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Kauen statt schlingen

Paläontologie. - Manche Dinosaurier konnten ihre Nahrung sehr gut kauen. Das haben britische Forscher bei der Analyse von Zähne der Edmontosaurier festgestellt. In den Abhandlungen der US-Akademie der Wissenschaften berichten sie darüber.

Von Michael Stang |
    Nur sein flacher Kopf erinnert ein wenig an eine Ente. Mit rund 13 Metern Körperlänge und geschätzten drei Tonnen Körpergewicht war es das aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten des Edmontosaurus aus der Oberkreide und den heutigen Seebewohnern. In dem Kiefer des Dinosauriers waren bis zu 2000 Zähne angereiht, die in vielen Fossillagerstätten in den USA gefunden wurden Welche Nahrung sie vor 70 Millionen Jahren zerkleinerten, wollte Paläontologe Mark Purnell von der Universität im britischen Leicester herausfinden. 13 Zähne von mehreren Tieren aus der kreidezeitlichen Lance-Formation in Wyoming kamen unter das Elektronenmikroskop, um feine Abriebspuren am Zahnschmelz zu untersuchen. Doch das war nicht so einfach.

    "Bei Dinosauriern sind die Zähne alle gleich, es gibt keine Schneide- oder Backenzähne. Daher mussten wir erst einmal Zähne aus verschieden Bereichen des Kiefers untersuchen und schauen, ob Vorderzähne die gleichen Spuren aufweisen wie Zähne aus dem hinteren Kieferbereich. Dabei sahen wir, dass es keine großen Unterschiede gab, die Abriebspuren waren überall ähnlich. Daher reichte ein winziger Abschnitt aus um herauszufinden, wie sich so ein Dinosaurier ernährt hat."

    Gerade einmal eine Fläche von 300 Mikrometern reichte aus, um die entscheidenden Details zu sehen. Das entspricht etwa der Dicke von drei menschlichen Haaren. Je nach Ernährungsweise kann man im Zahnschmelz unterschiedlich viele winzige Grübchen – so genannte "pits" – oder kleine Schrammen – so genannte "scratches" - sehen. Pits entstehen überwiegend beim Zerkauen von Gräsern, scratches deuten auf Mischkost hin. Bei allen untersuchten Zähnen begegneten Mark Purnell unter dem Elektronenmikroskop fast ausschließlich die länglichen Vertiefungen. Von Untersuchungen an Säugetierzähnen ist bekannt, dass diese auf eine relativ breite vegetarische Nahrung hindeuten. Entgegen früherer Annahmen hat sich Edmontosaurus nicht ausschließlich von Gräsern ernährt, sondern vermutlich auch Zweige, Früchte und Piniennadeln gefressen. Die Abriebspuren an den Zähnen verraten aber noch mehr. Die Anzahl und die Orientierung der kleinen Schrammen zeigen auch, wie die Dinosaurier die Nahrung zerkleinert haben. Purnell:

    "Es gab schon lange die Vermutung, dass einige Dinosaurier zu Kaubewegungen in der Lage waren, die wir nicht kennen. Wir konnten jetzt anhand dieser Zahnspuren zeigen, dass das Gelenk im Oberkiefer eine wichtige Rolle beim Kauen spielte. Beim Fressen klappte der Unterkiefer nach oben, der Oberkiefer rutschte nach vorne und zermalmte so die Nahrung."

    Der Oberkiefer konnte also aktiv die Nahrung zerkleinern, während der Unterkiefer das Futter nur nach oben drückte. Einen solchen Kaumechanismus gibt es heute im gesamten Tierreich nicht mehr. Paläontologen hatten zwar vermutet, dass das Gelenk im Oberkiefer eine wichtige Funktion beim Kauen gehabt haben muss, der entscheidende Beweis fehlte aber bislang. Auch bei Nachuntersuchungen an den Zähnen sah Mark Purnell, dass überall immer die gleichen parallelen "Scratches" zu sehen waren. Edmontosaurus muss seine Nahrung also immer nach dem gleichen Schema gekaut haben.
    "Der Grad an komplexen Kaubewegungen hat uns doch etwas überrascht. Es war kein loses Herumkauen oder Schlingen. Dann hätte es nicht diesen parallelen Abrieb in den Zähnen gegeben. Nun ist klar, dass dahinter ein komplizierter Bewegungsapparat steckt, der die Nahrung präzise zerkleinern konnte."