Kaschmirtal, das Gebiet um die Hauptstadt Srinagar mit weitaus größerer wirtschaftlicher Bedeutung, blieb unter indischer Kontrolle. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung des Kaschmirtals sind Muslime. Von Indien verwaltet wird auch das Gebiet von Jammu mit etwa 60 Prozent Bevölkerungsanteil von Hindus sowie das mehrheitlich von Buddhisten besiedelte Ladakh. Aus indischer Sicht hält China heute einen etwa 38.000 Quadratkilometer großen, weitgehend unbewohnten Teil des Gletschergebiets Siachen besetzt. Auf dem Gebiet Kaschmir, das eine Fläche von etwa 220.000 Quadratkilometern umfasst, leben etwa 13 Millionen Menschen. Etwa 77 Prozent der Bevölkerung aller Teilgebiete Kaschmirs sind Muslime.

    Indien selbst rief während des ersten Kaschmir-Kriegs die Vereinten Nationen an. Die Antwort des UNO-Sicherheitsrates auf Indiens Ersuchen im April 1948 erinnert auch in der Diktion an Lord Mountbattens Vorstellung über die Zukunft Kaschmirs: An Delhi ergeht die Forderung, einen freien Volksentscheid über die Zukunft Kaschmirs abzuhalten. An den Volksentscheid war auch die Bedingung geknüpft, dass Pakistan seine Truppen zurückzieht und Indien seine militärische Präsenz in Kaschmir reduziert. Unter Berufung auf Pakistans Weigerung, seine Truppen zum Rückzug zu veranlassen, brach Indiens Ministerpräsident Nehru nach dem Waffenstillstand von 1949 sein Versprechen, die UNO-Sicherheitsresolution zu erfüllen.

    So verblieben auch Teile der indischen Armee in Kaschmir. Später, im Jahr 1957, wurde das Kaschmirtal als integraler Bestandteil in die Indischen Union eingegliedert. Seither lehnt Delhi jegliche Ansätze zur Internationalisierung des Konflikts und zur Vermittlung ab. Pakistan, das wirtschaftlich schwächere Land, konnte seine völkerrechtlich anfänglich günstigen Verhandlungspositionen nicht behaupten. Vor allem die beiden Kriege von 1965 und 1971, aus denen das Land als Verlierer hervorging, schwächten seine Lage. Schließlich wurde Pakistan im indisch-pakistanischen Abkommen von Simla 1972 gezwungen die indische Lesart der Kaschmirpolitik zu akzeptieren: friedliche Mittel, keine Internationalisierung der Konfliktlösung - der Konflikt ist nur Angelegenheit der beiden Länder.

    Bis in die 80er Jahre wurde im von Indien verwalteten Teil Kaschmirs vor allem dank der flexiblen Administration des Kaschmir-Führers Shaikh Abdullah die Balance zwischen Normalität des Lebens und politischem Widerstand gegen die Weisungen der Zentralmacht in Delhi gewährleistet. Das Kaschmirtal partizipierte am wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt der Indischen Union.

    Ende der achtziger Jahre aber, vor allem nach dem Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan, mehrten sich die Gewaltakte separatistischer Gruppen. Zeitweise nahm die Gewalt die Form eines Guerillakriegs an. Indien vermutete den pakistanischen Geheimdienst ISI hinter den Anschlägen, der bereits die separatistischen Aktionen militanter Sikh-Organisationen der Khalistan-Bewegung im Punjab und die afghanischen Mudschaheddin militärisch und taktisch unterstützt hatte.

    Pakistan wurde verdächtigt, mit der Unterstützung islamistischer Gruppen die Jammu-und-Kaschmir-Befreiungsfront aus der Führung des Widerstands auszuschalten, die weder Pakistan noch Indien als Mutterland favorisiert, sondern ein unabhängiges Kaschmir anstrebt.

    Warum erregt das Wort Kaschmir so heftig die Gemüter auf beiden Seiten? Der indische Journalist Kuldeep Kumar in Delhi beschreibt die indische Volksmeinung:

    Die Kaschmir-Frage ist sehr wichtig für Indien, für die Regierung wie auch für das Volk, denn die Inder haben nie die Zwei-Nationen-Theorie akzeptiert. Die Zwei-Nationen-Theorie besagt, dass Hindus und Muslime zwei getrennte Nationen darstellen und dass sie nicht zusammen leben können. Es ist aber eine Tatsache, dass auch nach der Teilung des Indischen Subkontinents jetzt mehr Muslime in Indien leben als in Pakistan oder Bangladesch. Das Volk kann diesen Grundsatz nicht akzeptieren, dass Kaschmir an Pakistan fallen sollte, nur weil es in Jammu und Kaschmir eine muslimische Mehrheit gibt. Zum anderen hatte der damalige Herrscher von Jammu und Kaschmir den Anschluss des Staates an die Indische Union befürwortet. Das sind die Gedanken des Mannes auf der Strasse: Jammu und Kaschmir gehören zu Indien und es sollte keinem anderen Land zugeordnet werden.

