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Kaufmännische Freiheit dank Zusammenschluss

Die Vereinten Nationen haben 2012 zum internationalen Jahr der Genossenschaften erklärt. Allein in Deutschland gibt es davon rund 7.500 mit 20 Millionen Mitgliedern. Das Firmenporträt befasst sich in einer vierteiligen Reihe mit dem Modell der Genossenschaften - beispielsweise bei Edeka.

Von Verena Herb | 27.01.2012
    Schon von Weitem sind die großen blauen Blockbuchstaben zu erkennen: Edeka – prangt an der Außenwand eines Supermarktes in Ammersbek in Schleswig-Holstein, kurz hinter Hamburgs Stadtgrenze. Daneben in kursivem Schriftzug zu lesen, der Name "Martens".

    Im hinteren Bereich des Supermarktes, ein paar Gänge hinter dem Obst und Gemüse, hilft Maren Meinecke gerade einer älteren Kundin bei der Auswahl eines Weißweins:

    "Gucken Sie mal, was ich hier hab´. Das reicht nicht ganz."

    Maren Meinecke ist die Geschäftsführerin des Supermarkts in Ammersbek und Edekanerin aus Leidenschaft. Schließlich betreibt sie in dritter Generation gemeinsam mit ihrer Schwester den Lebensmittelhandel der Martens. Benannt nach ihrem Großvater, Erwin Martens:

    "Ich bin ein totales Edeka-Kind. Mein Großvater war ja schon Edeka-Kaufmann. Der ist Anfang der 50er-Jahre Genossenschaftsmitglied bei der Edeka geworden. Und meine Mutter dann später, 1967, ist sie zur Edeka gegangen. Und im Jahr 2000 haben wir dann die Geschäfte übernommen, meine Schwester und ich. Mit der Muttermilch habe ich schon die Edeka eingesogen."

    Vier Märkte zwischen Hamburg und Lübeck betreiben die Geschwister zwischenzeitlich. Und sind als freie, selbstständige Kaufleute Genossen der Edeka.

    Knapp zwölf Kilometer entfernt, in Hamburgs City-Nord sitzt die Edeka-Zentrale. Der Weg zum Büro der Sprecherin des Konzerns, Michaela Fischer-Zernin, führt am Pförtner vorbei per Rolltreppe in den vierten Stock. An sämtlichen Wänden hängen Edeka-Plakatmotive – auf einem zu lesen: viele Unternehmer, ein Unternehmen. Fischer-Zernin erläutert, was sich hinter diesem Slogan verbirgt:

    "Edeka ist kein Konzern. Edeka bezeichnet sich selber als Unternehmer-Unternehmen. Sehr mittelständisch geprägt. Denn unsere Kaufleute sind alle mittelständischen Unternehmen."

    4500 Edeka-Kaufleute gibt es in Deutschland. Insgesamt betreiben sie 6200 Märkte – mit fast 130.000 Mitarbeitern. So gibt es Händler mit nur einem Supermarkt, andere wie Maren Meinecke betreiben vier oder fünf, wieder anderen gehören 14 oder 15 Edeka-Märkte. Die 4500 Kaufleute sind in insgesamt neun Genossenschaften organisiert - erläutert Michaela Fischer-Zernin:

    "Und diesen Genossenschaften, damit also allen selbstständigen Kaufleuten, gehört die Edeka-Zentrale, die hier in Hamburg sitzt. Und ihnen gehört zu 50 Prozent die Edeka-Bank und zu 50 Prozent die sieben Großhandelsgesellschaften, die in Deutschland auch verteilt sind. Und diese Großhandelsgesellschaften haben im Wesentlichen die Funktion, dass sie die Ware, die in den Lagern dieser Großhandelsbetriebe liegen, dann zu den Kaufleuten transportieren."

    Doch vor allem agieren diese, Großhandels- oder auch Regionalgesellschaften genannt, als große Einkaufsverbünde, die bei den jeweiligen Lieferanten entsprechende Konditionen vereinbaren können. Ebenfalls betreiben sie eigene Produktionsstätten wie Fleischwerke oder Backwarenproduktionsbetriebe oder gar eigene Mineralwasserquellen.

