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Kein Einsatz zwischen den Fronten

Für den außenpolitischen Sprecher der Grünen Jürgen Trittin ist noch nicht klar, ob seine Fraktion dem Libanon-Einsatz der Bundeswehr mehrheitlich zustimmen wird. Trittin sagte, eine Konfrontation mit israelischen Soldaten müsse ausgeschlossen werden, man solle sich auf die Kontrolle der Küsten konzentrieren.

Moderation: Doris Simon |
    Doris Simon: Falls die deutschen Marinesoldaten für den Libanoneinsatz ihre Seesäcke ausgepackt haben, dann können sie jetzt allmählich wieder einpacken, denn es wird ernst. Heute beschließt das Bundeskabinett über die Beteiligung der Bundeswehr an der UNIFIL-Mission. Aus Koalitionskreisen heißt es, die Bundesmarine könne ohne Einschränkung vor der libanesischen Küste operieren, also auch nahe der Küste und das Mandat sei robust, das heißt, deutsche Soldaten dürfen bei Verdacht auch Schiffe stoppen und an Bord gehen. Jürgen Trittin ist der außenpolitische Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion und jetzt am Telefon. Ich grüße Sie!

    Jürgen Trittin: Guten Morgen!

    Simon: Herr Trittin, wird Ihre Fraktion die Entsendung unterstützen, wenn das Mandat wirklich so aussieht?

    Trittin: Die Fraktion Bündnis 90 die Grünen ist der Auffassung, dass eine internationale Truppe da sein muss, wenn der Waffenstillstand zwischen Israel und Libanon halten soll, dass diese internationale Truppe eingebunden werden muss in einen Friedensprozess, aber dass es diesen Friedensprozess eben ohne diese internationale Truppe nicht geben wird und wir sind zweitens der Auffassung, dass Deutschland sich militärisch hieran nur sehr eingeschränkt beteiligen kann, also das was - Gott sei Dank sage ich an dieser Stelle - die Italiener und die Franzosen machen, nämlich zum Beispiel am Boden zwischen den Fronten zu stehen, das geht für deutsche Soldaten nicht.

    Denn wir sind gegenüber Israel nicht neutral und deswegen muss jede Form der Konfrontation mit israelischen Soldaten ausgeschlossen sein, dann bleibt möglicherweise eine Beteiligung an der seeseitigen Absicherung gegenüber dem Waffenschmuggel. Hier sind aber eine ganze Reihe von Fragen, die wir an die Bundesregierung gestellt haben, noch nicht beantwortet worden und wir müssen abwarten, ob heute morgen in der Kabinettssitzung und in dem Mandat diese Fragen dann tatsächlich auch beantwortet wurden.

    Simon: Welche Fragen sind das konkret?

    Trittin: Es geht zum einen um den konkreten Auftrag von UNIFIL, also ist dieses konzentriert auf die Bekämpfung des Waffenschmuggels oder sollen auch Störungen des Waffenstillstandes von beiden Seiten auf Seeseite da unterbunden werden. Was ist zum Beispiel die Führungsstruktur von UNIFIL? Das heißt, wie wäre Deutschland an einer solchen operativen Führung, was ja zum ersten Mal dann unter Kommando der Vereinten Nationen direkt wäre, eingebunden. Diese Fragen hat die Bundesregierung bisher, obwohl sie mehrfach sowohl im Auswärtigen Ausschuss, so wie im Verteidigungsausschuss gestellt worden sind, nicht beantwortet. Und das finden wir misslich für eine Bundesregierung, die Wert darauf legt, dass es ja für ein solches Mandat deutscher Soldaten einer möglichst breiten Mehrheit im Parlament bedarf. Das ist ja auch keine einfache Entscheidung, auch für die einzelnen Abgeordneten nicht.

    Simon: Die von Ihnen angesprochenen Störungen, die möglicherweise auch von deutschen Soldaten unterbunden werden müssten, würde Sie das im Auftrag stören?

    Trittin: Nun, würde man an die Grenze kommen, wo wir sagen, hier gibt es Problemen, beispielsweise im Verhältnis zu Israel, da würden Deutsche an eine Grenze kommen. Aber es geht eben auch hier an dieser Stelle darum, was und welche Kompetenz und welche Klarheit in der Kompetenz auch zum Beispiel für die deutschen Soldaten bestehen, wenn sie beispielsweise Schiffe kontrollieren. Wir glauben oder das was wir hören - schriftlich haben wir das noch nicht- das was wir hören aus den Vereinten Nationen ist, dass hier eine Lösung gefunden worden ist, die auf der einen Seite die Handlungsfreiheit, die notwendig ist den deutschen Soldaten gibt und auf der anderen Seite die Souveränität des Libanon auch tatsächlich achtet. Das wäre für uns eine ganz wichtige Voraussetzung.

    Simon: Also wenn das gegeben wäre, dann könnten Sie sich auch vorstellen, zuzustimmen?