    Als säkularer Staat mit unterschiedlichen geografischen Konzentrationen der verschiedenen Religionen - Hindus, Muslime, Sikhs, Jainas, Christen, Buddhisten und Parsen - käme Indien in der Tat in turbulente Schwierigkeiten, sollte auch in der Indischen Union die Frage der Religionszugehörigkeit zur Grundfrage der föderalen und administrativen Ordnung oder sogar Neuordnung des Landes gemacht werden. Die Aufgabe des bewährten säkularen Prinzips hätte katastrophale Folgen.

    Auch in Pakistan haben sich Gedanken über Kaschmir zu stereotypen Argumenten verfestigt. Imtiaz Gul, pakistanischer Journalist in Islamabad, kennt die Gedanken des Mannes auf der Strasse:

    Kaschmir bleibt nach wie vor von großer Bedeutung für alle Pakistani schon deshalb, weil es als ein Symbol der Ungerechtigkeit gegenüber den kaschmirischen Muslimen angesehen wird - also ein Teil des Subkontinents, der trotz muslimischer Mehrheit an Indien zur Zeit der Teilung des Subkontinents angeschlossen wurde. Andererseits stellt Kaschmir für das Militär und die Entscheidungsträger Pakistans ein strategisches Interesse dar, und es wird daher als sehr, sehr wichtig betrachtet.

    Neben der strategischen Bedeutung Kaschmirs für das im direkten Vergleich mit Indien militärisch schwächere Pakistan geht es für das Militär auch um Grundfragen seiner Existenzberechtigung. Vor allem aus dem Selbstverständnis der Islamischen Republik Pakistan als Gegenpol zum konträren Staatskonzept Indiens leitet die Armee Pakistans ihre Sondervollmachten und ihre überdimensionale Präsenz in Staat und Gesellschaft ab. Ohne den Kaschmirkonflikt käme die Generalität in Erklärungsnotstand in Bezug auf die aufgeblähte Militärmaschinerie.

    Die Staatsgründer verstanden Pakistan als Heimat der Muslime des Indischen Subkontinents: "pak" bedeutet "rein, klar". "stan" steht für "Ort, Gebiet" - also im übertragenen Sinne: Land der Muslime. Ein Anschluss Kaschmirs an Pakistan wäre nach pakistanischem Verständnis die Vollendung der Idee der Staatsgründer und eine geopolitische Bestätigung der Legitimation des Staates. Indien lehnte dieses Staatsverständnis von Anfang ab und verweist auf die Tatsache, dass mindestens ebenso viele Muslime in Indien wie in Pakistan leben und in das gesellschaftliche und politische Leben des Landes integriert sind.

    Nach dem 11. September und dem von Washington angemahnten Eintritt Pakistans in die weltweite Anti-Terrorismus-Front erwartete Indien Signale aus Islamabad zur Eindämmung der grenzüberschreitenden Aktionen terroristischer Gruppen im Kaschmirtal. Das Selbstmordattentat auf des Herz der indischen Demokratie, das Parlament in Delhi, am 13. Dezember, für die Delhi die Terrororganisationen Lashkar-i-Taiba (Armee der Frommen) und Jaish-e-Mohammed (Armee Mohammeds) verantwortlich macht und die ihre Hauptquartiere in Pakistan haben sollen, machte alle Hoffnungen zunichte. Indiens Auenminister Jaswant Singh richtete am 3. Januar die Forderung zum wiederholten Mal an Pakistan:

    Wir erwarten mit Sicherheit Aktionen von Pakistan auf der Grundlage der Liste der Namen der überführten Terroristen, der überführten Kriminellen, der Rauschgifthändler. Es ist das gesamte Repertoire der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die man sich nur vorstellen kann, die die zwanzig verübt haben. Warum sollten sie Zuflucht in Pakistan finden und warum sollte man daran interessiert sein, ihnen Zuflucht zu gewähren?

    Mit Misstrauen über die Annäherung Pakistans an die USA und mit Unbehagen über die damit verbundene internationale Aufwertung Pakistans drängt Indien unerbittlich die beiden Staaten, den Kampf gegen den Terrorismus nicht auf das El-Kaida-Netzwerk zu beschränken. Pakistan müsse energische Schritte gegen die von Pakistan aus operierenden Terrororganisationen unternehmen.

    Wie stark ist eigentlich angesichts solcher massiven indischen Forderungen der Rückhalt des pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf im Volk? Dazu der pakistanische Journalist Imtiaz Gul,:

    Der einzige größere Rückhalt für General Musharraf ist die Unterstützung von Amerika wie auch Großbritannien. Beide wollen ein Ende des Kaschmirkonflikts und auch ein Ende der islamistischen Kräfte, die die Unabhängigkeit von Kaschmir anstreben. Alles was General Musharraf bisher gegen diese Gruppen unternommen hat, ist tatsächlich unter dem Druck der Briten und Amerikaner erfolgt. Trotz seiner Vorbehalte gegen die indischen Taktiken wird der Präsident in Kürze noch mehr tun müssen, und das wird wahrscheinlich nicht ohne Konsequenzen bleiben. Pakistan steht vermutlich in den kommenden Monaten vor erheblichen Turbulenzen an der außenpolitischen Front. Das wird hier befürchtet.

