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Kein Aufatmen nach Schulschluss

Lästereien via Internet können schnell die Grenze des Erträglichen überschreiten, Schüler und Lehrer sind davon gleichermaßen betroffen. Cyber-Mobbing ist dabei in 80 Prozent der Fälle die Fortsetzung vom Angriff auf dem Schulhof - aber mit einer viel tiefer gehenden Dynamik.

Von Uschi Götz | 28.12.2011
    "Wenn ich Dein Gesicht hätte, würde ich wirklich freiwillig verschleiert rumlaufen."

    Diese, für alle lesbaren Zeilen schrieb ein Schüler seiner Mitschülerin auf Facebook. Er und seine Freunde nennen das "harmlos". Wer sich im World Wide Web bewegt, muss hart im Nehmen sein. Was sich Menschen mithilfe elektronischer Kommunikationsmittel über das Internet, in Chat-Rooms oder per Handy-Kurznachrichten antun, übersteigt bisweilen unsere Vorstellungskraft: Menschen werden diffamiert, vorgeführt, belästigt, bedrängt, genötigt – sogar Mordaufrufe sind zu lesen. Die Leidtragenden sind oft Kinder und Jugendliche. Was Erwachsenen schon nicht leicht fällt, gelingt ihnen oft gar nicht: Sie erkennen nicht die Parallelwelt.

    "Sie hat gesagt: Oh, Du siehst aus wie ein 11-jähriges Mädchen, Du hast voll das Babyface. Oder Du sollst Deine Titten nicht so pushen. Oder trag mal nicht so viel Kissen oder so ... Das wurde richtig persönlich."

    Erzählt ein 15jähriges Mädchen. Um ihre Anonymität zu wahren, nennen wir sie Cara. Sie und ihre Freundinnen wissen seit ein paar Monaten, was Cyber-Mobbing ist: Verhöhnungen, Lästereien via Internet, in ihrem Fall intime Beschimpfungen.

    Cara und ihre Freundinnen sind beim sozialen Netzwerk Facebook angemeldet. Obwohl sie sich täglich in der Schule sehen und sich auch privat treffen, chatten - also kommunizieren - sie ständig im Netz. Die fünf Mädchen sind miteinander verlinkt; jede einzelne wieder mit anderen und die Freundin der einen wird schnell die Freundin aller – ohne, dass die Mädchen sich persönlich je kennengelernt hätten. Auf Caras Seite stehen in einer Liste über 600 Kontakte. Da die Übersicht zu behalten, fällt ihr schwer. Wer gehört noch zu den engsten Vertrauten? Wen kenne ich nur flüchtig oder in Wirklichkeit gar nicht? Die Kontaktaufnahme erfolgt über eine Freundschaftsanfrage:

    "Da war eine Anna Müller im Netz. Und die hat uns einen Freundschaftsantrag gestellt. Allen Leuten aus der Clique. Und wir haben uns alle nichts dabei gedacht, weil Anna Müller ist ein unscheinbarer Name, da denkt man ja nicht so. Ja, da kann ja nichts passieren ... Aber genau das war dann der Fehler, da haben dann alle den Freundschaftsantrag angenommen, und dann ging das halt alles los."

    Sobald eine Freundschaftsanfrage angenommen ist, kann die Person von außen das Profil des Adressaten einsehen. In der Regel finden sich dort Fotos, persönliche Angaben zum familiären Umfeld und oft tagesaktuelle Echtzeitberichte, aus denen hervorgeht, wer gerade was macht.

    Die vermeintliche Freundin Anna Müller stellt zunächst unverdächtige Fragen - wie: Wo kauft ihr Wimperntusche? Was macht ihr im Urlaub? Was habt ihr für eine Klamottengröße? Dann aber werden die Fragen drängender und unverschämter. Es geht um Aussehen, um Kleidergrößen und um intime Details. Cara fragte nach bei Anna Müller:

    "Kennen wir uns, oder so? Und dann sie so: Ja, Du musst mich doch kennen, ich bin doch Deine beste Freundin. Ich so: ja, sicherlich nicht. Dann kam das irgendwann heraus, dass das irgendjemand ist, wo wir nicht kennen."

    Die Mädchen handelten sofort:

    "Wir haben halt immer mehr gemerkt, dass die uns in- und auswendig so langsam kennt. Und das wurde uns dann halt zu gefährlich. Und dann haben wir erst einmal angefangen, alles über Facebook zu sperren, die zu melden. Das ging dann zwar alles schon, aber wir wollten das so nicht auf uns sitzen lassen."