    Maren Meinecke gehört zur Regionalgesellschaft Edeka-Nord mit Sitz in Neumünster. Mit dem Zeichnen ihrer Genossenschaftsanteile hat sie als selbstständige Kauffrau die Möglichkeit, ihre Waren über die Regionalgesellschaft zu beziehen:

    "Wir kriegen ein Konzept von der Edeka-Nord vorgegeben. Allerdings sind das Vorschläge, also Sortimentskonzepte. Da wird gesagt: Das und das läuft gut. Das sind die Preise, die wir empfehlen. Wir sind aber total freie Kaufleute, wir können tun und lassen, was wir wollen. Können unsere Märkte gestalten, wie wir wollen."

    Allerdings gibt es diverse Kennzeichnungsvorschriften, damit auch erkennbar ist: Dies ist ein Edeka-Markt. Auch, wenn Martens über dem Eingang steht. Zum Beispiel:

    "Wie wird das Logo Edeka verwendet. Wir haben eine Kampagne `Wir lieben Lebensmittel, da gibt es klare Richtlinien dafür, wie das verwendet werden darf. Es gibt die Eigenmarken – ich weiß gar nicht, ob ich´s Politik nennen soll – da wird gesagt: Das sind die Eigenmarken. Das sind die Preise dafür. Da werden wir keine Preise anheben zum Beispiel."

    1907 wurde die Edeka gegründet: in Berlin, als sich eine Gruppe dort ansässiger Kolonialwarenhändler zusammenschloss, um günstigere Einkaufskonditionen bei den Lieferanten zu bekommen. Im Laufe der Jahre gründeten sich immer mehr Edeka-Genossenschaften. An diesem Konzept habe sich bis heute im Kern nichts geändert, so Edeka-Sprecherin Michaele Fischer-Zernin:

    "Das Grundprinzip - sowohl das Grundprinzip dieser genossenschaftlichen Organisationsform als auch der Geschäftszweck, wenn Sie so wollen, der Genossenschaften - hat sich nicht verändert. Auch nicht über die 100 Jahre und es sieht auch nicht so aus, als ob sich das ändern würde. Und auch nicht ändern sollte."

    Eine Auffassung, die der Handelsexperte Martin Schramm von der Unternehmensberatung BBE in Hamburg durchaus teilt:

    "In der Außenwirkung ist es so, dass Edeka in der Regel immer wahrgenommen wird als der Betrieb eines bestimmten Kaufmanns. Da steht der Name des Händlers mit am Geschäft. Das ist sehr personalisiert. Man hat das Gefühl, man geht zu seinem Händler. Und erst im zweiten Schritt vielleicht zu Edeka. Anders eben als Filialsysteme, wo man nicht klar unterscheidbare Filialen hingeht."

    Maren Meinecke führt durch den Supermarkt, weist auf das Regal mit den Bio-Produkten und erläutert, dass die Zutaten in der Salatbar jeden Tag von drei Mitarbeiterinnen frisch hergerichtet werden. Den Großteil ihres Gemüses beziehe sie von Edeka Nord. Doch wie viele andere ihrer Kollegen legt sie auch Wert auf regionale Produkte:

    "Wir haben Schinken aus der Region. Wir haben den Kartoffelbauern von nebenan. Wir haben Eier aus der Region. Wir kaufen beim Erdbeerbauern hier im Ammersbeker Bereich, wir haben den Spargel aus der Region."

    Gleich gegenüber von Edeka Martens prangt das große gelbe Schild des Lidl-Konkurrenten, bei den anderen Filialen ist Aldi gleich um die Ecke, berichtet die Kauffrau und gibt zu:

    " Wir merken natürlich, wenn wir einen Discounter neben uns haben."

    Und ergänzt: Zum Glück habe man keinen "Netto Marken-Discount" in der Nachbarschaft. So wie andere Edeka-Genossen, wo einige gar um ihre Existenz bangen. Ein schwieriges Thema bei dem Unternehmer-Unternehmen, schließlich ist diese Konkurrenz hausgemacht: Netto ist die Billigtochter der Edeka-Gruppe:

    "Ich denke schon, dass er uns betrifft. Allerdings ich habe lieber einen Netto neben mir als einen Lidl oder Aldi."

    Da bleibt es wenigstens in der Edeka-Familie.