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Kashif Kazmi aus Pakistan
"Für mich ist das ein Vergnügen, etwas lernen zu dürfen"

Seit zwei Monaten lebt der Pakistani Kashif Kazmi in Berlin. Nachdem sein Plan, an einer regulären Uni studieren zu können, scheiterte, kann er nun ein Ingenieurstudium an der neuen Kiron-Universität aufnehmen - eine Bildungsmaßnahme speziell für Flüchtlinge. Später kann er sogar an eine staatliche Hochschule wechseln.

Von Susanne Arlt |
    Kashif Kazmi aus Pakistan
    "Es fühlt sich an wie ein neuer Start in ein neues Leben", sagt Kashif Kazmi über seine bisherige Zeit in Berlin. (Foto: Deutschlandfunk / Susanne Arlt)
    Das komplette Interview mit Kashif Kazmi zum Nachhören
    Kashif Kazmi klappt seinen Laptop hoch, tippt eine Internetadresse ein und danach ein Passwort – und strahlt dann übers ganze Gesicht.
    "Welcome Kiron-Student", begrüßt ihn die Seite der Kiron-Universität im Netz. Seit gestern ist die Plattform online. 1.000 Migranten konnten sich für den Pilotjahrgang anmelden. Der 21-jährige Pakistani Kashif Kazmi ist einer von ihnen.
    "Es fühlt sich wie ein neuer Start in ein neues Leben an. Jetzt kann ich etwas lernen, was mir Spaß macht. Für mich ist das ein Vergnügen, etwas lernen zu dürfen. Ich will nicht den ganzen Tag herumsitzen, nichts machen, keinen Plan für mein Leben haben. Jetzt kann ich mich mit meinen intellektuellen Stärken beschäftigen, sie ausbauen. Ich kann mein Glück kaum ausdrücken, ich bin wirklich sehr froh."
    Seit zwei Monaten lebt er in Berlin, hat in Deutschland um politisches Asyl gebeten. In Pakistan herrscht zwar kein Bürgerkrieg so wie in Syrien. Aber sein Heimatort Parachinar liegt direkt an der Grenze zu Afghanistan. Die Taliban regieren dort quasi mit und wer ihnen nicht folgt, der muss um sein Leben fürchten. Kashif Kazmi ist es nicht leicht gefallen, seine Eltern und seine fünf Schwestern zu verlassen.
    "Aber all das Chaos in meinem Land und die politische Krise haben mich letztendlich dazu gebracht, meiner Heimat den Rücken zuzukehren. Bei den Taliban gibt es eine brutale Regel. Sie wollen nicht, dass wir zur Schule gehen, geschweige denn dass wir studieren. Sie wollen einfach nicht, dass wir uns weiterbilden. Das einzige, was sie wollen ist, dass wir weiter im Chaos leben. Aber wir möchten in Frieden leben, wir wollen Bildung und wir wollen auch Wohlstand, damit es den ganzen Menschen dort eines Tages besser geht."
    Onlinekurse von Harvard, Stanford oder Yale
    Doch einem erwachsenen Flüchtling wird der Wunsch nach Bildung auch in Deutschland nicht so schnell erfüllt. Wer sich an einer Hochschule einschreiben will, der hat es schwer. Syrer erhalten in der Regel nach wenigen Wochen Asyl. Für ägyptische oder pakistanische Migranten dauert das Verfahren dagegen oft Jahre. Da sie in dieser Zeit nur eine Aufenthaltsgestattung haben, dürfen sie kein BAföG beantragen. Wer sich trotzdem immatrikuliert, der fällt automatisch aus dem Asylbewerberleistungsgesetz heraus, heißt es.
    "Ich habe versucht, an einer regulären Uni zu studieren, ein Studentenvisum zu bekommen, aber sie haben mir gleich gesagt, dass ich mir das als Flüchtling gar nicht leisten kann. Als ich dann von der Kiron-Universität gehört habe und mir klar wurde, dass ich dort quasi umsonst studieren kann, da war das für mich wirklich wie ein Start in ein neues Leben. Und die Kiron-Universität gibt mir die Plattform dafür."
    Der 21-jährige hat sich für ein dreijähriges Ingenieurstudium entschieden. Die überwiegend englischsprachigen Onlinekurse stammen unter anderem von Universitäten wie Harvard, Stanford oder Yale. Im ersten Studienjahr absolviert er ein Grundstudium, vertieft sein Wissen in Mathematik, Physik, Elektronik. Im zweiten Jahr belegt er dann Kurse im Ingenieurwesen und im dritten wechselt er an eine staatlich anerkannte Partneruniversität. Dazu gehören unter anderem die RWTH Aachen, die Leuphana Lüneburg und die FH Eberswalde. Obwohl Kashif Kazmi erst seit zwei Monaten in Berlin lebt, fühle er sich schon heimisch, sagt der 21-Jährige. Deutschland habe ihm eine Perspektive geben und dafür sei er unendlich dankbar.
