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Kaum Medaillenglück für Moskau

Russland ist bei diesen Olympischen Spielen bislang zu Bescheidenheit gezwungen worden, zum Ärger besonders der politischen Berufspatrioten, die das sportliche Schwächeln des eigenen Teams als nationale Schmach empfinden.

Von Robert Baag | 20.02.2010
    Diesen patriotischen Stoßseufzer von Skeleton-Bronzemedaillen-Gewinner Aleksandr Tretjakov sendeten die staatstreuen russischen elektronischen Medien heute mehrfach an prominenter Stelle:

    "Russland, diese Medaille ist für Dich. Vielen Dank an alle, die mitgefiebert haben","

    … strahlte der sympathische Sportler in die Kameras seiner Heimatsender.

    Die bis dahin insgesamt fünfte Medaille für die einstige Wintersport-Großmacht Russland ist heute, nach fast der Hälfte aller Wettbewerbe, im offiziellen Russland fast schon so gefeiert worden wie eine Goldmedaille.

    Vor einigen Jahren noch wäre eine Bronzemedaille in einer Disziplin wie dem Skeleton wahrscheinlich nur freundlich vermeldet worden - für die Statistik. Russland ist bei diesen Olympischen Spielen bislang zu Bescheidenheit gezwungen worden, zum Ärger besonders der politischen Berufspatrioten, die das sportliche Schwächeln des eigenen Teams als nationale Schmach empfinden.

    Zur Wortführerin hat sich dabei die sonst meist regierungstreue Oppositionspartei LDPR des Populisten Vladimir Shirinovskij aufgeschwungen. Igor Lebedev, ihr Fraktionschef in der Duma, dem russischen Parlament, erregt in einem Telefoninterview:

    ""Schon den Auftakt der Spiele für unsere Mannschaft als gescheitert zu bezeichnen, ist sehr höflich formuliert. Eigentlich wären Worte angebracht, die ich über den Äther lieber nicht aussprechen möchte. Alles, was wir jetzt erleben, ist das Resultat einer Politik, die das Nationale Olympische Komitee Russlands und das Sportministerium während der vergangenen Jahre zugelassen hat!"

    Und Lebedev fügte hinzu:

    "Die Heerschar unserer bekannten Sportler, die noch vor vier Jahren in Turin etwas für unser Land geleistet haben, diese Sportler haben ihre Laufbahn beendet. Die Jungen und Mädchen, die sie abgelöst haben, sind leider noch nicht in der Lage, solche Resultate zu liefern, die unsere Bürger sehen möchten. Die Hauptschuld für diese schlampige Nachwuchsarbeit trägt unser NOK. Das heißt: Jetzt, buchstäblich heute oder morgen, sollte NOK-Chef Leonid Tjagatschov seinen Rückritt einreichen, damit die olympische Bewegung in unserem Land einen neuen Chef bekommt!"

    Noch halten sich Regierung und Präsident, Wladimir Putin und Dmitri Medwedew, mit öffentlicher Kritik am Auftritt des russischen Olympiateams zurück. Putin gratulierte sogar Jevgenij Pluschenko, dem Silbermedaillengewinner im Herren-Eiskunstlauf und Abgeordneten der Pro-Putin-Partei "Geeintes Russland", ausdrücklich, wenn auch zwischen den Zeilen süßsauer, in einer Botschaft mit den Worten:

    "Ihre außergewöhnliche Vorstellung war Gold wert!"

    Duma-Sprecher Boris Gryslov, zugleich Fraktions-Chef von "Geeintes Russland" erinnerte bereits mit leicht drohendem Unterton daran, dass Russland in vier Jahren selbst olympischer Gastgeber in Sotschi sein wird. Und: Jeder in Russland weiß - diese Spiele liegen vor allem einem besonders am Herzen: Vladimir Putin.

    "Die Spiele von Vancouver finden vor unseren Spielen in Sotschi statt. Verständlich, dass deshalb nun der vierte Platz für Russland im nationalen Medaillenspiegel das Mindeste ist, was wir erwarten. Jede Platzierung unterhalb des vierten Rangs ist eindeutig ein Misserfolg! Und zwar auch für diejenigen, die in unserem Land für den Sport verantwortlich sind!"