Von der Notwendigkeit "einer kopernikanischen Wende" der Kirche im Kampf gegen sexuellen Missbrauch sprach in der Predigt der australische Erzbischof Coleridge. Papst Franziskus nutzt dann seine anschließende Ansprache, um noch einmal seine Betroffenheit angesichts des vielfachen sexuellen Missbrauchs durch Vertreter der katholischen Kirche deutlich zu machen
"Das Echo des stillen Schreis der Kleinen, die in ihnen statt Vätern und geistlichen Führern Menschenschinder gefunden haben, wird die durch Scheinheiligkeit und Macht betäubten Herzen erzittern lassen. Wir haben die Pflicht, diesem erstickten stillen Schrei aufmerksam zuzuhören."
Priester und Bischöfe, die zu "Menschenschindern" werden – es sind mit die bislang schärfsten Worte, die der Papst benutzt hat, um den Missbrauch innerhalb seiner Kirche zu verurteilen. Franziskus widmete sich in seiner Rede auch ausführlich dem sexuellen Missbrauch generell in der Gesellschaft, der allein in Europa millionenfach geschehe, und unterstrich, laut diverser Untersuchungen würde dieser Missbrauch überwiegend in der Familie, in den heimischen vier Wänden stattfinden. Aber gleichzeitig stellte Franziskus vor den anwesenden Chefs aller Bischofskonferenz klar:
"Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Die weltweite Verbreitung dieses Übels bestätigt, wie schwerwiegend es für unsere Gesellschaften ist, schmälert aber nicht seine Abscheulichkeit innerhalb der Kirche."
Papst verurteilte Missbrauch scharf
In seiner Einführungsrede am Beginn der Konferenz hatte Franziskus konkrete Ergebnisse im Kampf gegen sexuellen Missbrauch angemahnt. Heute in seiner abschließenden Ansprache verurteilte der Papst Missbrauch scharf, räumte die Versäumnisse der Vergangenheit ein und mahnte einen Mentalitätswechsel an. Er verzichtete aber weitgehend darauf, selbst konkrete Schritte der katholischen Kirche im Kampf gegen den Missbrauch zu benennen. Stattdessen wiederholte er unter anderem seine Aussage aus dem Dezember, dass die Kirche werde jeden, der derartige Delikte begangen hat, an die Justiz übergeben werde. Der Papst stellte gleichzeitig klar, es sei künftig eine verpflichtende Norm für alle Bischofskonferenzen weltweit, Fälle von Missbrauch unnachsichtig zu verfolgen:
"Kein Missbrauch darf jemals vertuscht - so wie es in der Vergangenheit üblich war - oder unterbewertet werden, da die Vertuschung von Missbrauch die Verbreitung des Übels begünstigt und zusätzlich eine weitere Stufe des Skandals darstellt."
Opferverbände hatten in den vergangenen Tagen mit Nachdruck gefordert, dass am Ende der Konferenz auch konkrete Veränderungen im Kirchenrecht stehen. Unter anderem die verbindliche Vorschrift, dass Priester und Bischöfe in den Laienstand degradiert werden, wenn sie Missbrauch begangen oder gedeckt haben. Franziskus stellte an das Ende seiner Rede einen allgemeinen Appell für einen entschiedenen Kampf gegen Missbrauch innerhalb und außerhalb der Kirche:
"Eindringlich appellierte ich, an alle Verantwortungsträger und an die einzelnen Personen in allen Bereichen gegen den Missbrauch von Minderjährigen zu kämpfen im sexuellen wie in den anderen Bereichen, denn es handelt sich um abscheuliche Verbrechen, die auf dem Antlitz der Erde ausgemerzt werden müssen."
Kritik an der Rede des Papstes
Opferverbände kritisierten die Rede des Papstes. Es sei ein schamloser Versuch, sich an die Spitze der Bewegung im Kampf gegen Missbrauch zu setzen, ohne wirkliche Veränderungen anzugehen, schrieb auf Twitter Matthias Katsch von der deutschen Betroffenenorganisation Eckiger Tisch. Thomas Schüller, der Direktor für Kanonisches Recht an der Universität Münster nannte die Papst-Rede ein "Fiasko" und eine "vertane Chance".
Am Nachmittag, heißt es aus Quellen im Vatikan, werden die Organisatoren der Konferenz in einer Pressekonferenz noch einmal Bilanz ziehen – und dort möglicherweise noch konkrete Maßnahmen benennen, die die katholische Kirche als Ergebnis der dreieinhalbtägigen Konferenz ziehen will.