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Kein Basta, keine Denkverbote

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble steht im Fokus. Der Terrorismus wird zwar allgemein als die Hauptbedrohung für die innere Sicherheit angesehen, doch über die Bekämpfungsmaßnahmen herrscht Uneinigkeit. Insbesondere der sozialdemokratische Koalitionspartner scheint ein mögliches Wahlkampfthema gefunden zu haben.

Von Sabine Adler | 19.07.2007
    Zur schönsten Sommers- und kurz vor dem Ende der ersten Halbzeit dieser Legislaturperiode, wo die Koalition durchaus mit Stolz Bilanz ziehen könnte, auf den Aufschwung verweisen, auf die gestiegene Beschäftigung, eine erfolgreiche EU- und G8-Präsidentschaft, ausgerechnet, wo sie sich in eitel Sonnenschein baden könnte, beharken sich Union und SPD, als seien sie nicht zusammen in der Regierung, sondern füreinander politische Opposition.

    Die üblichen Zankereien, die sonst nach wenigen Tagen abebben, schaukelten sich zu einem Streit hoch, der noch immer anhält. Im Zentrum befindet sich Wolfgang Schäuble, der Bundesinnenminister, dessen lautes Nachdenken das Nachrichtenmagazin "Spiegel" in seiner vorletzten Ausgabe veröffentlichte.

    Schäuble: "Man könnte [...] einen Straftatbestand der Verschwörung einführen, wie in Amerika. Die andere Frage ist aber: Kann man solche Gefährder behandeln wie Kombattanten und internieren? Wir müssen klären [...], ob unser Rechtsstaat ausreicht, um den neuen Bedrohungen zu begegnen.Man könnte bestimmte Auflagen für jemanden erlassen, den man nicht abschieben kann, etwa ein Kommunikationsverbot im Internet oder mit dem Handy. Die rechtlichen Probleme reichen bis hin zu Extremfällen wie dem sogenannten Targeted Killing."

    Anders als Ex-Kanzler Gerhard Schröder mit seiner Basta-Politik sprach Bundeskanzlerin Merkel kein Machtwort.

    "Für mich ist klar, dass ein Minister, der sich mit den Bedrohungen zu befassen hat, das gilt im übrigen für beide Verfassungsministerien, für den Innenminister in diesem Zusammenhang in ganz besonderer Weise, dass dieser Minister über die neuen Bedrohungen nachdenken muss. Und ich bin eine Kanzlerin, die keine Denkverbote austeilt."

    So ähnlich äußerte sich die Kanzlerin bereits vor zwei Wochen. Dass sie sich hinter Schäuble stellte, heizte die Debatte allerdings nur noch weiter an. Der Koalitionspartner, hier in Gestalt von SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, empörte sich:

    "Otto Schily und die SPD haben nach dem 11. September 2001 Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger gewährleistet. Herr Schäuble verbreitet im Moment durch seine wilden Vorschläge eher Angst."

    Für Reinhard Grindel, der für die Union im Innenausschuss des Bundestages sitzt, entspringt die Aufregung um die umstrittenen Schäuble-Äußerungen hauptsächlich dem Neid des Koalitionspartners SPD.

    "Wolfgang Schäuble gehört zu den beliebtesten Ministern und denjenigen, die den höchsten Kompetenzvorsprung in diesem Themenbereich haben. Innere Sicherheit ist klassisch ein Kern-Kompetenzfeld der Union, wo wir bis weit in die Wählerschaft aus der SPD Zustimmung haben. Ich verstehe das als ganz normalen politischen Wettbewerb unter Koalitionspartnern. Wir haben ja nicht vor zu fusionieren, sondern wir bleiben zwei eigenständige Parteien."

    Der Unionsminister hat die Wähler durch den Streit stark verunsichert. 54 Prozent sind derzeit überzeugt davon, dass Schäuble einen Überwachungsstaat gründen möchte, 55 Prozent halten ihn zwar für kompetent, aber nur 40 Prozent glauben, dass Schäuble ein ehrlicher Politiker ist. Sympathisch, und da irrt der Unionsabgeordnete Grindel, sympathisch finden Schäuble nur 30 Prozent der Befragten. Auch wenn das aktuelle Meinungsbild vom Umfrageinstitut forsa stammt, das in SPD-Kreisen alles andere als beliebt ist, dürften diese Zahlen dem SPD-Innenexperten Klaus Uwe Benneter vermutlich aus dem Herzen sprechen.