    "Wenn du in Sicherheit lebst, wenn du keine Angst mehr hast, dein Haus zu verlassen und auf die Straße zu gehen, wenn du dir keine Sorgen mehr um dein Leben machen musst, sondern dich einfach nur auf dein Leben konzentrieren kannst, dann fühlst du dich auch zu Hause."
    Zusätzliches Interview mit Kashif Kazmi:
    Susanne Arlt: Warum sind Sie nach Deutschland gekommen?
    Kashif Kazmi: Das war mein Schicksal. Um dieses Ziel zu erreichen, musste ich durch neun Länder fliehen. Meine Flucht begann in Pakistan und endete in Deutschland. Ich hatte gehofft, dass es für mich hier sicher ist, dass ich nicht jeden Tag um mein Leben bangen muss wie in Pakistan. Und dieses sichere Leben, das habe ich ja jetzt auch. Das ist das erste Mal nach ich weiß nicht wie vielen Jahren. Und verglichen mit all den anderen europäischen Ländern habe ich den Eindruck, dass im Moment nur Deutschland den Flüchtlingen solch eine sichere Heimat bietet. Ich kann hier um politisches Asyl bitten, die Bundesregierung ermöglicht mir das. Und auch die Menschen scheint es zu interessieren, wie es den Flüchtlingen hier geht. Man hat nicht das Gefühl, fremd zu sein, wie das einem oft in anderen Ländern passiert. Man gibt uns hier Zuflucht und all die grundlegenden Rechte, die wir verdienen.
    Arlt: Und wie hat es sich angefühlt, wie war das Ankommen?
    Kazmi: Es ist ja ganz normal, wenn du in ein fremdes Land kommst, dass das erst einmal stressig ist. Also am Anfang war es schon ganz schön hart für mich, aber ich habe versucht, das Beste draus zu machen. Jetzt, nach zwei Monaten, ist es schon viel besser, ich habe neue Freunde gefunden, mit denen ich mich treffe. Ich bin nicht mehr so viel allein. Ich genieße es jetzt, hier zu sein. Und ich bemühe mich natürlich auch, mich den deutschen Gepflogenheiten anzupassen. Die Gesetze hier, die Kultur, die Erziehung, wie man hier in sozialen Fragen miteinander umgeht, natürlich das Essen, ja das war nicht immer leicht.
    Arlt: Und was ist anders, als Sie es eigentlich erwartet haben?
    Kazmi: Ich habe anfangs wirklich gedacht, dass die Menschen uns hier wie Fremde behandeln, dass sie uns nicht willkommen heißen, dass es keine Gastfreundschaft gibt. Aber ich muss sagen, und das meine ich jetzt ganz ehrlich, denn man hört im Moment ja auch recht beunruhigende Dinge aus Deutschland, dass ich mich hier sicher und geborgen fühle. Mir gegenüber haben sich die Menschen immer sehr hilfsbereit gezeigt, ich hatte viele gute Gespräche, sie haben mir Hoffnung gegeben. Und was mich wirklich beeindruckt hat, die Menschen hier packen Sachen einfach an. Sie machen das ganz freiwillig, sie wollen ihre Zeit nicht verplempern, sondern etwas erreichen. Und das finde ich gut, denn "Leben" bedeutet doch auch etwas Gutes zu tun, und nicht nur einfach rumzusitzen und rum zu sinnieren. Aber ich wusste vorher ja auch nicht viel von den Deutschen.
    Arlt: Und wie stellen Sie sich denn Ihre Zukunft vor?
    Kazmi: Also zuerst werde ich versuchen, mich den deutschen Gepflogenheiten hier anzupassen. Ich habe ja jetzt die Chance, an der Kiron-Uni zu studieren, mich weiterzubilden und möchte später dann mein Ingenieur-Studium an einer regulären Hochschule abschließen. Und wenn ich meinen Abschluss habe, dann möchte ich der Gesellschaft, die mich jetzt hier aufgenommen hat, gerne etwas zurückgeben. Ich glaube an die Menschlichkeit, an die Nächstenliebe. Und natürlich hoffe ich, dass ich in Deutschland bleiben darf, aber da bin ich sehr optimistisch.