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Katerstimmung bei Microsoft

In der Münchner Deutschlandzentrale von Microsoft findet derzeit ein Stabwechsel statt. Denn Jürgen Gallmann, bisheriger Statthalter von Bill Gates in Deutschland, verlässt das Unternehmen. Offenbar dringt Redmond auf einen härteren Kurs im größten Markt Europas.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Peter Welchering |
    Manfred Kloiber: Mit sofortiger Wirkung hat Klaus Holse Andersen, der Chef von Microsoft Dänemark, die Aufgaben von Jürgen Gallmann übernommen. Und in dieser Woche hat Jean-Philippe Courtois, der Präsident von Microsoft International, einen Krisenstab wegen der Vorkommnisse in München einberufen. Was ist denn mit Microsoft Deutschland los, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Nun, die Microsofties in Deutschland werden von Microsoft-Chef Steve Ballmer zur Ordnung gerufen und an die kurze Leine genommen. Ballmer ist mit den Entwicklungen in Europa und insbesondere in Deutschland hochgradig unzufrieden. Die Auseinandersetzungen mit der Europäischen Kommission, die kartellrechtlichen Auseinandersetzungen um Windows Vista, die nerven Steve Ballmer. Und er hat ja vor einem Jahr bereits eine deutliche Warnung in Richtung München ausgesprochen, Microsoft Deutschland solle den Schmusekurs mit der Open Source Bewegung lassen. Und Steve Ballmer hat durchaus auch seine Sorge zum Ausdruck gebracht, dass die deutsche Geschäftsführung von Microsoft sich zu sehr von den Datenschützern und von Anwendergruppen hineinreden lasse. Jüngstes Beispiel: Die Diskussion um die Kontroll- und Überwachungssoftware bei Windows Vista. Steve Ballmer hat sich über die Kritik, die es am Vista-Sicherheitskonzept mit der Totalüberwachung des Anwenders gab und gibt, nur noch gewundert und beim Deutschland-Geschäftsführer Gallmann mehrfach angefragt, ob er das bitte schön nicht abstellen könne. In den USA habe man das doch auch in den Griff bekommen. Jürgen Gallmann sah sich da notgedrungen eher als Moderator, der die Vorstellungen seiner amerikanischen Vorgesetzten abschwächte und auf freundliche Art übersetzte, was das digitale Rechtemanagement angeht, was das Ausnutzen von marktbeherrschender Stellung angeht und natürlich auch, was die Kontrolle der Windows-Anwender angeht. Steve Ballmer dagegen wollte in völliger Unkenntnis des deutschen Marktes Revolver rauchen sehen. Seine Forderung Gallmann sollte die Position von Microsoft knallhart durchsetzen. Doch bei Jürgen Gallmann rauchten dann keine Revolver, vielmehr sagt der solche Dinge:

    "Wir haben an einigen Stellen auch von der Open Source Bewegung gelernt. Wir haben mittlerweile ein Programm, wo wir unseren Source Code für das Betriebssystem genauso offen legen, wie es heute im Open-Source-Bereich üblich ist. Und ich glaube, das ist eine positive Entwicklung, die für unsere Kunden insgesamt von Interesse ist, wo wir von Open Source profitiert haben, gelernt haben, muss man sagen."

    Welchering: Und so etwas kann natürlich ein Steve Ballmer auf Dauer nicht hinnehmen. Da gab es massiven Druck auf Gallmann. Dem wollte Gallmann aber nicht mehr standhalten und hat dann eben gesagt: "Gut, ich gehe."

    Kloiber: Vorgestern hat Microsoft den Umbau der Betriebssystemsparte bekannt gegeben. War das ein bloßer zeitlicher Zufall, oder gibt es da einen Zusammenhang mit den Ereignissen in München?

    Welchering: Es gibt da einen ganz klaren Zusammenhang, und der heißt: Durchgreifen und die eigene Position machtvoll durchsetzen. Steve Ballmer will die Marktstärke von Microsoft voll ausspielen. Er will sich nicht ständig mit Kritik an Microsofts Verhalten im Umgang mit Konkurrenten auseinandersetzen. Ballmer will nicht ständig mit Bürgerrechtsinitiativen diskutieren müssen, die den Datenschutz gefährdet sehen. Und Ballmer will nicht mehr auf die Open-Source-Bewegung so massiv zugehen, wie beispielsweise Brian Valentine das getan hat. Der war ja Chef der Windows Betriebssystem-Abteilung. Und Valentine hat Microsoft nach einem massiven Krach mit Steve Ballmer über die Betriebssystempolitik vor wenigen Wochen verlassen. Jetzt leitet Ben Fathi die Windows Betriebssystem-Abteilung, genau genommen seit Freitag tut er das. Und Ben Fathi gilt als Hardliner. Windows Vista durchsetzen, eine knallharte Vertragspolitik fahren und den Markt beherrschen. Das sind die Vorgaben aus Redmond. Auch nach Deutschland. Und Jürgen Gallmann hat einfach gesehen, wenn diese Vorgaben gnadenlos exekutiert werden, umgesetzt werden, dann wird Microsoft Deutschland massive Probleme bekommen. Deshalb ist er gegangen.

    Kloiber: Wie wird sich denn der neue harte Kurs von Steve Ballmer in Europa auswirken?

    Welchering: Beispielsweise indem ab Januar 2007 Windows Vista ausgeliefert wird. Die EU-Kommission hat da ja kartellrechtliche Bedenken. Und auch gestern, als Microsofts Chefjustiziar Brad Smith, sagte, man könne auf diese Brüsseler Bedenken keine Rücksicht mehr nehmen und werde jetzt ausliefern, hat ja die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes noch einmal betont, dass die EU-Behörden, die Vorwürfe, Microsoft verhindere den Einsatz von Sicherheitssoftware der Konkurrenz bei Vista, intensiv untersuchen würden. Das wird also sehr spannend werden. Wenn im Microsoft-Konzern niemand Steve Ballmer zur Räson bringt, dann wird der neue knallharte Kurs von Steve Ballmer in Europa und in Deutschland noch für jede Menge Aufregung in der Politik sorgen. Und ob das unbedingt den Geschäften Microsoft gut tut im alten Europa, das bezweifeln viele Marktbeobachter.