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Keimlinge gegen Frühjahrsmüdigkeit

Dass man gekeimte Samenkörner essen kann und dass sie auch noch lecker schmecken - diese Erkenntnis ist bei uns vergleichsweise neu. Mittlerweile gibt es Sprossengemüse in beinahe jedem Supermarkt. Die kleinen Keimlinge sind ganz groß, was den Nährstoffgehalt betrifft. Beim Wachsen steigt ihr Vitamingehalt - gut gegen Frühjahrsmüdigkeit.

Von Susanne Kuhlmann |
    Große braune Säcke aus dickem Papier stapeln sich im Lagerraum der Firma Frischkeim in Hückeswagen bei Remscheid.

    Also hier haben wir die Alfalfasprossen, das ist die Alfalfasaat. Sind ganz kleine Körnchen. Die werden am häufigsten zum Keimen gebracht. Wir verkaufen davon den größten Teil.

    Friedel Laux ist der Geschäftsführer des Unternehmens. Keimlinge werden aus allen möglichen Samen gezogen.

    Mungbohnen, dann haben wir noch Weizen, Radieschensprossen und Linsen, rote Beete, Sangosprossen, ein ganz breites Sortiment.

    Die Samen quellen in Wasser auf, und das passiert in badewannengroßen Edelstahlgefäßen. Es dauert zwölf bis 24 Stunden, je nach Sorte. Dabei platzt die Schale, und der Samen beginnt zu wachsen. Das klappt am besten bei einer Temperatur zwischen 18 und 22 Grad. Ein schwerer Deckel schützt die Samen vor Bakterien und Schimmelpilzen.

    Ich mache mal den Deckel auf. Hier sehen wir zum Beispiel Radieschensprossen. Die sind über Nacht eingeweicht worden. Dann wird das Wasser abgelassen, und die liegen jetzt in dem Behälter und wachsen still vor sich hin.

    Kichererbsen brauchen dazu drei Tage, Alfalfasprossen vier. Ein- bis zweimal täglich werden sie abgespült. Und zum Schluss wäscht man die fertigen Keimlinge noch mal.

    Das ist das letzte Stadium. Da werden die Alfalfasprossen geerntet. Dabei schwimmen die Hülsen auf und werden abgeschöpft. Dann kommen die Sprossen in Aufbewahrungsbehälter, die wir in den Kühlraum bringen und am nächsten Tag abpacken.

    Die kleinen Keimlinge sind ganz groß, was den Nährstoffgehalt betrifft. Beim Wachsen steigt ihr Vitamingehalt an, und es bilden sich mehr Ballaststoffe. Gabriele Kaufmann ist Ernährungswissenschaftlerin beim aid-Infodienst in Bonn. Sie hält Keimlinge für eine ideale Ergänzung des Speiseplans.

    Vor allem ist das hochwertige Eiweiß zu nennen, was der Körper ganz einfach - ohne große Anstrengung - verwerten kann. Dann sind eine Vielzahl von Vitaminen da: Vitamin C, Folsäure, fast die komplette Gruppe der B-Vitamine. Dann auch Biotin, was wichtig ist für Haut, Haare, Nägel. Niacin ist wichtig - also alles, was man für die Stoffwechselprozesse im Körper braucht.

    Auch Mineralstoffe wie Kalium, Kalzium und Magnesium stecken in Keimlingen - gut für Knochen und Muskeln. Und Zink, das die Abwehrkräfte stärkt, kommt auch vor. Der Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen liegt sogar höher als in den meisten Wintergemüse- und -obstsorten. Und lecker schmecken Keimlinge außerdem.

    Im Getreidebereich werden die als süßlich bezeichnet bis hin zu nussig und mild. Dann gibt es welche, die als scharf und würzig bekannt sind. Das sind Senfsamen, Kressesamen, Radieschen. Alfalfasprossen gelten als sehr nussig. Da ist die Palette recht breit angesiedelt, die man dann im Müsli - da würden sich die süßlicheren Getreidesorten anbieten- oder in Quarkspeisen einsetzen kann. Im Salat kann man je nach Geschmack ruhig die scharf-würzigen einsetzen. Und in warmen Gerichten zum Beispiel die von Hülsenfrüchten.

    Die meisten Keimlinge kann man roh essen. Aber einige müssen auf jeden Fall gegart werden.

    Unbedingt sollten Erbsen, Kichererbsen und Sojabohnen blanchiert oder gegart werden, da diese bestimmte Stoffe enthalten, die zur Verklumpung der roten Blutkörperchen führen können. Durch Hitze werden diese Stoffe zerstört, im Keimvorgang teilweise auch schon abgebaut, so dass sie nicht mehr schädlich sind für den Körper.

    Keimlinge kann man fertig kaufen. Luftdicht verpackt bleiben sie im Kühlschrank ein paar Tage frisch. Sie lassen sich aber auch ganz einfach zu Hause ziehen, erklärt Friedel Laux.

    Die einfachste Methode ist ein Einkochglas, wo ein Tuch drüber gezogen wird. Mit einem Einkochgummi festgemacht. Da kann man die Saat drin einweichen lassen. Wenn man es umdreht, läuft das Wasser raus, und man hat das feuchte Milieu, in dem die Keime zu keimen beginnen.

    Es gibt dafür auch spezielle Behälter aus Kunststoff oder Ton. Wichtig ist, dass gelochte Schalen dabei sind, aus denen das Wasser ablaufen kann. In ein paar Tagen sind die Keimlinge schon fertig: je nach Geschmack süßlich oder auch ein wenig scharf.

    Ich mag sehr gern die etwas würzigeren, wie Senfsprossen oder Radieschensprossen. Und wenn die in einem Salat mit gebratenem Fisch serviert werden, finde ich das eine tolle Geschichte.