Es war ein großes Spektakel - auf dem Bebelplatz in Berlin, wo die Nazis einst Bücher verbrannten - stand ein Tisch mit fast 40 Metern Durchmesser. Daneben hatten ganze Heerscharen von Journalisten Stellung bezogen. Morgens um 9.45 Uhr verlas der Schauspieler Willem Dafoe die erste Frage. Sind Handelsmarken mächtiger als Regierungen?
Über das Thema könnte man Bücher schreiben, doch die Wissenschaftler, Unternehmer, Künstler und Menschenrechtsaktivisten am Runden Tisch hatten nur drei Minuten Zeit. Sie sollten in einer neunstündigen Marathonsitzung nicht weniger als 100 Fragen beantworten. Wenn jeder einzeln gesprochen hätte, wäre die Veranstaltung auch drei Wochen später noch nicht zu Ende gewesen. Daher wurden die Teilnehmer gebeten, gleichzeitig zu sprechen. Jeder hatte eine Kamera vor sich.
Für die Zuschauer auf dem Platz, die das Geschehen hinter Sicherheitsabsperrungen aus etwa 20 Metern Entfernung beobachten konnten, war kaum mehr zu hören, als ein schwaches Rauschen. Sie wurden aufs Internet verwiesen. Doch auch die, die die Veranstaltung dort verfolgten, bekamen wenig mit. Der Live-Stream vom Runden Tisch übertrug die Antworten der Teilnehmer nur stückchenweise. Etwa alle 30 Sekunden wurden neue Sprecher eingeblendet, doch Informationen über ihre Namen und ihre Herkunft gab es nicht.
Wozu also der Aufwand, wenn so wenig Inhalt transportiert wurde? - Eva Stein von der Initiative Dropping Knowledge erklärt:
"Ich empfinde das als ein Ritual, als eine große Kunstinstallation, die dazu da ist, die Leute aufmerksam zu machen. Für mich ist das so etwas, wie eine globale Antwort auf diese globalen Fragen. Der große Reiz ist, wenn wir die Frage, die immer wieder zitiert wird, welche Religion hat Gott?, von einem Schamanen aus Grönland beantwortet bekommen, genauso wie von einem Farmer in den USA, der sich darum bemüht, eine andere Form der Landwirtschaft zu kreieren, wie von einer spirituellen Frau aus Japan und so weiter."
Doch dazu müssten die Antworten erst einmal verfügbar sein. Dropping Knowledge hatte zwar versprochen, alle Aufnahmen kurz nach dem Ende der Veranstaltung ins Internet zu stellen, doch auch Tage nach dem Ereignis waren sie nicht zu finden. Stattdessen konnte man sich auf der Dropping Knowledge-Website eine Konserve des Live-Streams vom 9. September herunterladen.
Bedeutsame Fragen und ein Kauderwelsch aus Antworten. Mit der Verbreitung von Wissen hat das wenig zu tun - sehr viel hingegen mit Selbstvermarktung. Dabei ist Dropping Knowledge eine gemeinnützige Initiative, die sich aus Spendengeldern finanziert und den internationalen Wissensaustausch fördern möchte. Gegründet vor drei Jahren in Deutschland und den USA arbeitet sie mit einer ganzen Reihe hoch angesehener Partner zusammen - in Deutschland unter anderem mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Künste und dem Institut für Künstliche Intelligenz in Saarbrücken.
Und auch das Prestige der 112 Teilnehmer des Runden Tisches spricht für sich: Bürgerrechtler wie Oscar Olivera, Politiker wie Avi Primor, Schriftsteller wie Viktor Jerofejew und Unternehmensberater wie Roland Berger - sie alle ließen sich für das Projekt begeistern. Manche werden sich auch von der öffentlichen Wirkung etwas erhofft haben. Zum Beispiel die Menschenrechtlerin Bianca Jagger.
