Archiv


Kaviar für den Motor

Die Rohölreserven werden knapper, da sind Alternativen gefragt. Die Firma Choren entwickelt die Herstellung von Diesel aus Holz, Holzresten oder Stroh. Ende diesen Jahres wird das Unternehmen die Produktion dieses synthetischen Biokraftstoffes der zweiten Generation starten.

Von Sabine Wuttke |
    CHOREN, geschrieben in großen Buchstaben, ist mehr als ein Firmenname. Olaf Schulze, der technische Direktor des Unternehmens:

    "Der Name Choren ist letztendlich Firmenphilosophie, eine Buchstabenkombination CHO, was steht für Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, und CHO sind in allen Brennstoffen, Kraftstoffen, die es derzeit gibt, enthalten, und REN kommt aus dem Englischen und heißt renewable. Und genau das ist das, was wir bei CHOREN machen wollen, nämlich erneuerbare Kraftstoffe, erneuerbare Brennstoffe herstellen."

    Die Idee dazu hatte Bodo Wolf. Der heute 68-Jährige hat das Unternehmen zusammen mit vier Angestellten gegründet. Alle kamen aus dem DDR-Institut für Kraftwerke. 1990, unmittelbar nach der politischen Wende, ergriff Bodo Wolf die Gelegenheit, sich selbstständig zu machen. Als Mitgift brachte der Verfahrenstechniker seine wissenschaftliche Kompetenz ein.

    "Die Idee, erneuerbare synthetische Kraftstoffe zu machen, resultierte aus den Berechnungsergebnissen meiner Dissertation. Das ist ja ein Begriff, als ich den das erste Mal vorgestellt habe, hat man ja nur gelacht - das war 1990 mit Gründung der Firma. Ich habe das thermodynamische System Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff berechnet und dabei festgestellt, dass die Lehre, dass die Verbrennung irrreversibel ist, also verbrannt ist verbrannt, weg ist weg eigentlich falsch sein müsste. Wenn sie falsch ist, dann müsste ich ja aus den Verbrennungsprodukten CO2 und Wasser wieder Kraftstoff machen können. Dann kam die nächste Frage. Solange wir stillgelegte Flächen haben, kann man doch mit dem Zwischenprodukt Biomasse anfangen. Dafür ist dann diese Carbo-V-Technologie von mir vorgeschlagen worden. "

    Sie ist inzwischen patentiert und die Grundlage für die Herstellung von Synthesegas aus der Biomasse Holz - aus Abfällen von Sägewerken, Altholz wie zum Beispiel Paletten, aus Holzhackschnitzeln. Dieses Gas wird anschließend nach dem bekannten Fischer-Tropsch-Verfahren verflüssigt. Das Ergebnis ist der Kraftstoff Bio to Liquid, auch Sundiesel genannt. 2.001 gelang es den Freibergern das erste Mal, ihn außerhalb eines Labors herzustellen, in einer Alpha-Anlage. Zur Zeit wird die Beta-Anlage hoch gefahren, die Ende des Jahres 13.500 Tonnen Sundiesel liefern soll. Eine Menge, aus der 18 Millionen Liter Diesel gewonnen werden können. Und ein Augenblick, in dem aus einer Idee ein Produkt am Markt geworden ist, ausgestattet mit guten Argumenten. Olaf Schulze zählt sie auf:

    "Erstens, dass man diesen Kraftstoff an den Motor anpassen kann, deswegen heißt es ja auch, es ist ein Designerkraftstoff. Man sagt auch, es ist Kaviar für den Motor. Es kann in Mischung aber auch als Premiumkraftstoff eingesetzt werden. Man muss nicht den Motor an den Kraftstoff, sondern kann den Kraftstoff an den Motor anpassen. Von der CO2-Vermeidung hat er den Vorteil, er kann nur das Kohlendioxyd emittieren, das er vorher aufgenommen hat. Und in der Herstellungskette haben wir ein sehr hohen CO2-Vermeidungspotenzial."
    Vom obersten Stockwerk des neuen dreigeschossigen Firmensitzes ist die neue Industrieanlage zu sehen: die drei runden Silos, in denen die Biomasse gelagert, das viereckige Gebäude, in dem sie getrocknet wird; der hohe Turm, der das Herzstück beherbergt, den Vergaser; das lang gestreckte Verdichtergebäude für das Gas; ein kleines Kraftwerk, dann die Alpha-Anlage, die jetzt von der Beta-Anlage überholt wird. Ein Prozess, der Jahre gedauert hat und mit dem Choren gewachsen ist. Seit 2.005 hat sich die Zahl der Mitarbeiter verdoppelt, 250 stehen zur Zeit in Freiberg auf der Gehaltsliste. Wichtig für eine Stadt mit rund 42.000 Einwohnern, in der die Arbeitslosenquote noch immer zweistellig ist. 100 Millionen Euro sind die Grundlage für dieses Wachstum des Unternehmens. Die Investoren glauben offenbar an den Erfolg dieser neuen Technologie.

    "Die hundert Millionen Investitionen sind überwiegend von unseren Gesellschaftern aufgebracht worden. Natürlich haben wir auch vom Bund und vom Freistaat Sachsen die Investitionsförderung bekommen in der Größenordnung von 20 Prozent."

    Der Großteil der Gesellschafter besteht aus Privatpersonen, in der Minderheit sind Daimler, Shell und Volkswagen beteiligt. Alle hoffen auf Schwarze Zahlen. Die hängen vor allem, aber nicht nur von der Beta-Anlage ab

    "Wenn wir den regulären Produktionsbetrieb und die volle Leistung nachgewiesen haben und mit einer hohen Verfügbarkeit realisieren können. Parallel dazu versuchen wir unsere Patente in Form von Lizenzen zu verkaufen und dort Einnahmen zu kreieren, so dass ich davon ausgehe, dass wir schwarze Zahlen spätestens in den nächsten zwei Jahren schreiben."

    Freiberg in Sachsen ist der Sitz des Unternehmens. Hier wurde die Idee geboren, hier wird sie weiter entwickelt. Von hier aus geht der Blick auch weiter. Niederlassungen in den USA und in China belegen das. Und die Sigma-Anlage. Sie soll ab 2.012 in Schwedt an der Oder 200.000 Liter Sundiesel produzieren. Nicht nur aus Abfallholz. Erste Plantagen mit schnell wachsenden Weiden und Pappeln auf Äckern, die sonst brach lägen, sind schon angelegt. Nach Alpha und Beta nun also Sigma, das viel weiter hinten im griechischen Alphabet folgt?

    "Es heißt, es gibt noch sehr viel Entwicklungspotential nach oben."

    Übrigens auch für Bodo Wolf. Der ist 2.005 mit 65 Jahren als Geschäftsführer ausgeschieden, ist für Choren nur noch als Berater tätig und gründet gerade seine zweite Firma.