    Indien macht Druck. Sollte Indien den Bogen überspannen und Pakistan so in die Ecke treiben wollen, könnte da nicht der Verlust des Selbstwertgefühls die gegenwärtige Führung destabilisieren? Besteht diese Gefahr? Kuldeep Kumar, Journalist in Delhi:

    Ja, das ist richtig. Die Gefahr besteht. Aber die indische Regierung fordert von Pakistan, die Unterstützung, Finanzierung und Bewaffnung all jener einzustellen, die nach Jammu und Kaschmir oder in andere Gebiete Indiens kommen, um ihren Terroraktionen nachzugehen. Bisher behauptete die pakistanische Regierung, dass sie lediglich moralische, politische und diplomatische Unterstützung leiste. Pakistan hat niemals zugegeben, dass es die militanten Kräfte auch finanziert und sie mit Waffen ausrüstet. Die indische Regierung fordert eigentlich nur, dass sich Pakistan an seine offizielle Position hält, dass es nicht diese Gruppen mit Geld und Waffen versorgt.

    Präsident Musharraf wurde im Laufe der vergangenen Wochen zu empfindlichen Zugeständnissen gezwungen. Er ließ die Führer zweier extremistischer Organisationen und rund 1000 ihrer Anhänger verhaften. Der etablierte Begriff "Freiheitskämpfer", bislang tolerierendes Synonym für die militanten Kaschmir-Krieger, scheint nun aus dem offiziellen Vokabular gestrichen zu sein.

    Indien hielt natürlich den Zeitpunkt von Pakistans Eintritt in die Anti-Terrorismus-Front für geeignet, von Pakistan konkrete Maßnahmen gegen die grenzüberschreitenden Gewaltaktionen in Kaschmir zu fordern. Aber auch Indien wird von alten, starren Denkmustern Abschied nehmen müssen. Die ständige Anwesenheit der geballten Kraft von 700.000 indischen Sicherheitskräften im von Indien verwalteten Jammu und Kaschmir ist nach Meinung von Beobachtern des Konflikts nicht allein mit der Aufgabe zu begründen, an der 750 Kilometer langen Grenzlinie mit dem von Pakistan verwalteten Teilgebiet Kaschmirs terroristische Übergriffe zu verhindern. Die indischen Soldaten und paramilitärischen Einheiten gehen mit äußerster Härte vor allem gegen oppositionelle Kräfte vor, die schon beim geringsten Verdacht der Zusammenarbeit mit den militanten Separatisten schweren Schikanen ausgesetzt sind.

    Das jetzt unter dem Eindruck verstärkter extremistischer Anschläge in Kaschmir, für die Indien von Pakistan aus operierende Gruppen verantwortlich macht, eingeführte Gesetz der Verhinderung des Terrorismus "Prevention of Terrorism Ordinance", gibt Anlass zu Besorgnis. Die neue Notstandsverordnung ermächtigt die Sicherheitsbehörden, Personen bis zu 30 Tagen zu inhaftieren und zu verhören, ohne gegen sie ein Strafverfahren zu eröffnen. Die breit ausgelegte Definition, wer als Terrorist zu identifizieren sei - nämlich all jene, "die Indiens Einheit bedrohen" - gleicht einem Freibrief für Willküraktionen.

    Auch in Delhi muss jetzt darüber nachgedacht werden, warum viele Kaschmiris trotz aller ökonomischen und sozialen Fortschritte, die sie der Anbindung an die Indische Union verdanken, eine mit wirtschaftlicher Ungewissheit und vielen Fragezeichen verbundene Autonomie ihres Gebiets dem jetzigen Status in der Indischen Union vorziehen. Gibt es auch auf der indischen Seite neue Sichtweisen? Kuldeep Kumar in Delhi:

    Ich glaube, beide Seiten müssen zu Einsichten gelangen: Die indische Seite muss verstehen, dass sie nicht mit Gewalt Jammu und Kaschmir behalten kann, und die pakistanische Seite sollte einsehen, dass sie nicht mit Gewalt Jammu und Kaschmir Indien wegnehmen kann. Dieses Problem muss friedlich, mit friedlichen Mitteln, gelöst werden. Eine der Überlegungen, die jetzt in der Tat angestellt werden - auch der Chefminister von Jammu und Kaschmir, Dr. Farooq Abdullah, hat sich für diese Idee ausgesprochen - ist, dass die 'Line of Control', die Grenzlinie zwischen den beiden Teilen Kaschmirs, als internationale Grenze zwischen Indien und Pakistan anerkannt wird. Das bedeutet, dass das jetzt zu Pakistan gehörende Gebiet bei Pakistan bleibt und das jetzt zu Indien gehörende Gebiet bei Indien bleibt. Das kann eine mögliche Lösung des Problems sein.