"Dieses Forum kann Menschen die Möglichkeit geben, für ihre Belange zu sprechen", sagte Bianca Jagger bei einer Pressekonferenz, "Menschen, von denen die Medien oft denken, sie wären nicht besonders wichtig." Damit machte die Aktivistin natürlich auch deutlich, dass sie den Runden Tisch als eine Art PR-Instrument betrachtete und nicht als ein Forum zur Beantwortung offener Fragen.
Und den Organisatoren war alles recht. Auf der Internetplattform von Dropping Knowledge werde es keine Zensur geben, betonte Ralf Schmerberg:
"Missbrauch gehört zu uns, Lügen ist menschlich. Das kann ich nicht vermeiden, wenn ich so etwas tue. Ich kann die schönste Skulptur aufstellen, und es kommt jemand und schmiert Farbe drüber. Ich kann das nicht vermeiden. ... Und wie wir damit umgehen? - Ich kann es nicht sagen, wir müssen erst in diese Situation kommen."
Ralf Schmerberg, der zu den Gründern von Dropping Knowledge gehört, hofft auf die selbstreinigende Kraft des Internets. Bewusste Falschaussagen würden seiner Meinung nach von den Nutzern der Website erkannt und entsprechend kommentiert werden.
Er müsste es besser wissen. Gerade erst sind die Internetforen von Dropping Knowledge von der Gewerkschaft ver.di attackiert worden, um Themen ins Gespräch zu bringen. Danach ließen die Organisatoren ihren Plan fallen, die 100 Fragen für den Runden Tisch allein durch eine Internetabstimmung festlegen zu lassen.
"Das Internet ist bis heute sehr verletzlich. Es gibt Kettenbriefe. Also man muss so eine Mischung machen zwischen einer demokratischen Form. Es braucht dann aber noch mal was Menschliches - eine Gruppe, die sich tiefer Gedanken macht: Wo sind Dopplungen? Wo sind Sachen, die ins Leere laufen? Und das auch alles berücksichtigt, was man versucht zu covern."
Die Auswahl interessanter Fragen ist durchaus gelungen. Doch was wird mit den Antworten geschehen? Sicher werden sie irgendwann einmal im Internet verfügbar sein. Doch das Medienecho des Runden Tisches ist dann längst verraucht. Dropping Knowledge wird hart dafür arbeiten müssen, Nutzer für das Wissen zu finden, dass am 9. September in Berlin zusammengetragen wurde.
Über das Thema könnte man Bücher schreiben, doch die Wissenschaftler, Unternehmer, Künstler und Menschenrechtsaktivisten am Runden Tisch hatten nur drei Minuten Zeit. Sie sollten in einer neunstündigen Marathonsitzung nicht weniger als 100 Fragen beantworten. Wenn jeder einzeln gesprochen hätte, wäre die Veranstaltung auch drei Wochen später noch nicht zu Ende gewesen. Daher wurden die Teilnehmer gebeten, gleichzeitig zu sprechen. Jeder hatte eine Kamera vor sich.
Für die Zuschauer auf dem Platz, die das Geschehen hinter Sicherheitsabsperrungen aus etwa 20 Metern Entfernung beobachten konnten, war kaum mehr zu hören, als ein schwaches Rauschen. Sie wurden aufs Internet verwiesen. Doch auch die, die die Veranstaltung dort verfolgten, bekamen wenig mit. Der Live-Stream vom Runden Tisch übertrug die Antworten der Teilnehmer nur stückchenweise. Etwa alle 30 Sekunden wurden neue Sprecher eingeblendet, doch Informationen über ihre Namen und ihre Herkunft gab es nicht.
Wozu also der Aufwand, wenn so wenig Inhalt transportiert wurde? - Eva Stein von der Initiative Dropping Knowledge erklärt:
"Ich empfinde das als ein Ritual, als eine große Kunstinstallation, die dazu da ist, die Leute aufmerksam zu machen. Für mich ist das so etwas, wie eine globale Antwort auf diese globalen Fragen. Der große Reiz ist, wenn wir die Frage, die immer wieder zitiert wird, welche Religion hat Gott?, von einem Schamanen aus Grönland beantwortet bekommen, genauso wie von einem Farmer in den USA, der sich darum bemüht, eine andere Form der Landwirtschaft zu kreieren, wie von einer spirituellen Frau aus Japan und so weiter."