    Trittin: Es gibt bei uns eine Reihe von Abgeordneten, die dazu bereit wären. Ich glaube nicht, dass alle dieses sein werden. Aber wie viele das sein werden, das wird sehr davon abhängen, mit welch offenen Karten die Bundesregierung und mit welcher Klarheit sie auch dann heute Morgen auf die Unterrichtung unserer Fraktionsvorsitzenden und dann schließlich auf das gesamte Parlament mit dem Kabinettsbeschluss zukommt.

    Simon: Das heißt, das Meinungsbild ist noch sehr unterschiedlich in der Fraktion. Wenn die Dinge so sind, wie Sie sich das als außenpolitischer Sprecher sich das wünschen, könnte es dann eine Mehrheit sein?

    Trittin: Ich sehe mich als stellvertretender Fraktionsvorsitzender erst einmal in der Rolle diesen Prozess so zu begleiten, dass wir eine möglichst einheitliche Grundhaltung haben. Aber Grüne haben sich in dieser Entscheidung, in solchen Entscheidungen, es nie leicht gemacht. Wir tragen, jeder Abgeordnete für sich, auch ein Stück Verantwortung, auch möglicherweise für das was deutschen Soldaten dann in diesem Einsatz droht und deswegen muss dieses eine Gewissensentscheidung bleiben und abgesehen wie gesagt von der Grundübereinstimmung, ja zu dem UNO-Einsatz, ja zu einer Einbettung dieses Einsatzes in eine Friedenslösung, kann ich mir vorstellen, dass die Abgeordneten der Grünen unterschiedlich abstimmen. Aber ich würde mir wünschen, dass die Bundesregierung die Voraussetzung schafft, dass möglichst viele Abgeordnete einer solchen Mission, wenn sie denn für nötig ist, auch zustimmen kann.

    Simon: Ist es für Sie, für die Abstimmung der Grünen Bundestagsfraktion wichtig zu wissen, wie lange genau dieser Einsatz dauern soll?

    Trittin: Wir gehen davon aus, dass dieser Friedensprozess nicht von heute auf morgen beendet sein muss. Er muss jetzt schnell angegangen werden. Man darf nie wieder Soldaten, wie das vorher mit UNIFIL geschehen ist, dort hinschicken und dann sagen, damit haben wir das erledigt. Jetzt müssen begleitet solche Einsätze werden, mit Vorstößen für einen Interessenausgleich zwischen Libanon und Israel. Es muss die Frage der Schebaa-Farmen geklärt werden und ihrer möglichen Rückgabe an Libanon.

    Es muss einen Ausgleich geben zwischen Palästinensern und Israel, auch hier ist ja mit der Bildung einer Regierung der nationalen Einheit von palästinensischer Seite ein ganz wichtiger Schritt nach vorne gegangen worden und es muss darauf gedrungen werden, dass es zu einer Verständigung zwischen Israel und Syrien kommt. Hier hat Deutschland und deutsche Außenpolitik eine besondere Verantwortung, weil wir mit beiden Seiten an dieser Stelle reden können. Da sind wir einer der wenigen Staaten, die das können. Nur wenn das gelingt, gibt es überhaupt eine Chance, dass diese Mission zu einem politischen Erfolg wird, aber ich gehe nicht davon aus, dass sie sich wie beispielsweise die Mission im Kongo in Monatsfrist bewegt. Wir müssen uns hier schon auf einen längeren Einsatz einstellen.

    Simon: Herr Trittin, die Diskussion um den Einsatz, um das Mandat deutscher Soldaten im Libanon verlief ja ziemlich holperig bis zur heutigen Kabinettsentscheidung. Aber im Endeffekt ist jetzt das Ergebnis da. Alles in allem ein Erfolg der Bundesregierung?

    Trittin: Ich glaube, dass die Bundesregierung an dieser Stelle sehr, sehr holperig agiert hat. Das gilt insbesondere für den Bundesverteidigungsminister. Herr Jung hat in diesem Einsatz der der Absicherung eines Friedens- und Waffenstillstands gilt, sehr leichtfertig von Kampfeinsätzen gesprochen. Er hat mit unterschiedlichen Zahlen im Grunde genommen auch und gerade die Soldaten verwirrt. Ich würde einmal so sagen, wenn es am Ende ein vernünftiges Ergebnis ist, dann haben da viele Leute einen Verdienst dran. Aber einen Verdienst der Bundesregierung und insbesondere ihres Verteidigungsminister ist das nicht. Ich will aber an der Stelle auch fair sagen, dass sich die Bemühungen des Bundesaußenministers, der sich hier sehr um eine Friedenslösung bemüht hat, auch zu einem Zeitpunkt, als zum Beispiel die USA immer noch versucht haben, diesen Krieg weiter laufen zu lassen, anstatt sich auf einen Waffenstillstand einzustellen, dass ich die Bemühungen von Frank-Walter Steinmeier ausdrücklich loben möchte.

    Simon: Jürgen Trittin, der außenpolitische Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion. Herr Trittin vielen Dank für das Gespräch und auf Wiedersehen!

    Trittin: Danke Ihnen.