    Bis heute ist nicht geklärt: Ist die vermeintliche Anna Müller ein Mitschüler oder gar ein Pädophiler? Alle Fragen und Kommentare dieser Anna Müller deuten auf ein männliches Wesen hin. Doch wer weiß? Die Mädchen wenden sich von sich aus an die Polizei. Die verspricht, dem Fall nachzugehen. Doch bis heute, Monate später, habe sie nichts von den Beamten gehört.

    Cara hat die erniedrigenden Bemerkungen, die sie über sich im Netz lesen musste, gut weggesteckt - dank eines intakten sozialen Umfeldes. Kinder und Jugendliche, die derartige Beschimpfungen alleine, ohne Hilfe der Eltern oder sonstiger Vertrauenspersonen aushalten müssen, sind in der Regel überfordert. Die Hemmschwelle, im Internet andere auszulachen oder zu verhöhnen, ist gering. In der Anonymität des World Wide Web muss ein Täter seinem Opfer nicht in die Augen blicken – anders als beispielsweise auf dem Schulhof. Zu Opfern werden häufig Jugendliche, die auch im normalen Leben nicht so leicht Kontakte finden.

    "Wir haben eben die Situation, dass junge Menschen, Jugendliche, gerade bei der Nutzung von sozialen Netzwerken, viel schlucken, weil sie denken, ja gut, alles andere wäre uncool. Ich darf mich jetzt noch nicht als Betroffener outen, als jemand, dem das jetzt innerlich wehtut. Und damit entsteht, wie wir das sagen, so ein innerlicher Leidensdruck und dann ist die Frage, wann dieser innere Kessel dann explodiert. Und genau das ist das Problem: Es beginnt niedrigschwellig, mit einer harmlosen Situation. Auf dem Schulhof wird die Grundlage vielleicht gesetzt, ohne Internet. Und würde man auf dem Schulhof bleiben, dann würde sich das im Regelfall regulieren."

    Stefan Middendorf ist Kriminalhauptkommissar. Er ist zuständig für den Bereich Medienkompetenz beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg und gilt als Experte für Cyber-Mobbing und Internetkriminalität. Middendorf berät Eltern und Lehrer. Der Beratungsbedarf ist groß, die rechtlichen Mittel begrenzt:

    "Aus dem polizeilichen Bereich gesehen, haben wir natürlich ein relativ großes Dunkelfeld. Es gibt schlicht diesen Paragrafen "Cyber-Mobbing" nicht. Sondern Cyber-Mobbing subsumiert ja eine Vielzahl von Straftatbeständen. Das fängt an bei einer Beleidigung und kann bei schwerer Bedrohung auch aufhören. Wir haben die exakte, belastbare Statistik darüber noch nicht. Wenn man aber in Schulen geht, mal nachfragt, ob denn schon Leute über das Internet angegangen worden sind, dann findet man doch schon deutliche Zahlen."

    "Fast 90 Prozent der Mädchen legen ihre Schönheit mit einem Feuchttuch ab. Du gehörst dazu, Mädchen. Mit Deinem Make-up machst Du den Nutten auf dem Kiez Konkurrenz."

    Cyber-Mobbing ist in Deutschland kein eigener Straftatbestand. Die Bundesfamilienministerin rät Jugendlichen und Eltern, möglichst schnell die Polizei zu informieren, die die Täter unter Umständen identifizieren und eine Strafverfolgung einleiten kann. Allerdings sind Ermittlungen dadurch erschwert, dass entsprechende Server oft im Ausland angemeldet sind und nicht deutschem Recht unterliegen.

    Doch Betroffene scheuen sich oft davor, den offiziellen Weg zu suchen. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse vom Frühjahr dieses Jahres waren 32 Prozent der befragten Jugendlichen zwischen 14 und 20 Jahren in Deutschland bereits einmal Opfer einer Cyber-Mobbing-Attacke. Jeder fünfte Schüler wurde im Internet, per Videoclip oder SMS lächerlich gemacht, direkt bedroht oder beleidigt. Jeder Sechste litt unter Verleumdungen.

    "Oh, du blödes Arschloch! Schieß dir doch eine Kugel in dein leeres Hirn. Da bleibt nur noch Staub übrig, ich schwör es dir."

