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Kaspars rätselhafte Herkunft

Als Kaspar Hauser 1828 in Nürnberg auftauchte, vermuteten nicht wenige in ihm den legitimen Thronfolger des badischen Großherzogtums. Am 30. April 1812 wurde er geboren.

Von Christian Linder | 30.04.2012
    Seit am 26. Mai 1828 in Nürnberg ein verwahrloster junger Mann auftauchte, der wie ein Betrunkener über seine Füße stolperte, nur stammeln und, wenn man ihn ansprach, nichts verstehen konnte, gab dieser Junge, der immerhin seinen Namen wusste, seiner Zeit das größte Rätsel auf – und gelöst ist es bis heute nicht. Das Geheimnis um seine Person lebt weiter, aufgeschrieben in mehr als 3000 Büchern, circa 20.000 Zeitungsartikeln, in Theaterstücken und Verfilmungen.

    "Das ist mein Name. Kaspar. Kaspar Hauser. Das bin ich. Ich."

    Aber wer er wirklich war, das konnte er gerade nicht sagen. Die beiden einzigen Mitteilungen, die er bei Ankunft in Nürnberg von sich geben konnte: Dass er 16 Jahre alt sei und die Zeit in einem Keller verbracht habe, bei Wasser und Brot:

    "Ein Gefängnis. Da war Stroh darin. Solange ich eingesperrt war und keinen Menschen niemals gesehen habe."

    Eine medizinisch-psychologische Untersuchung kam zu dem Schluss:

    "Kaspar ist weder verrückt, noch blödsinnig."

    Kurz darauf tauchte ein Gerücht auf, das bis heute nicht verstummt ist: Kaspar Hauser sei in Wirklichkeit der am 30. April 1812 geborene Sohn des badischen Großherzogs Karl und seiner Ehefrau Stéphanie, der, aus Ränkespielen um die Thronfolge, im Bett mit dem sterbenden Kind einer Hausangestellten vertauscht und amtlich beerdigt worden sei. Tatsächlich aber sei er in fremde Obhut gegeben worden und als Kaspar Hauser in einem Kellerverlies aufgewachsen. Für diese Annahme sprach, dass Kaspar Hauser als Kind geimpft worden war – das war damals nur in adlig-vornehmen Kreisen üblich. Hauser sonnte sich in der öffentlichen Aufmerksamkeit, man bestaunte ihn, sodass auch der Verdacht aufkam, er inszeniere nur ein hochstaplerisches Spiel, weil er die Aufmerksamkeit brauche. Aber da waren gleichwohl die Fakten seiner Kellervergangenheit. Und die beleuchtete der Ansbacher Gerichtsrat Anselm Ritter von Feuerbach, der sich des Jungen angenommen hatte, in einem Buch mit dem Untertitel: "Beispiel eines Verbrechens am Seelenleben des Menschen":

    "Sein ganzes Wesen und Benehmen zeigte an ihm ein kaum zwei- bis dreijähriges Kind in einem Jünglingskörper."

    Feuerbach reichte den jungen Kaspar Hauser weiter in die Obhut des Professors Georg Friedrich Daumer. Und der war überrascht, wie aus dem scheuen Kaspar Hauser ein neugieriger junger Mann wurde, dessen Staunen über sich und seine Umgebung täglich wuchs:

    "Da ging ihm auf einmal ein Licht auf, er sagte: Ja, freilich, denn er wäre ja selbst der Kaspar. Und er sähe jetzt, wie einfältig er gewesen sei. Ich fragte ihn, ob er denn geglaubt habe, der Kaspar sei ein anderer als er selbst. Er antwortete, er habe gemeint, der Kaspar sei oder stecke in ihm drin. Und ich möchte das nur niemandem erzählen, damit er nicht ausgelacht würde."

    Zwei Attentate auf Kaspar Hauser verstärkten das Gerücht um seine adlige Herkunft: Das erste Attentat im Oktober 1829 überlebte er, nach dem zweiten am 14. Dezember 1833 im Hofgarten von Ansbach starb er an den Folgen eines Dolchstoßes in die Brust. Der Täter wurde nie ermittelt. Das amtliche Protokoll meldete:

    "Um 3/4 auf 10 (abends) schwand das Bewusstsein, er antwortete auf keine Frage mehr. Um 10 Uhr starb er ohne harten Todeskampf oder Verzerrungen der Gesichtszüge."

    Eine vor einigen Jahren durchgeführte vergleichende Untersuchung des Bluts auf einer Hose Kaspar Hausers mit dem Blut von Nachkommen des badischen Herzoghauses ergab, dass er wohl nicht der Sohn des badischen Großherzogs und somit auch nicht legitimer Thronfolger war – wobei aber Zweifel auftauchten, ob es sich wirklich um Hausers Hose handelte. Eine andere DNA-Untersuchung auf der Basis von Schweiß-Überresten im Hut Hausers, der sich im Ansbacher Museum befindet, verglichen ebenfalls mit dem Code einer Nachfahrin des badischen Herzoghauses, ließ den Leiter des Münsteraner Instituts für Rechtsmedizin, Bernd Brinkmann, zu einem anderen Ergebnis kommen:

    "Wenn man den DNA-Code von Frau Medinger vergleicht mit dem Kaspar Hauser zugeordneten Code, dann finden wir in allen wesentlichen Positionen Übereinstimmungen, bis auf eine einzige Position."

    Diese einzige Ausnahme lässt Kaspar Hausers Herkunft natürlich weiterhin in der Schwebe, sodass nach wie vor die Inschrift auf dem Grabstein in Ansbach gilt:

    "Hier ruht Kaspar Hauser – Rätsel seiner Zeit, unbekannt die Herkunft, mysteriös der Tod."