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Katzen, Schweine und ein Fußballmolekül

Physik. - Warum können wir nicht durch zwei benachbarte Türen gleichzeitig gehen? Für den Normalmenschen klingt die Frage höchst absurd. Den Quantenphysikern aber gibt sie Rätsel auf. Denn winzige Gebilde wie Moleküle sind durchaus in der Lage, durch zwei Spalte gleichzeitig zu fliegen, indem sie statt wie Teilchen dann wie Lichtwellen agieren. Den Physikern ist nicht so recht klar, warum größere Objekte wie Menschen diese Verwandlungskünste nicht mehr zeigen. Ein Team aus dem Labor des Wiener Physikers Anton Zeilinger hat nun etwa Licht ins Dunkel gebracht.

    Die Diskussionen von Professor Markus Arndt und seinen Kollegen vom Institut für Experimentalphysik der Universität Wien klingen durchaus kryptisch: da ist die Rede von schwachen und starken Katzen, geheimnisvollen Verschränkungen und Molekülen, die einem Fußball nicht unähnlich sind. "Die schwache Katze, das wären unter anderem die Fullerene. Aber was die Verschränkung mit einem mikroskopischen System betrifft, hätte ich im Moment die Idee, dass sie eher eine starke Antikatze wären." Tierliebhaber müssen keine Sorgen haben, hier geht es um Schrödingers ominöses Theorem über eine Katze, von der ein Quantenphysiker nie so recht weiß, ob sie nun tot oder lebendig ist. Der Nobelpreisträger ersann die Geschichte, um damit zu verdeutlichen, dass Dinge in der Quantenwelt - anders als im Alltag - sich in zwei verschiedenen Zuständen gleichzeitig befinden können. Sie können zur gleichen Zeit an zwei Orten auftauchen, können zugleich viel Energie haben und wenig. Und sie können quasi auch durch zwei verschiedene Türen gleichzeitig gehen.

    Genau diesen physikalischen Zaubertrick betreibt Markus Arndt mit so genannten Fullerenen. Diese kugelförmigen Moleküle aus beispielsweise 70 Kohlenstoffatomen erhitzt der Physiker in einem kleinen Ofen und schickt sie anschließend durch ein luftleeres Edelstahlrohr. In der Mitte des drei Meter langen Rohrs liegt ein bauchiger Kessel, aus dem viele kleine Rohr-Enden ragen. "Das nennen wir das Schwein, weil es halt so viele Rüssel hat. In Englisch wäre das "pig". Und wir nennen das dann neudeutsch "Particle Interference Generator" - PIG, naja, das wäre das Schwein." In der Mitte des Schweins fliegen die Fulleren-Fußbälle durch ein Gitter aus extrem feinen Stäben. Verblüffenderweise, so hatte Arndt vor einigen Jahren beobachtet, erzeugen die Moleküle hinter dem Gitter ein spezielles Schattenmuster. Daraus schloss der Physiker, dass sich die Fullerene dabei nicht wie Teilchen verhielten, sondern eher wie Lichtwellen. Damit war es ein typisches Phänomen der Quantenphysik. Allerdings hatte man bis dahin ähnliches Verhalten nur bei kleinsten Teilchen wie Elektronen oder Atome gesehen. Arndt hatte es dagegen erstmals bei etwas größeren Partikeln beobachtet, eben den Fullerenen.

    "Da waren wir damals stolz, weil das schon schwierig genug war. Aber eine Frage ist, warum diese seltsamen Wellenphänomene für diese mikroskopischen Teilchen offensichtlich sichtbar sind, aber für makroskopische Objekte - wie etwa auch für mich - nicht. Warum kann ich nicht durch zwei Türen durchgehen? Ich bin ja auch nur ein Quantenobjekt im weitesten Sinne des Wortes", rätselt Markus Arndt. Zwischen Molekül und Mensch muss also etwas passieren, dass die Quantennatur zerstört oder zumindest verdeckt. Der Wiener Physiker versucht, mit einem abwandelten Versuchsaufbau das Problem zu ergründen: "Dabei heizen wir die Moleküle mit einem Argonionen-Laserstrahl weiter auf, nachdem sie den Ofen bereits verlassen haben." Dabei erreichen die Fullerene eine Temperatur von rund 2700 Grad Celsius. Das Ergebnis: je heißer die Fullerene waren, desto schwächer war das von ihnen erzeugte Schattenmuster. Mit steigender Temperatur verblasste also die Quantennatur der Fullerene immer mehr. Dazu Professor Arndt "Je heißer die Fullerene sind, desto leichter können sie der Umwelt sagen: Hallo, hier bin ich, das ist mein Ort. Jetzt bin ich ein Teilchen und keine Welle mehr." Denn die heißen Fußbälle versuchen, ihre Wärmeenergie möglichst rasch wieder loszuwerden und senden dazu Lichtteilchen aus. Dadurch verraten sie sich ihrer Umwelt, was in der Physik das typische Kennzeichen eines Teilchens ausmacht. Mit der Abgabe von Wärmestrahlung verrät ein Objekt seinen Ort und wird damit von der Welle zum Teilchen, wird vom Quantenobjekt zum Gegenstand der Alltagswelt. Und damit wäre auch klar, warum der Mensch nicht wie ein Geist durch zwei Türen gleichzeitig schreiten kann: Schließlich strahlt er kaum weniger Wärme ab als eine Glühlampe.

    [Quelle: Frank Grotelüschen]