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Kaufhäuser in Gefahr

Nach Ansicht von Dieter Läpple, Professor für Stadt- und Regionalökonomie in Hamburg, gehorchen klassische Kaufhäuser in den Innenstädten einem standardisierten Konsummuster. Die Gesellschaft polarisiere sich aber nach oben und unten. Damit polarisiere sich auch das Kaufverhalten. Gleichzeitig stelle sich bei vielen Menschen eine gewisse Müdigkeit ein, Orte zu besuchen, wo nur Allerweltswaren angeboten würden, sagte Läpple.

Dieter Läpple im Gespräch mit Beatrix Novy | 03.06.2009
    Beatrix Novy: Noch zieht sich das Gerangel um den Konzern Arcandor hin, die Hoffnung auf Staatshilfe schmilzt. Die Probleme von Arcandors Kaufhauskette Karstadt scheinen das Ende einer Ära anzuzeigen. Das Trudeln der Kaufhäuser beobachten wir ja schon seit Langem. Wir schauen heute mal aus der Perspektive der Innenstädte darauf, die von Kaufhäusern so geprägt sind, als hätte es die immer schon gegeben.

    Im späten 19. Jahrhundert begannen sie als Kathedralen des Konsums, sehr gefürchtet übrigens vom kleinen Gewerbe damals. Nach dem Krieg wurden Kaufhäuser schnell wieder errichtet, denn ein Kaufhaus in der Innenstadt stellt mittlerweile oder stellte einen Magneten dar, von dem alle profitieren. Dazu noch mit mittlerem Angebot für ein mittelständisches Publikum. Das ist die Rolle des Kaufhauses. Ich habe Dieter Läpple, Professor für Stadt- und Regionalökonomie in Hamburg gefragt: Ist diese Rolle jetzt ausgespielt?

    Dieter Läpple: Ich denke ja. Inzwischen sehen wir die Tendenz, dass zwar die Städte abhängig sind vom Handel, aber der Handel nicht mehr von den Städten. Gleichwohl gibt es eine eindeutige Tendenz zurück zur Stadt - als Wohnort, als Arbeitsort, als Lebensraum. Und damit eröffnen sich auch wieder neue Perspektiven für den Handel. Und ich denke, was sich gegenwärtig zeigt, ist, dass eben auch diese Kaufhäuser mit ihren geschlossenen Innenwelten nicht mehr in die neue Erlebniswelt der Stadt passen.

    Novy: Aber Kaufhäuser werden offenbar von einigen Individuen doch noch gebraucht. In der "Süddeutschen Zeitung" vor zwei Wochen hieß es zum Beispiel: Gebt uns doch unsere Kaufhäuser wieder ohne die nervigen Markenwelten, die ja auch in Kaufhäusern, die mit der Zeit gegangen sind, entstanden sind. Wir wollen gar nicht shoppen, sondern in einer gewissen Zeitökonomie ist das Konzept "Alles unter einem Dach" doch gar nicht so schlecht?

    Läpple: Das ist richtig. Also die Leute haben natürlich ein Bedürfnis, auch in der Innenstadt ökonomisch einkaufen zu können und nicht überall was suchen zu müssen, sondern Orte zu haben, wo sie wissen, dass ein bestimmtes Sortiment angeboten wird, was sie brauchen für ihr alltägliches Leben und so weiter. Aber dazu denke ich, müssten diese Kaufhäuser auch wirklich ein anderes, frischeres Konzept bekommen. Und ein großes Problem ist natürlich, sie sind vor allem ausgerichtet gewesen auf den Mittelstand der Gesellschaft, und der ist am Abschmelzen. Und damit schmelzt ihnen eben auch eine Kundenschicht weg.

    Novy: Das heißt nur ganz edel oder ganz billig? Die Gesellschaft polarisiert sich nach oben und nach unten, und das Kaufverhalten polarisiert sich auch. Man geht billig einkaufen und gleichzeitig sucht man wieder individuelle Produkte, die eben nicht in dem Standardsortiment angeboten werden. Das heißt nicht, dass nicht weiterhin auch Bedarf ist für diese Kaufhäuser, aber es ist einfach ein Überangebot da. Und das Kaufangebot muss sich profilieren und muss sich an die veränderte Stadtbevölkerung anpassen. Bedeutet das dann zurück hinter die Kaufhäuser, die ja erst im 19. Jahrhundert in dieser Form entstanden sind, oder ist es hin zu den Shopping Malls, die sich ja längst auch in Innenstädten breitmachen?

    Läpple: Also vielleicht zunächst zu den Shopping Malls. Wenn die Stadt versucht, nun der grünen Wiese Konkurrenz zu machen mit einem Konzept der grünen Wiese, dann gibt sie sich selbst auf, dann hat sie keine Chance. Also das haben wir ja vielfach in Untersuchungen aufgezeigt, dass die Einkaufszentren eher das zerstören, was wir jetzt wieder die Renaissance der Stadt nennen, eben gerade die Vielfalt, die gewünscht ist. Auf der anderen Seite sehen wir schon, dass wir einen erstaunlichen Aufstieg von kleinen Läden haben, die eben viel kundenspezifischere Produkte anbieten. Dass wie in Hamburg in der Marktstraße wir plötzlich in einem Problemviertel einen richtig blühenden Einzelhandel haben, wo eben nicht nur traditionelle Waren angeboten werden, sondern kleine Designläden sind, die eigene Marken produzieren, die auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen. Und da zeigt sich schon, dass mit der Renaissance der Stadt neue Chancen für den Handel sind, aber die alten Handelsformen verändert werden müssen.

    Novy: Aber spiegelt der Gegensatz der Konzepte - ganz teuer und ganz billig - nicht auch die Schere wider, die sich in der Gesellschaft auftut - weil Sie sagten ja selber, der Mittelstand schmilzt ab -, und ist dann die Stadt als der Ort, wo sich alle treffen, nicht auch bedroht?

    Läpple: Also das ist sicher eine Gefahr, aber ich denke, dass es natürlich schon zu bedenken ist, dass wir in den letzten Jahrzehnten sehr standardisierte Konsummuster hatten und wir überschwemmt werden von Allerweltswaren und dass da auch eine gewisse Müdigkeit da ist, solche Orte zu besuchen, wo diese Allerweltswaren angeboten werden. Und das kann man jetzt nicht einfach auffangen durch staatlich sanktionierte oder finanzierte Sanierungskonzepte.

    Novy: Klare Worte von Dieter Läpple zur Krise der Kaufhäuser.