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Katholische Kirche
Im Clinch mit den Wächtern

Franziskus betont zwar das Gewissen des Einzelnen, das heißt aber noch lange nicht, dass jeder Katholik glauben und lehren kann, was ihm das Gewissen sagt. Noch immer geht die Glaubenskongregation gegen Theologen und Priester vor, die zum Beispiel die Frauenweihe befürworten. Eine Gruppe von Geistlichen kritisiert den Chef der Kongregation in einem öffentlichen Appel scharf.

Von Thomas Migge | 24.05.2016
    Gerhard Ludwig Kardinal Müler in Rom
    Gerhard Ludwig Kardinal Müler in Rom (imago / Ulmer / Lingria)
    "Kann die Kirche überleben? Ich sage ja, und ich sage Ihnen auch warum: Sie hat eine wunderbare Botschaft für die Welt. Diese Botschaft kann aber nur mit Hilfe einer Institution verbreitet werden. Das ist klar, auch wenn ich mit dieser Institution im Clinch liege", sagt Tony Flannery. Er ist katholischer Priester. Wie hier vor kurzem vor dem Trinity-College im irischen Dublin, spricht er immer wieder von seiner Hoffnung, dass seine Kirche sich radikal ändern werde.
    2012 wurde der Ire suspendiert, von seiner Kirche. Diese Suspension, die es ihm untersagt, Messen zu zelebrieren und als Geistlicher seine Ideen zu verbreiten, könnte aufgehoben werden, wenn er dazu bereit wäre, von bestimmten seiner Forderungen, wie etwa der Ordination weiblicher Priester, Abstand zu nehmen. Aber dazu ist Flannery nicht bereit. Die römische Glaubenskongregation spricht im Fall Flannery vom Verdacht häretischer Gedanken.
    Forderung nach Transparenz
    Ans Schweigen denkt der für seine Kirche aufsässige Ire nicht, und vertritt auch weiterhin öffentlich seine Ansichten. Wie auch im Fall eines Appells, den insgesamt 15 katholische Geistliche und Ordensleute im US-Wochenmagazin National Catholic Reporter veröffentlichten. In diesem Appell fordern sie mehr Gerechtigkeit innerhalb der römischen Glaubenskongregation. Deren Präfekt, der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, wird dazu aufgefordert, dass Verfahrensprozedere seiner Kongregation gegen bestimmte Geistliche transparenter zu machen. Kurz: Sie wollen wissen, wie gegen sie ermittelt wird und sie wollen sich besser als bisher verteidigen können. Wie auch die US-katholische Ordensfrau Jeannine Gramick. Auch sie gehört zu den Unterzeichnern des Appells:
    "Ich arbeitete in der Kirche in der Betreuung homosexueller und lesbischer Menschen seit 1971 und ich weiß wovon ich rede, wenn ich fordere, dass diese Menschen voll in die Kirche integriert sein müssen. Von Papst Franziskus erhoffe ich mir da große Veränderungen, denn seit den 1970 er und 1980er Jahren hat sich die Welt sehr verändern."
    Und das wisse Franziskus und deshalb werde er sich entsprechend verhalten. Davon jedenfalls ist die suspendierte Ordensfrau, die ihre Ansichten nicht mehr verbreiten darf aber es dennoch tut, fest überzeugt.
    Sie und die 14 anderen Unterzeichner des Appells richten ihr Augenmerk auf die Glaubensbehörde unter der Leitung von Kardinal Müller. Jener Glaubenspräfekt, der während der Familiensynode relativ offen und deutlich gegen päpstliche Neuerungsvorschläge in Sachen Familie protestiert hatte, auch wenn er dann relativ überraschend am Ende der Synode den Vorschlägen der deutschen Gruppe zustimmte. Unter Roms Vatikanexperten scherzt man immer wieder, wenn man auf Müller zu sprechen kommt: Er würde, heißt es, doch am liebsten auch seinen Dienstherrn, Papst Franziskus, den Prozess machen. Auch Giacomo Galeazzi, Vatikanexperte der Tageszeitung "La Stampa", kennt diesen Scherz, weist aber darauf hin, dass die Verfahren der Glaubensbehörde schon längst nicht mehr im Geheimen stattfinden:
    "Hier geht es doch um die Schnelligkeit und die Nicht-Geheimniskrämerei solcher Verfahren vor der Glaubensbehörde. Bis vor einigen Jahren war es noch so, dass Geistliche oder Theologen, die nach Ansicht der Glaubensbehörde bestimmte Dogmen in Frage stellten und gegen die ein Verfahren eröffnet wurde, nicht gleich davon informiert wurden. Doch inzwischen ist es so, dass die Glaubensbehörde die betroffenen Personen umgehend informiert."
    Der Heilige Geist soll wirken
    Vergangen sind die Zeiten, in denen die, so hieß sie früher, römische Inquisitionsbehörde rebellische Geistliche und Theologen folterte und in düster-feuchten Verliesen einsperrte oder, wie beispielsweise den Dominikaner Giordano Bruno im Jahr 1600, auf dem römischen Campo de' Fiori verbrannte. Aber auch wenn sich im Fall von Verfahren der Glaubensbehörde vieles zum Besseren verändert hat, gehen diese Veränderungen den 15 Appell-Unterzeichnern nicht weit genug. Sie klagen vor allem den Umstand an – und finden dabei die volle Unterstützung des Schweizer Theologen Hans Küng – wonach die gleiche Institution immer noch die Rolle des Anklägers, des Ermittlers und des Richters einnimmt. Von ausgeglichener Rechtmäßigkeit im Sinn eines rechtsstaatlichen Verfahrens, so der Hinweis, könne folglich immer noch keine Rede sein. Auch das Recht auf Verteidigung der eigenen Ideen vor der Glaubensbehörde könne nur in beschränktem Maß in Anspruch genommen werden.
    In Ihrem Appell verweisen die Unterzeichner auf einen Passus im jüngsten Apostolischen Schreiben von Franziskus, "Amoris Laetitia". Darin schreibt der Papst, dass "nicht alle doktrinären Diskussionen durch eine Intervention des kirchlichen Lehramts gelöst werden müssen". Auch wenn die Einheit der Doktrin und der Praxis notwendig sei, heißt es ebenfalls im päpstlichen Schreiben und auch darauf verweisen die Appell-Unterzeichner, verhindere das nicht die Existenz verschiedener Interpretationsansätze bezüglich von Aspekten der Doktrin. Der Heilige Geist, so der Papst, werde die volle Wahrheit herbeiführen. Der Heilige Geist, so die Unterzeichner des Appells, und eben nicht die Glaubensbehörde unter Kardinal Müller.
    Es sei immer wieder die Person Müllers, so Galeazzi, an der sich die Geister scheiden:
    "Während der Familiensynode wurde Müller immer wieder als der antireformerische Panzerkardinal dargestellt, der er so nicht ist. Er ist ein überzeugter Konservativer, aber kein Gegner des Papstes. Vielleicht ist er unter diesem Papst nicht der richtige Mann am richtigen Ort. Denn der Glaubenspräfekt müsste eigentlich jemand sein, der zum einen die Doktrinen verteidigt, zum anderen aber auch die doktrinären Aussagen des Papstes zu seinen eigenen macht. Genau das tut er aber nicht."
    Und so hoffen die 15 Unterzeichner des Appells für ein transparenteres Verfahren vor der Glaubensbehörde, dass Kardinal Müller bald ersetzt wird - durch einen Glaubenspräfekten, der auch in dieser vatikanischen Behörde endlich eine grundlegende Reform durchführen wird.