    Auszug aus einem scheinbar gewöhnlichen Chat-Dialog zwischen 15-jährigen Schülern. Die Beteiligten kennen sich, gehen auf die gleiche Schule. Ist ihre Wortwahl normal? Ist der Grad der Beleidigung überschritten? Bei welchen Dialogen kann man von Mobbing sprechen? Der Experte des Landeskriminalamtes steht häufig vor der Frage:

    "Wo ist eigentlich die berühmte Schmerzgrenze? Da neigen wir immer dazu, gerade in der Begrifflichkeit Cyber-Mobbing die Schmerzgrenze relativ hoch anzusetzen. Aber vielleicht ist die gar nicht so hoch? Junge Leute posten oftmals Dinge, über die sie sich keine Gedanken machen und die Community reagiert mit Kommentaren. Und diese Kommentare können anfänglich relativ harmlos sein und dann gewinnt das aber so eine Art Dynamik. Das Opfer hat im Moment überhaupt keine Möglichkeit, sich zu wehren. Im Gegenteil: Es muss hilflos zusehen, wie immer mehr auf diesen Zug aufspringen."

    Schülerin Cara hat sich – nachdem sie selbst Mobbing ausgesetzt war - lange mit dem Thema auseinandergesetzt. Zum Opfer wird man zunächst nicht im Internet, sagt die 15jährige:

    "(Das) tut sich schon in der Schule raus schreiben, wer unbeliebt ist und wer nicht. Ja, die Beliebten sind halt so, die jeden Tag ein Bild in Facebook stellen und dann eben 50 "Gefällt mir" oder bekommen. Oder dass man dann halt sagt: Das war ja voll hässlich, was du gestern hochgeladen hast, oder so."

    "Gefällt mir" bei Facebook kann man, will man einen Text oder ein Bild kommentieren, drücken.

    "In achtzig Prozent der Fälle tritt Cyber-Mobbing allerdings nicht isoliert auf, sondern im Netz wird fortgesetzt, was sich auch auf dem Schulhof und in der Klasse abspielt."

    Zitat aus dem Buch "Du Opfer. Wenn Kinder Kinder fertigmachen". Autorinnen sind die Journalistin Gabriela Herpell und Dr. Mechthild Schäfer, Privatdozentin am Department für Psychologie der Ludwigs-Maximilian-Universität in München. Sie gilt als international führende Expertin für das Thema Mobbing. In den letzten Jahren haben besonders Jugendliche ihr Sortiment um das sogenannte Cyber-Mobbing erweitert, sagt Mechthild Schäfer. Das heißt, es wird gemobbt, ohne dass sich Täter und Opfer gegenüberstehen. Die Psychologin nennt das perfide, weil virtuelles Mobbing keinen Mut und keine Auseinandersetzung erfordert:

    "In der Schule, wenn man "nur" real gemobbt wird, sagen wir mal, also physisch, verbal oder ausgegrenzt wird, oder einfach über Gerüchte nur schlecht gemacht wird, da gab es möglicherweise noch die Chance, dass nach der Schule noch so ein Entspannungsraum ist; wie weit der eine Illusion war, das ist immer schwer zu sagen und variiert in jedem Fall auch zwischen den Fällen."

    Im Internet, so die Erkenntnis der Wissenschaftlerin, gibt es in der Regel kein Entkommen mehr. Was da in Form von bösartigen Kommentaren, Fotomontagen oder gestellten Filmchen Jugendliche bisweilen über sich selbst sehen müssen, reiche aus, um junge Seele zu zerstören. Mobbing-Opfer bleiben Verfolgte:

    "Cyber-Mobbing ist eine neue Spielart des gleichen Phänomens, aber es hört nicht auf. Das heißt, wenn man auch selber nicht am Computer sitzt, wenn man selber nicht im Chat-Room ist, weiß man, die anderen kriegen etwas mit. Das heißt, die anderen lachen möglicherweise über einen, schauen sich Videos an, finden es wahnsinnig witzig. Und das geht auch weit über den Rahmen hinaus, wo man die Leute eigentlich noch kennt. Und damit ist es tatsächlich rund um die Uhr. Und die Anonymität, also das Wissen: Das wissen ganz, ganz viele Leute, können diese Information plötzlich kriegen, sehen. Das hat noch ein ganz anderes Bedrohungspotenzial."