Doch dazu müssten die Antworten erst einmal verfügbar sein. Dropping Knowledge hatte zwar versprochen, alle Aufnahmen kurz nach dem Ende der Veranstaltung ins Internet zu stellen, doch auch Tage nach dem Ereignis waren sie nicht zu finden. Stattdessen konnte man sich auf der Dropping Knowledge-Website eine Konserve des Live-Streams vom 9. September herunterladen.
Bedeutsame Fragen und ein Kauderwelsch aus Antworten. Mit der Verbreitung von Wissen hat das wenig zu tun - sehr viel hingegen mit Selbstvermarktung. Dabei ist Dropping Knowledge eine gemeinnützige Initiative, die sich aus Spendengeldern finanziert und den internationalen Wissensaustausch fördern möchte. Gegründet vor drei Jahren in Deutschland und den USA arbeitet sie mit einer ganzen Reihe hoch angesehener Partner zusammen - in Deutschland unter anderem mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Künste und dem Institut für Künstliche Intelligenz in Saarbrücken.
Und auch das Prestige der 112 Teilnehmer des Runden Tisches spricht für sich: Bürgerrechtler wie Oscar Olivera, Politiker wie Avi Primor, Schriftsteller wie Viktor Jerofejew und Unternehmensberater wie Roland Berger - sie alle ließen sich für das Projekt begeistern. Manche werden sich auch von der öffentlichen Wirkung etwas erhofft haben. Zum Beispiel die Menschenrechtlerin Bianca Jagger.
"Dieses Forum kann Menschen die Möglichkeit geben, für ihre Belange zu sprechen", sagte Bianca Jagger bei einer Pressekonferenz, "Menschen, von denen die Medien oft denken, sie wären nicht besonders wichtig." Damit machte die Aktivistin natürlich auch deutlich, dass sie den Runden Tisch als eine Art PR-Instrument betrachtete und nicht als ein Forum zur Beantwortung offener Fragen.
Und den Organisatoren war alles recht. Auf der Internetplattform von Dropping Knowledge werde es keine Zensur geben, betonte Ralf Schmerberg:
"Missbrauch gehört zu uns, Lügen ist menschlich. Das kann ich nicht vermeiden, wenn ich so etwas tue. Ich kann die schönste Skulptur aufstellen, und es kommt jemand und schmiert Farbe drüber. Ich kann das nicht vermeiden. ... Und wie wir damit umgehen? - Ich kann es nicht sagen, wir müssen erst in diese Situation kommen."
Ralf Schmerberg, der zu den Gründern von Dropping Knowledge gehört, hofft auf die selbstreinigende Kraft des Internets. Bewusste Falschaussagen würden seiner Meinung nach von den Nutzern der Website erkannt und entsprechend kommentiert werden.
Er müsste es besser wissen. Gerade erst sind die Internetforen von Dropping Knowledge von der Gewerkschaft ver.di attackiert worden, um Themen ins Gespräch zu bringen. Danach ließen die Organisatoren ihren Plan fallen, die 100 Fragen für den Runden Tisch allein durch eine Internetabstimmung festlegen zu lassen.
"Das Internet ist bis heute sehr verletzlich. Es gibt Kettenbriefe. Also man muss so eine Mischung machen zwischen einer demokratischen Form. Es braucht dann aber noch mal was Menschliches - eine Gruppe, die sich tiefer Gedanken macht: Wo sind Dopplungen? Wo sind Sachen, die ins Leere laufen? Und das auch alles berücksichtigt, was man versucht zu covern."
Die Auswahl interessanter Fragen ist durchaus gelungen. Doch was wird mit den Antworten geschehen? Sicher werden sie irgendwann einmal im Internet verfügbar sein. Doch das Medienecho des Runden Tisches ist dann längst verraucht. Dropping Knowledge wird hart dafür arbeiten müssen, Nutzer für das Wissen zu finden, dass am 9. September in Berlin zusammengetragen wurde.