    "Frau Merkel muss schon aufpassen, was der Schäuble da treibt. Sie müssen sehen, Schäuble kann ja nichts anderes als Bundestag. Der sitzt seit 35 Jahren im Deutschen Bundestag und der kennt natürlich alle Mittel und Wege, wie man da eben immer provozieren kann, wie man für Unruhe sorgen kann. Er tut dann immer so, als sei er nur ein Fragender, aber ich denke, ein Bundesinnenminister, der für unsere Sicherheit zuständig ist, kann sich nicht mit solchen Fragen an die Öffentlichkeit begeben. Er spielt da ja eine Sonderrolle im ganzen Bundeskabinett. Er denkt, er braucht sich da nicht an bestimmte Linien zu halten. Ich gehe davon aus, dass Frau Merkel irgendwann ihm da auch mal dann zumindest die Gelbe Karte zeigen wird."

    Anders als Ex-Kanzler Schröder, der sich bis zur ersten Halbzeit seiner ersten Amtszeit von sechs Ministern getrennt hatte, präsentiert sich Merkels Regierung vollständig wie am ersten Tag. Forsa-Chef Manfred Güllner gibt Benneter, der als ehemaliger SPD-Generalsekretär auszuteilen weiß, in puncto Schäuble Recht.

    "Herr Schäuble macht es, glaube ich, ganz geschickt, dass er immer so ein bisschen noch mehr fordert, damit diesem Bauchgefühl nachgibt und dann ein bisschen zurückrudert, wenn er korrigiert wird. Aber es bleibt noch genug von seinen Forderungen übrig, die akzeptiert werden. Und insgesamt schafft er sich damit ein Profil als Innenminister, denn dass er mal Innenminister unter Kohl war, wissen ja die wenigsten und dass er zwischendurch mal ein etwas unglücklich agierender CDU-Vorsitzender war - nun hat er, glaube ich, wieder ein klares Profil gefunden, was er mit solchen Forderungen schärft, auch wenn die SPD dann auf ihn eindrischt."

    Die Prügel kam von mehreren Seiten. Ganz unerwartet am vergangenen Wochenende vom höchsten Mann im Staate, dem Bundespräsidenten Horst Köhler. Der will nach eigenem Bekunden ein unbequemer Präsident sein, was er bei den verweigerten Unterschriften unter das Luftsicherungsgesetz und das Verbraucherinformationsgesetz in zwei konkreten Fällen schon unter Beweis stellte. Im Sommer 2005 war es die SPD, die mit dem seit einem Jahr im Amt Befindlichen stark haderte. Köhler war zwar auf Schröders Wunsch, vorfristige Neuwahlen anzusetzen, eingegangen, jedoch sahen viele Genossen in der Begründung Köhlers eine offene Parteinahme für die Union. Sticheleien gegen den ehemaligen Chef des Internationalen Währungsfonds, der nie zuvor ein politisches Amt innehatte, wurden laut. Sparkassendirektor nannte ihn so manch Kritiker. Horst Köhler focht das nicht an. Ebenso wenig hielten ihn die versteckten Mahnungen, als Bundespräsident habe er Distanz zur Tagespolitik zu wahren, davon ab, sich einzumischen. Dieses Mal schmollt die Union, denn dass ein Bundespräsident einen Minister rügt, das gab es noch nie.

    Köhler: "Also, ich glaube erst einmal, dass Wolfgang Schäuble die Aufgabe hat als Innenminister, sich den Kopf zu zerbrechen. Man kann darüber nachdenken, ob die Art, wie die Vorschläge kommen, vor allen Dingen in einer Stakkato immer wieder neue Dinge, ob das so optimal ist. Wie sollen das die Leute verkraften? Und ich selber habe meine Zweifel, ob man so zum Beispiel Dinge, wie die Tötung eines vermutlichen Terroristen, ohne Gerichtsurteil, ob man das so von der leichten Hand machen kann. Ich habe persönlich meine Zweifel."

    Der schwer Gescholtene übte sich zunächst in Demut und gab sich zerknirscht angesichts der Köhler-Kritik.

    Schäuble: "Jede Äußerung des Bundespräsidenten macht nachdenklich."

    Das Fernsehpublikum wurde Zeuge, wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zurückruderte.

    "Ich glaube, dass wir jetzt keinen Bedarf an weiteren irreführenden Diskussionsbeiträgen haben. Ich habe ja darauf hingewiesen, dass die internationale Rechtslage der neuen Bedrohung nicht mehr wirklich angemessen ist, und ich habe das vielleicht missverständlich am Falle der Operation, die ja die Vereinten Nationen, der Weltsicherheitsrat nach dem 11. September beschlossen hat gegen Al Kaida, dargelegt. Dass auch in einem solchen Verteidigungsfall, wie er ja gegeben ist, die NATO hat ja auch den Bündnisfall erklärt, dann dennoch die Frage des Kombattanten-Status sich stellt, und daraus ist ein bisschen das Missverständnis entstanden, als wolle irgendjemand eine gesetzliche Regelung zum Abschuss von Terrorverdächtigen. Das will niemand. Ich schon gar nicht."

