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Kein Bedarf für Kohlendioxid

Biologie. - Der steigende Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre sollte für Pflanzen paradiesische Zeiten bedeuten, schließlich brauchen sie das Treibhausgas für die Nährstoffproduktion mittels Photosynthese. Versuche an der Universität Basel zeigen jedoch, dass auch bei einem besseren CO2-Angebot die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Auf der 4. Internationalen Konferenz zur Baumkronenforschung in Leipzig stellten die Forscher ihre Ergebnisse vor.

    Seit Beginn des Industriezeitalters steigt der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre. Waren es zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch 270 Teilchen in einer Million, so sind es inzwischen 370 und für das Jahr 2080 werden 540 Teilchen pro Million erwartet. Beim Klima erwarten die Experten einen Anstieg der globalen Mitteltemperatur von vermutlich mehreren Grad Celsius. Doch der wachsende CO2-Anteil könnte auch sein Gutes haben. Schließlich ist Kohlendioxid zusammen mit Wasser der Baustein der Nährstoffe, die Pflanzen mit Hilfe der Photosynthese zusammenbauen und damit das Fundament eines großen Teils des Lebens auf dieser Erde. Für die Pflanzen könnten sich daher, so eine Hypothese, die Lebensbedingungen verbessern. Ein Experiment mit Rotbuchen, Eichen und Hainbuchen an der Universität Basel hat diese Vermutung jedoch nicht bestätigen können.

    Die Wissenschaftler hatten Bäume aus einem Wald nahe Basel mit einem feinen Netz aus Plastikschläuchen versehen, das noch in die feinsten Astgabeln reichte. Aus den Schläuchen strömte unablässig Kohlendioxid, das sich mit der Umgebungsluft vermischte und einen CO2-Spiegel simulierte, wie er in etwa 80 Jahren herrschen wird. Professor Christian Körner vom Botanischen Institut der Universität Basel: "Wir haben das jetzt vier Jahre, vier Sommer lang gemacht. Tatsächlich haben sich die Rotbuchen im ersten Jahr einen kräftigen Schluck, möchte man sagen, von dem Gas genommen und sind deutlich mehr gewachsen." Die beiden anderen Baumarten zeigten gar keine Reaktion auf das Mehrangebot und im zweiten Jahr normalisierte sich die Reaktion der Rotbuchen ebenfalls wieder. Körner: "Nach vier Jahren ist der Effekt bei allen Bäumen Null."

    Ein solches Resultat hatte man nicht erwartet. Offenbar reicht allein ein Plus an CO2 nicht aus, um das Wachstum zu forcieren, auch die übrigen Nährstoffe müssen entsprechend mehr angeboten werden, wenn es zu einem Wachstumsschub kommen soll. Allerdings verändert das gestiegene CO2-Angebot den Wasserhaushalt der Buchen. Die Poren auf den Blättern öffnen sich weiter und die Pflanzen ziehen weniger Wasser über die Wurzeln aus dem Boden. Im Falle heftiger Regenfälle, wie sie durch den Klimawandel häufiger werden sollen, kann dieser dann weniger Wasser aufnehmen. Dafür überstehen die Buchen die ebenfalls vorausgesagten Dürreperioden besser, stellten die Basler im Hitzesommer 2003 fest. Allerdings ändert sich auch die Qualität der Blätter. Die Pflanzen bauen mehr Kohlenhydrate und etwas weniger Eiweiss ein. Für die Tiere hat das Konsequenzen. Sie müssen entweder mehr von dem schlechteren Futter fressen, um auf ihre Rechnung zu kommen, oder sie leiden unter dem Futter und entwickeln sich nicht. Und tatsächlich ist es so rausgekommen, dass einer der wichtigsten Forstschädlinge, der Schwammspinner, auf diese CO2-Begasung reagiert. Auf der Hainbuche entwickelte er sich prächtiger als gewohnt, auf Rotbuche und Eiche hingegen vegetiert er vor sich hin. Warum das so ist, darüber rätseln die Forscher noch. Eins jedoch scheint klar. Mit der Ernährungsumstellung ändert der Mensch auch die Nahrungskette, die auf den Pflanzen aufbaut.

    [Quelle: Hartmut Schade]