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"Kebab Connection"

Vor zwanzig Jahren wurden noch Filme über Immigranten gemacht. Das hat sich im Lauf der letzten Jahre geändert: Jetzt gibt es auch Filme, die von Immigranten gedreht werden - zum Beispiel "Gegen die Wand" von Fatih Akin. Dieser preisgekrönte Streifen ist geradezu repräsentativ für eine ganze Bewegung. Die Kebab-Connection oder: Warum das deutsche Kino durch die türkisch-deutschen Filme jeden Tag besser wird.

Von Josef Schnelle | 17.04.2005
    Den besten Döner gibt’s in Kreuzberg. Der beste türkische Film kommt aus dem Hamburger Schanzenviertel. Es ist zugleich der beste deutsche Film und auch noch der beste europäische Film. Preise über Preise und dann noch der Goldene Bär der Berlinale für "Gegen die Wand". Für die Feuilletons und die politischen Kommentatoren ist "Multikulti" zum allerliebsten Schimpfwort geworden - aber Fatih Akin aus der dritten Generation türkischer Einwanderer ist international der erfolgreichste deutsche Filmemacher des letzten Jahres.

    Eine solche Entwicklung ist nicht ungewöhnlich in Europa: "Kick it like Beckham" - wie Beckham kicken ließ der britische Inder Gurinder Chadha eine Mädchenfußballmannschaft in seinem Erfolgsfilm. Viel Geld in Megaproduktion steckt die staatliche Filmförderungsbehörde. Aber die wichtigsten "Cesars", die französischen Oskars (Regie, bestes Drehbuch, beste Darstellerin und bester Film) räumte vor wenigen Wochen der Film "L'esquive" des marokkanischen Auswanderers Abdellatif Kechiche ab. Eine Liebesgeschichte aus den Banlieues von Paris. Überall in Europa gilt: Die dritte Generation der Einwanderer will sich künstlerisch ausdrücken. Auf allen Ebenen.

    In Deutschland haben türkisch-deutsche Kabarettstars Hochkonjunktur. Letzte Woche startete die erste Dönerbuden-Sitcom "Der König von Kreuzberg". In ein paar Tagen hat "Kebab Connection" Premiere. Fatih Akin schrieb das Drehbuch und wollte daraus seinen ersten Kinofilm machen. Eine Dönerbude, ein Onkel und eine deutsch-türkische Liebesgeschichte. Eigentlich will der Türke nur Filmemacher werden - als Schöpfer des ersten deutschen Kung-Fu-Films, aber dann ist die Freundin schwanger und der Vater sauer.
    Die Komödie "Kebab-Connection" wurde nicht Fatih Akins erstes Filmprojekt. Er drehte "Kurz und Schmerzlos", "Im Juli" und seine Gastarbeitersaga "Solino" bevor er sich mit "Gegen die Wand" wieder ganz dezidiert den zerrissenen Gefühlen der türkischen Arbeitsemigranten in Deutschland zuwandte. Sein Thema: wie ist das so - wenn die Türkei keine Heimat mehr ist und Deutschland keine sein will. Mit der Schwester redet der Held von "Gegen die Wand" doch lieber Englisch. Sein türkisch, findet er, ist nicht mehr gut genug. Ähnlich ergeht es auch der Hauptfigur in "Der König von Kreuzberg", der die Liebesbriefe seine Affären in der Türkei nicht lesen kann. In Deutschland aber mit seinem türkischen Slang zu kämpfen hat. Die Maßstäbe geraten durcheinander. Die dritte Generation der türkischen Einwanderer will leben, ganz anders wie die Väter und Mütter.

    So selbstbewusst wie Fatih Akin hatte die Bühne des deutschen Kinos noch keiner der deutsch-türkischen Filmemacher betreten. Tefik Baser erreichte mit 40 qm Deutschland 1986 schon einen Achtungserfolg. Da ging es um eine türkische Frau die zwar in Deutschland lebt, aber aus ihrer 40 qm Wohnung gar nicht heraus kommt. Und Thomas Arslan, der schon vier Filme ins Kino gebracht hat, wird eher dem strengen Kunstkino der "Berliner Schule" zugerechnet. In einem einzigen Jahr - seit dem großen Erfolg von Fatih Akin - hat sich die Lage grundlegend geändert. Deutsche Filmemacher türkischer Herkunft sind plötzlich auf allen Filmfestival der Welt präsent.

    Ayse Polat gewann mit ihrem Film über eine Freundschaft zwischen einem deutschen und einem deutsch-türkischen Mädchen "En Garde" in Locarno einen der renommiertesten Preise des Festivalzirkus, Nuray Sahin konnte in Mannheim die ganze große internationale Konkurrenz ausstechen. Sie gewann der Preis des Publikums für "Folge der Feder" für die Flucht eines Mädchens vor der Heimat und der Suche nach der Mutter und den Riten einer Neuen Heimat in Berlin. Die Stärke des neuen deutschen Kinos von türkischen Autoren und Autorinnen - es sind etwa 20 - liegt in der Authentizität der Figuren und der Emotionen. Das ist der Stoff aus dem Melodramen und Komödien gestrickt sind. Frauen nicht ausgeschlossen. Buket Alakus hat zusammen mit Ayse Polat mit ihren ersten Kurzfilmen für Furore gesorgt. Jetzt dreht sie für Fatih Akins Produktionsfirma ihren ersten langen Spielfilm.

    Türkisch-Deutsches-Kino und dann auch noch von Frauen maßgeblich gestaltet. Durchaus kein Albtraum - eher eine der Zukunftschancen des deutschen Kinos. Regisseur Fatih Akin versucht erst einmal die Faszination der Musikszene von Istanbul fühlbar zu machen - mit seinem Dokumentarfilm "Crossing the Bridge", der in den nächsten Wochen ins Kino kommen wird. Und wir schauen nicht nur bei diesem Film auf unsere Gesellschaft und merken auf einmal wie durchflochten sie ist von diversen Lebenskonzepten. Eine Szene aus "Gegen die Wand. Sibel hat ihr Leben ausgelebt und mit vielen Männern geschlafen und dann kommt ihr einer viel zu nahe und sie schreit ihn an. Es ist nicht leicht, in einer mulikulturellen Gesellschaft zu leben.