    Reinhard Grindel, Bundestagsabgeordneter und Innenexperte der CDU, ist anzumerken, dass er das Machtwort des Bundespräsidenten nur schwer verschmerzen kann. Er verteidigt seinen Minister so gut er kann.

    "Der Bundespräsident hat dem Bundesinnenminister ja zugebilligt, dass er angesichts neuer Herausforderungen in der inneren Sicherheit auch neue Antworten finden muss. Ich hätte mir gewünscht, wenn er nicht unbedingt den doch von den Sozialdemokraten ins politische Feld geführten Begriff des Stakkato von Vorschlägen nicht verwandt hätte, denn es ist nicht richtig, sondern es sind mehrere Themen, die jetzt im Gesetzgebungsprozess zu behandeln sind, zu denen hat sich der Bundesinnenminister geäußert, und insofern sind das Fragestellungen, die wir seit Monaten diskutieren, so dass von einem Vorschlagsstakkato nicht gesprochen werden kann."

    Köhlers Mut zur Meinung trägt ihm bei der Bevölkerung Sympathien ein, bei den Politikern allerdings nur dann, wenn der jeweilige Gegner gescholten wird. Der Respekt vor dem Amt zwingt die Beteiligten zur Zurückhaltung. Hinter dieser Floskel versteckte sich auch die Kanzlerin, als sie um einen Kommentar zu Köhlers Schelte gebeten wurde. Auch im Willy-Brandt-Haus ließ sich niemand zu offener Freude hinreißen, zu verhaltener schon. SPD-Generalsekretär Heil am Montag in der Berliner Parteizentrale:

    "Wir sind der festen Überzeugung, dass die klaren Worte des Bundespräsidenten hilfreich waren, die Debatte jetzt zu versachlichen. Man hätte sich auch von anderer hervorgehobener Stelle solche klaren Worte gewünscht und offensichtlich scheint es so, dass Herr Schäuble versucht da einzuschwenken, zumal auch der Widerstand mittlerweile aus seiner eigenen Partei kommt, was seine überzogenen Forderungen betrifft."

    Der Fauxpas Wolfgang Schäubles, als solcher erst richtig wahrgenommen durch die Kritik des Bundespräsidenten, kam der SPD wie gerufen. Anders als die Union, die sich nach sieben Jahren Rot-Grün freut, wieder in der Regierung zu sein, wenn sie sie auch mit der SPD teilen muss, schieben die Genossen Frust. In den Umfragen schneiden sie mit zehn oder sogar noch mehr Prozent Unterschied zur CDU/CSU ungleich schlechter ab und gelten bislang als die Verlierer der großen Koalition. Viele SPD-Wähler hatten trotz ihrer Enttäuschung über Ex-Kanzler Schröder den Genossen ihre Stimme gegeben, gegen Merkel samt Mehrwertsteuer. Doch statt die zwei M – Merkel plus Mehrwertsteuer - zu verhindern, bekamen sie ein drittes dazu: Müntefering und die Rente mit 67. Für Manfred Güllner von forsa begann die Enttäuschung der Genossen nicht vor Wochen, sondern mit dem Antritt der schwarz-roten Regierung:

    "Hier haben wir sehr früh große Unzufriedenheiten unter der Anhängerschaft der SPD gehabt mit dieser Koalition. Und das hat sich bis heute nicht geändert, d.h. wir haben, anders als bei der Union, wo jetzt nur sehr wenige sagen der Wähler von 2005, ich würde sie heute nicht mehr wählen. Bei der SPD haben wir fast die Hälfte der Wähler von 2005, die heute sagen: Nein, ich würde heute zögern, die wieder zu wählen. Das erklärt den großen Unterschied in der Zustimmung zur Union auf der einen Seite und der SPD auf der anderen Seite."

    In der ersten Etage der Berliner Forsa-Zentrale befindet sich der Telefonsaal. 165 Interviewer mit Headsets, also Kopfhörern mit angebautem Mikrofon, sitzen vor Computern. Mit gedämpften Stimmen lesen sie den zufällig ausgewählten Angerufenen von den veralteten Bildschirmen die normierten Fragen ab und tippen die Antworten ein.

