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Kate Beaton
Clevere Comics zwischen Fiktion und Geschichte

In den Comics der Kanadierin Kate Beaton treffen Figuren aus Popkultur und Geschichte aufeinander. Der Kontext ist mal historisch, mal fiktiv, reflektiert aber immer unsere Gegenwart. Bekannt wurden ihre Zeichnungen, weil sie diese im Internet veröffentlichte. Nun erscheint ihr Band "Obacht! Lumpenpack" erstmals in deutscher Sprache.

Von Kai Löffler |
    Aufgenommen am 21.07.2013 in Münster-Altheim.
    Bleistifte (picture alliance / dpa / Susannah V. Vergau)
    Seit Ende des 19. Jahrhunderts bekommen Zeitungsleser, gerade in englischsprachigen Ländern, neben ihren Nachrichten auch immer ihre tägliche Dosis Cartoons. Die drehen sich meistens um eine lustige Figur wie Yellow Kid, Popeye oder Garfield.
    "Das macht doch niemand mehr, das ist zusammen mit den Zeitungen untergegangen."
    Die Comicsstrips der Kanadierin Kate Beaton stützen sich weder auf eine eine lustige Figur noch erscheinen sie in der Zeitung; trotzdem hat sich ihre Serie "Hark! A Vagrant" in den letzten zehn Jahren zu einem der erfolgreichsten Comics entwickelt - im Internet. Ihre Figuren stammen aus der Popkultur und vor allem aus der Geschichte, dem Studienfach der jungen Autorin:
    "Ich hatte mich auf einen Job im Museum eingestellt, darauf dass ich auf nimmerwiedersehen hinter einem Berg von Archivmaterial verschwinde."
    Oft sprechen die Comics anhand literarischer oder historischer Beispiele Missstände an wie Gender-Klischees oder Rassismus - wie im Fall der zwei Menschen die angeblich als erste den Nordpol erreichten. Einer, Robert Edwin Peary, wurde berühmt, der andere, Matthew Henson, war schwarz.
    "Die Vergangenheit ist ein guter Filter für die Gegenwart; in vieler Hinsicht ändern die Menschen sich nie. Das ist interessant, lustig und traurig."
    An der Uni, sagt Beaton, war sie eher für die Humor-Kolumne in der Uni-Zeitung bekannt. Nach und nach hat sie sich aber auf Comics verlegt - nicht zuletzt weil sie genauso gerne zeichnet wie schreibt.
    "Nach der Uni gab es keine Uni-Zeitung mehr. Also hab ich die Comics natürlich ins Web gestellt, damit die Leute sie weiter lesen konnten. Eigentlich war das erst mal nur für meine Freunde gedacht, das hat mir gereicht. Ich wollte einfach, dass sich jemand meine Sachen anguckt. Ich wollte ein Klugscheißer sein und die Leute mit etwas Cleverem zum Lachen bringen."
    Figuren aus Popkultur und Geschichte
    Bei Beaton treffen Figuren aus Popkultur und Geschichte aufeinander, manchmal sogar im selben Strip. Der Kontext ist mal historisch, und mal fiktiv, reflektiert aber immer unsere Gegenwart. Die charmant krakeligen Cartoons drehen sich um Batman, um Charles Dickens oder um Moses, den das Volk Israel einfach nicht mehr ernst nehmen kann, seit er Socken in Sandalen trägt. Oft aber stehen auch weniger bekannte Figuren oder Ereignisse im Mittelpunkt. Zugang findet man trotzdem leicht, da Beaton die Comics ausführlich kommentiert. Aber:
    "Ich glaube, dass die Leute online oft die Anmerkungen überspringen. Ich schreibe immer was dazu, besonders wenn es um ein obskures Thema geht. Bücher liest man meistens von Anfang bis Ende, aber online scrollen die Leute einfach von Bild zu Bild."
    Ihre Strips sind, wie "Star Trek"- oder Superhelden-Filme, fester Teil der Geek-Kultur. Deren Publikum - so zumindest das Klischee - sind vor allem pickelige Teenager, die am PC im Keller ihrer Eltern sitzen. Die Realität sieht allerdings längst anders aus; ob "Game of Thrones", "World of Warcraft" oder eben abseitige Comics: Geek-Kultur ist heute Mainstream.
    "Und dadurch kommt es dann auch zu Streitigkeiten. Ein paar Leuten gefällt nicht, dass ihr Hobby zum Mainstream wird. Damit öffnen sich die Türen für ein größeres und facettenreicheres Publikum - und das ist natürlich toll."
    Erstmals in deutscher Sprache
    Der Band "Obacht! Lumpenpack" sammelt ihre cleveren historischen Vignetten erstmals in deutscher Sprache. Die Auswahl ist gelungen und zeigt sowohl den subversiven Humor als auch den eigenwilligen, oft bewusst dilletantischen Zeichenstil ihrer Webcomics; nur ist ihr Stil so eigen, dass eine Übersetzung ihr kaum gerecht werden kann. Deshalb geht auch in der deutschen Ausgabe einiges verloren. Die eigentliche Heimat von "Hark! A Vagrant" bleibt das Internet. Hier erreicht die Kanadierin ein weltweites Publikum und muss sich, anders als ihre Kollegen, die für Zeitung zeichnen, keine Sorgen um die Zukunft machen. Durch den Erfolg von "Hark! A Vagrant" kam irgendwann trotzdem eine Anfrage eines Zeitungsverlages:
    "'Möchtest du einen Comic-Strip entwickeln?' Und ich habe gesagt: Nein, das lohnt sich einfach nicht mehr. Die Leute lesen nicht nur die Nachrichten im Internet, sondern auch ihre Comics. Und die sind viel kreativer als früher in der Zeitung; sie kopieren nicht einfach nur alte Genres, sondern erfinden ständig neue."