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Kaum begonnen, schon vorbei

Zwischen Weihnachten und Silvester - zwischen den Jahren - scheint die Zeit für viele von uns ein wenig langsamer zu vergehen oder sogar still zu stehen. Es sind die Tage des persönlichen Rückblicks und des Innehaltens: Was war schön, was war wichtig und welche Herausforderungen mussten gemeistert werden?

Von Judith Grümmer und Michael Roehl |
    Vielleicht fragen Sie sich auch, warum die Zeit im Laufe der Jahre immer schneller dahinzurasen scheint. Hängt es mit der Erkenntnis zusammen, dass mit fortschreitendem Alter weniger Lebenszeit übrig bleibt? Oder zahlen wir den Preis dafür, dass wir tatsächlich immer weniger in der Lage sind, über unsere Zeit frei zu bestimmen?

    Moderne Technologien und beschleunigte Arbeitsprozesse nehmen uns immer mehr Freiräume für Langsamkeit und Selbstbestimmung. Alles muss schnell gehen. Wer Arbeit hat, klagt über das Zuviel und zu Atemlos. In unserer aktuellen Ausgabe der "Lebenszeit" nehmen wir uns die Muße, über die Zeit in Ruhe nachzudenken.

    Studiogäste:

    Prof. Dr. Karlheinz Geißler, der Wirtschaftspädagogik an der Universität der Bundeswehr in München lehrt und Autor zahlreicher Bücher über das Thema "Zeit" ist

    Christine Winterholler, Studentin an der Fachhochschule Köln und Autorin

    Astrid Winter-Linneweber, Sozialpädagogin und ehemal. Erzieherin, die Elternseminare zum Thema "Verlangsamung" anbietet

    und

    Josef Tratnik, Schauspieler

    Literatur und Link:

    Karlheinz Geißler
    Alles Espresso.
    Kleine Helden der Alltagsbeschleunigung.
    2007 Hirzel, Stuttgart
    Wie wir im Alltag mit der Zeit umgehen, wird vor allem vom Tempo der "kleinen Dinge" beeinflusst. "Nebensächlichkeiten" wie die Postkarte, der Suppenwürfel, der Reißverschluss, der Kühlschrank, das Tempo-Taschentuch, die Fernsteuerung, der Teebeutel, der Nescafé und, aus Italien importiert, der Espresso und der Prosecco verändern unser Leben. Dass dabei auch so manche nützliche Oase der Langsamkeit, der Ruhe, der Stille, der Besinnung und der Beschaulichkeit unter die schnellen Räder gekommen ist, wird meist verschwiegen.


    Bernhard von Clairveaux an Papst Eugen III im Jahre 1150:
    "Wenn du so wie bisher weitermachst..., ohne Dir etwas für Dich vorzubehalten, ... Dein ganzes Leben und Erleben völlig ins Tätigsein verlegst und keinen Raum mehr für die Besinnung vorsiehst,... wie kannst Du voll und echt Mensch sein, wenn Du Dich selbst verloren hast? ... Wie lange noch schenkst Du allem anderen Deine Aufmerksamkeit, nur nicht Dir selber? .... Denn was würde es Dir sonst nützen, wenn Du ... alle gewinnen, aber als einzigen Dich selbst verlieren würdest?"
    (aus: Geißler, Wart mal schnell, s.u.)

    Karlheinz Geißler
    Wart' mal schnell.
    Wie wir der Zeit ein Schnippchen schlagen.
    2006 Herder, Freiburg
    Wer hat schon Zeit in unserer Zeit? Zeit, über die Zeit zu schmunzeln? Zeit für dieses zeitlose Buch? Vergessen Sie doch einfach eine Weile die Zeit!
    Karlheinz Geißlers Gedanken sind amüsant, ironisch und tiefsinnig. Dazwischen streut er die schönsten Texte von Denkern und Dichtern, die etwas über die Zeit geschrieben haben.
    Wer in diesem Buch schmökert, wird schnell merken, dass er alle Zeit der Welt hat.
    Wer hat schon Zeit in unserer Zeit? Geißlers Rat: Vergessen Sie doch einfach eine Weile die Zeit - indem Sie sich mit ihr beschäftigen. Ironisch, amüsant und tiefsinnig. So viel Zeit muss sein.

    Zeitpolitik gewinnt an Bedeutung - im Alltag, am Arbeitsplatz, in Verbänden und Politik und in den Medien. Zeitpolitische Initiativen finden Resonanz bei vielen Bürgerinnen und Bürgern. Die Zeit selber ist nicht fassbar, aber die Probleme mit der Zeit können wir anpacken. Die Deutsche Gesellschaft für Zeitpolitik entwickelt dafür die Instrumente.
    http://www.zeitpolitik.de/gesellschaft.html