    "Wenn Sie den Bundeskanzler direkt wählen könnten: Wen würden Sie wählen? Angela Merkel oder Kurt Beck?"

    Die sogenannte Kanzlerfrage ist in dieser Woche ein Schlag ins Gesicht der Sozialdemokraten. 55 Prozent würden Angela Merkel wählen, nur 14 Kurt Beck. Auch Manfred Güllner von forsa kann sich an eine derart geringe Unterstützung für einen potentiellen SPD-Kandidaten nicht erinnern.

    "Als Kurt Beck Parteivorsitzender wurde, da war dem letzten Menschen klar geworden, wie dünn die Personaldecke der SPD ist und dass sie niemanden mehr hat, nachdem die SPD ja Schröder quasi gemeuchelt hat. Die Hoffnung aber an Beck war zunächst sehr hoch. Ein Jahr später ist tiefer Frust eingetreten, insbesondere bei Anhängern der SPD und auch bei den Mitgliedern. Die Mitglieder sagen, das ist kein guter Parteivorsitzender, er kann die SPD nicht aus dem Tief herausführen. Die Wahlchancen der SPD sind jetzt noch schlechter als 2005 - also tiefe Hoffungslosigkeit, die eingetreten ist. Selbst Scharping, der ja nun extrem unbeliebt auch war, hatte größeren Rückhalt bei den eigenen Anhängern als Kurt Beck heute."

    Die vierte Woche in Folge kommt die Partei Willy Brandts unter ihrem jetzigen Vorsitzenden nicht über 24 % hinaus. Bei anderen Meinungsforschungsinstituten ist der Abstand zum christlichen Koalitionspartner ebenso signifikant, wenn auch die Zahlen für die SPD woanders nicht ganz so niedrig ausfallen. Die Sozialdemokraten nehmen es forsa-Chef Manfred Güllner fast persönlich übel, dass immer aus seinem Institut die schlechtesten Zahlen für die Genossen kommen. In der Klage schwingt der Vorwurf der Vorsätzlichkeit mit. Nicht nachvollziehbar für den forsa-Mann:

    "Das kann ja keine Absicht sein, wir referieren ja nur das, was die Menschen uns sagen, und wir können Fehler machen, das haben wir gesehen bei der Bundestagswahl, als wir die CDU überschätzt hatten, die SPD allerdings richtig eingeschätzt hatten, aber wir erfinden ja keine Zahlen und können nicht irgendwo Leute ärgern, selbst wenn wir sie ärgern wollten, und es gibt für mich ja keinen Grund, irgendeine der Parteien zu ärgern."

    Sozialdemokrat Benneter hält die gegenwärtig schlechten Werte für eine vorübergehende Schwäche. Die Kanzlerin habe ein gutes halbes Jahr gehabt, für die SPD sei nicht viel abgefallen. Nun besteht Hoffnung, dass die Sozialdemokraten von Schäubles Patzer profitieren, wenngleich man nach außen betroffen tut. Das Koalitionsklima würde leiden. Rührig wurde über die Motive Wolfgang Schäubles spekuliert. Als Behinderter im Rollstuhl, so wird psychologisiert, sei er besonders empfindlich, wenn Zeichen der Schwäche - wo auch immer - erkennbar würden. Schäuble soll auf diese Vermutung empfindlich reagiert haben. Er selbst nennt einen ganz anderen Beweggrund:

    "Ich will ja gerade, dass das, was durch die Verfassung möglich ist, gesetzlich eindeutig geregelt wird, und ich will gerade nicht in verfassungsrechtlichen Grauzonen handeln. Ich möchte, dass wir klare Rechtsgrundlagen haben. Das sind wir im übrigen denjenigen vor allen Dingen schuldig, die die schwere Verantwortung tragen, bei der Polizei und bei den Sicherheitsbehörden."

    In den SPD- wie Oppositionsreihen glauben Abgeordnete, dass Schäuble vom Wunsch getrieben ist, eine Amerikanisierung der Sicherheitspolitik zu erreichen. Seine Antworten in dem Spiegelinterview und sein enges Vertrauensverhältnis zu US-Heimatschutzminister Chertoff nähren die Vermutung. Schäubles Parteifreund Grindel bezweifelt sie jedoch. Dass er sich im Falle eines schlimmen Falles selbst absichern wolle, weist Schäuble erbost zurück. Er kämpfe für Sicherheit und ein klares gesetzliches Instrumentarium angesichts neuer Bedrohungslagen. Angela Merkel pflichtete ihm bei:

    "Mir ist es wichtig und richtig, dass neue Bedrohungen in den Blick genommen werden. Das heißt nicht, dass daraus automatisch sofort gesetzgeberisches und Regierungshandeln gefordert wird, aber nach meiner festen Überzeugung haben wir es mit qualitativ neuen Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus zu tun, und darüber muss nachgedacht und zur Not kontrovers diskutiert werden. Wo es zu spezifischen Missverständnissen gekommen ist, hat der Bundesinnenminister selbst gesagt, was er will und was er nicht will."