    Der Suizid eines 13jährigen Mädchens in Missouri hatte zur Folge, dass der US-Bundesstaat vor einigen Jahren das erste Gesetz gegen Cyber-Mobbing erließ. Nachdem sich ein Student das Leben nahm, folgte jüngst der US-Bundesstaat New Jersey mit einem Gesetz gegen Gewalt und Mobbing an Schulen und Hochschulen. Es gilt als das strengste in den Vereinigten Staaten. Bei der Polizei wurden Stellen geschaffen mit dem Ziel, Cyber-Mobbing aufzudecken und die Täter zu identifizieren. Im Frühjahr dieses Jahres fand im Weißen Haus sogar ein Anti-Mobbing-Gipfel statt. Bei dieser Gelegenheit kündigte Facebook an, in solchen Fällen Streitschlichter einsetzen zu wollen. Wie viele Kinder und Jugendliche sich in Deutschland aufgrund von Mobbing, sei es real oder im Internet, das Leben nehmen ist nicht geklärt. Die Recherchen von Mechthild Schäfer ergaben, dass bei den polizeilichen Ermittlungen nach Selbsttötungen das Thema Mobbing keine Rolle spielt:

    "Uns wurde gesagt, dass bei Kinder- oder Jugendselbstmord, nicht erfasst wird, ob jemand gemobbt worden ist, und auch nicht weiter recherchiert wird, und damit kommt es nicht in unsere Statistiken. In England ist es zum Beispiel anders."

    In Großbritannien gab es bereits erste Urteile gegen Täter im Internet. So wurde vor wenigen Jahren eine 18-Jährige zu einer mehrmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, nachdem sie eine frühere Mitschülerin über ein soziales Netzwerk mit dem Tod bedroht hatte. Allerdings setzt gerade Großbritannien auf sogenannte Peer-Support-Systeme. Experten vermitteln – oft mit Unterstützung von Jugendlichen - in Mobbingfällen zwischen vermeintlichen Tätern und Opfern. In Deutschland entwickelte eine, beim Bundesfamilienministerium angesiedelte Arbeitsgruppe "Dialog Internet" ein Jahr lang Maßnahmen gegen Cyber-Mobbing. Mitte Dezember stellte die zuständige Ministerin Kristina Schröder (CDU) Ergebnisse vor.

    "Es ist einfach eine andere Qualität, ob früher mal ein dummer Spruch auf der Schultoilette stand oder ob jetzt im Internet üble Hetze betrieben wird, falsche Tatsache, oft auch mit sexuellem Inhalt verbreitet werden. Man kann sich ja vorstellen, was das bei einem 14- oder 15-jährigen Mädchen anrichtet. Wichtig ist, dass Internet-Mobbing Thema wird, dass in den Schulen darüber gesprochen wird. Man kann so was vielleicht in Rollenspielen sich rein versetzen, was das für das Opfer von Mobbing bedeutet. Denn oft ist das ja eine Art Herdentrieb, der dazu führt. Und der auch dazu führt, dass viele, die mitmachen, gar nicht so genau darüber nachdenken, was sie da eigentlich anrichten. Wenn sie da das Gefühl bekommen, was das für das Opfer bedeutet, dann werden es viele auch sein lassen."

    Sie plant unter anderem ein Internet-Kinderschutzzentrum, um Opfern von Cyber-Mobbing die Hilfe zukommen zu lassen, die sie brauchen. Als erster Schritt sei – ähnlich wie in Großbritannien - ein zentraler Notruf-Button geplant, über den Kinder und Jugendliche einfach und schnell Hilfe und Beratung erhalten können. Die Wissenschaftlerin Mechthild Schäfer:

    "Jedem Kind, das gemobbt wird, ist die allerwichtigste Message: Du bist nicht schuld! Du hast ganz einfach Pech gehabt. Falscher Ort, falsche Zeit."

    Sprecht mit Erwachsenen! Das rät sie betroffenen Kindern und Jugendlichen immer:

    "Das Problem ist, wenn Kinder mit Lehrern oder Eltern darüber reden, es kann ihnen niemand garantieren, dass die Situation besser wird. Darüber muss man zumindest, finde ich, Offenheit herstellen. Auf der anderen Seite, wenn man nichts sagt, dann ist sicher, dass es schlimmer wird. Weil das ist wirklich die Dynamik von Mobbing, es wird immer ein bisschen mehr gesteigert, weil es geht um Status für die Täter, es geht um Anerkennung und um Dominanz und da muss man halt immer noch einen Schritt zulegen. Das heißt, nichts sagen, ist auf jeden Fall die schlechteste Alternative."

    Nicht nur Schüler, auch Lehrer sind von Cyber-Mobbing betroffen. Da wird eine Deutsch- und Geschichtslehrerin auf einer Fotomontage im Internet oben ohne gezeigt. "Zum Abschuss frei", ist darunter zu lesen. Manchen Lehrer zwingt die öffentliche Demontage im Internet in die Berufsunfähigkeit. Heinz-Peter Meidinger, Bundesvorsitzender des Philologenverbands, spricht von einem immer größer werdenden Problem. Seine Kollegen an allen weiterführenden Schulen seien mittlerweile davon betroffen:

    "Die Palette ist äußert umfangreich. Das reicht von, ich sag mal in Anführungszeichen, "harmlosen Beleidigungen" in Chat-Rooms und in den entsprechenden Social Communities, bis hin zu Dingen, wo beispielsweise Hinrichtungsvideos auftauchen, in die Lehrer eingefügt werden. Oder dass beispielsweise auch Lehrkräfte in Single-Börsen angeboten werden mit den entsprechenden privaten Telefonnummern. Und dann natürlich enorme Probleme haben."

    Was müssen sich Lehrer gefallen lassen? Der Bundesgerichtshof urteilte Mitte 2009, dass eine Art Zeugnis im Lehrerbewertungsportal spickmich.de zulässig ist. Geklagt hatte eine Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen. Im Portal können Schüler ihren Lehrern Noten geben. Die Kriterien reichen von fachlicher Kompetenz bis zu der Kategorie Bekleidung. Auch Schulen werden benotet.

    Heinz-Peter Meidinger: "Es reichen ja schon fünf, sechs Schüler aus, um hier eine Bewertung unterzubringen, dann im Internet stehen und dann doch suggerieren, dass hier über einen Kollegen, eine Kollegin ein repräsentatives Urteil gefällt wurde. Oft stecken dahinter der Frust über vielleicht eine schlechte Note in einer Klasse. Und dass das dann deutschlandweit sozusagen im Internet steht, halten wir für einen schweren Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte von Lehrkräften."

    Mehr als ein Viertel aller Lehrer in Deutschland hat bereits Erfahrungen mit Cyber-Mobbing gemacht. Tendenz steigend. Dies geht aus einer aktuellen Studie des Software-Unternehmens Norton hervor. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Studie in Großbritannien. Die Forderung der Lehrerverbände nach besserem Schutz der Pädagogen ist durchaus berechtigt. Die zuständigen Kultusministerien in den Bundesländern kennen die Klagen. Viel getan hat sich nicht: In der Regel bekommen die Lehrer Empfehlungen, wie sie sich im Falle von Cyber-Mobbing zu verhalten haben. Etwa der Tipp, das Problem direkt in den Klassen anzusprechen. Eine echte Hilfe ist das nicht, sagt Heinz-Peter Meidinger vom Philologenverband. Der Bundesvorsitzende will, dass das Thema Cyber-Mobbing von Lehrern öffentlich diskutiert wird.

    "Wenn Gerichte in mehreren Instanzen zu dem Schluss kommen, dass solche Internetplattformen nicht gegen Persönlichkeitsrechte verstoßen, dann stimmt auch etwas in der gesetzlichen Grundlage nicht."

    Jugendliche, Lehrer, Anwälte, Ärzte, Politiker - treffen kann der Rufmord im Internet jeden. Manche bestehen die bösartigen Einträge unbeschadet, andere kostet es die Existenz.

    Zurück zu Cara. Die 15-Jährige und ihre Freundinnen haben rechtzeitig die Notbremse gezogen: Die Schülerinnen haben den Mobbing-Täter gestoppt, ihre Adressen im Internet gesperrt und sind, wenn auch ohne Erfolg, zur Polizei gegangen. Letztendlich halfen ihnen ihr Selbstbewusstsein und die Tatsache, dass sie den Angriffen nicht alleine ausgesetzt waren:

    "Ich meine, wir sind sechs Personen und wir sind relativ stark in der Persönlichkeit und das haben wir uns halt irgendwann nicht mehr gefallen lassen."

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