    Dass bei der Terrorprävention mehr Vorkehrungen als bisher getroffen werden können, sehen die Koalitionäre von Union und SPD gleichermaßen. Das Bundeskriminalamt soll dafür mit neuen Befugnissen ausgestattet werden, die das sogenannte BKA-Gesetz regelt. Seit Monaten schwelt der Streit, ob das BKA-Gesetz schon Regelungen zur Online-Durchsuchung von Computern enthalten soll oder nicht. Statt den Konflikt zu lösen, fachten Schäubles Vorschläge das Feuer nur neu an. Versucht man den Theaterdonner zu überhören, bleiben zwei unversöhnliche Standpunkte übrig: Die SPD will das BKA-Gesetz zunächst ohne eine Online-Regelung, die Union möchte nach eigenem Bekunden Nägel mit Köpfen machen und die ihrer Meinung nach notwendige Überwachungsmethode miteinbeziehen. Unions-Innenexperte Grindel erklärt, warum seine Partei sich nicht mit dem zunächst Machbaren begnügen möchte.

    "Wir sollten uns nicht rumdrücken. Wenn wir gemeinsam, und davon gehe ich aus, das als ein wirksames Mittel erkennen, um terroristische Straftaten zu verhindern, und wir wissen, dass mittlerweile das Internet der entscheidende Kommunikationsraum ist, über den doch vieles vorbereitet und ausgetauscht wird, denken Sie nur etwa an die Kofferbomben-Attentäter, die die Handlungsanleitungen aus dem Internet bezogen haben, dann sollte man das auch jetzt, auch im Rahmen des BKA-Gesetzes, lösen. Die Leute erwarten nicht, dass wir Probleme beschreiben oder uns nur über Probleme streiten, sondern dass wir Probleme lösen."

    Für Klaus Uwe Benneter, der mit Grindel über diese Frage auch schon im Innenausschuss gestritten hat, geht die Auseinandersetzung um das BKA-Gesetz über die alltäglichen Koalitionsquerelen hinaus. Wie Wolfgang Schäuble haben auch schon SPD-Spitzenpolitiker das Koalitionsklima gehörig verpestet. Zuletzt SPD-Fraktionschef Peter Struck, der - wenig zimperlich - Schäuble als Amokläufer bezeichnete. Zuvor hatte Vizekanzler Müntefering über den Koalitionspartner gewettert, mit dem man sich beim Mindestlohn nicht einmal auf eine Definition einigen könne. Klaus Uwe Benneter:

    "Das ist nicht vergleichbar, das Vorgehen in Sachen Mindestlohn und das Vorgehen hier von Schäuble. Was Schäuble macht, der legt hier einen BKA-Gesetz-Entwurf auf den Tisch und sagt: Friss, Vogel, oder stirb! - obwohl er genau weiß, dass wir da nicht mitmachen werden."

    Die SPD will die Karlsruher Verfassungsgerichtsentscheidung zur Online-Durchsuchung von Computern in Nordrhein-Westfalen abwarten, mit der bis spätestens Anfang 2008 gerechnet wird. Die Kanzlerin ist, wie der von ihr gestärkte Bundesinnenminister, der Auffassung, dass das BKA-Gesetz die Online-Regelung enthalten sollte und wartet nun bis zum Herbst auf Vorschläge der beiden Verfassungsminister Schäuble und Justizministerin Brigitte Zypries. Damit dürfte sich der Streit darüber auch während der parlamentarischen Sommerpause fortsetzen. Dass das Regierungsbündnis darüber zerbricht, die Genossen entnervt aussteigen, nimmt niemand ernsthaft an, auch nicht der Verdener Unionsabgeordnete Grindel.

    "Die Koalition hält bis 2009, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass derjenige, der die Koalition verlassen würde, erhebliche Probleme beim Wähler hat, weil der Wähler will, dass wir unsere Arbeit machen. Und gerade beim Thema innere Sicherheit ist noch viel Arbeit zu tun – das ist im Bewusstsein der Menschen, und deswegen sind wir fast schon zum Erfolg verdammt in der Frage."