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Kein Entgegenkommen in Sicht

Beim EU-Ukraine-Gipfel geht es um Reformen und Handel. Die EU bietet der Ukraine die Ratifizierung eines wichtigen gemeinsamen Handelsabkommens an. Im Gegenzug verlangt die EU Reformen vor allem im Justizsektor.

Von Sabine Adler | 25.02.2013
    Zwei Meldungen über Julia Timoschenko gingen kurz vor dem Gipfel durch die ukrainischen Zeitungen. Aber weder die eine, noch die andere wird die EU-Gesandten milder stimmen. Erstens: In Julia Timoschenkos Krankenzimmer wird die Kamera abgebaut, hat Präsident Janukowitsch verfügt. Zweitens: Julia Timoschenko braucht angeblich keine medizinische Behandlung mehr, sagt der ukrainische Gesundheitsminister, was bedeutet, die populäre Gefangene muss zurück in die Frauenhaftanstalt Charkow.

    Die Nachricht, die den Ausgang des Treffens hätte verändern, die zu einer Unterzeichnung des Assoziationsabkommens mit der Ukraine in diesem November in der litauischen Hauptstadt Vilnius womöglich hätte führen können, wäre ihre Begnadigung oder vorzeitige Haftentlassung. Doch davon ist keine Rede. Nicht beim Präsidenten, nicht beim ukrainischen Botschafter in Deutschland, Pawlo Klimkin:

    "Gemäß der ukrainischen Gesetzgebung kann man so was nur machen, wenn ein Antrag auf Begnadigung gestellt wird. Und dieser Antrag ist – soviel ich weiß – nicht da."

    Statt die ehemalige Regierungschefin zu begnadigen, sieht Präsident Janukowitsch zu, wie gerade ein neues Verfahren eröffnet wird. Nach der ersten Anklage wegen Amtsmissbrauchs, der zweiten wegen Steuerhinterziehung lautet die dritte nun Mord.

    "Es gibt den Verdacht im Falle des Mordes an einem Abgeordneten. Aber die Ermittlungen laufen und auf Spekulationen werde ich auf gar keinen Fall eingehen."

    Ein Verfahren, das jetzt noch einmal aufgerollt wird, das 2003 bereits eingestellt worden war, weil Timoschenko keine Beteiligung an dem mafiaähnlichen Überfall auf den Geschäftskonkurrenten nachgewiesen werden konnte.

    Polens Präsident Komorowski, traditionell ein Anwalt der Ukraine in der EU, erinnert seinen Amtskollegen in Kiew diplomatisch verklausuliert daran, dass er sich bewegen muss.

    "Ich möchte meinen persönlichen Optimismus äußern, wenn es um die Gesten und Entscheidungen geht, die Präsident Janukowycz angekündigt hat. Sie sind mit zwei Namen verbunden – Tymoszenko und Lucenko."

    Letzterer ist der ehemalige Innenminister der Regierung Timoschenko, ebenfalls in Haft. Kiews Mann in Berlin hat die ukrainische Delegation bei den Verhandlungen geleitet, es ist auch sein Abkommen, und erst dann ein wirklicher Erfolg, wenn die Tinte darunter trocken ist. Doch die Unterschriften wird es ohne Bewegung im Fall Timoschenko nicht geben, lautet die klare Ansage aus Brüssel, der Vorwurf: selektive Justiz. Kiew dagegen möchte die Dinge voneinander trennen. Erst das Abkommen unterschreiben, dann Reformen. Umgekehrt, sagt die EU, erst die Reformen, dann das Abkommen, denn sie hat zum Beispiel im Fall Bulgarien und Rumänien Schiffbruch erlitten.

    Timoschenko im In- und Ausland schlechtzumachen, ist nicht schwer. Die ukrainische Regierung verweist auf das von ihr mit Putin ausgehandelte Gasabkommen, unter dem die Ukraine ächzt.

    "Die Preise sind die höchsten in Europa. So eine Menge brauchen wird nicht. Aber auch wenn die Wirtschaft normal läuft. Deswegen verhandeln wir mit Russland, dass wir einen neuen, fairen Vertrag abschließen können."

    Sieben Jahre Haft hatte Timoschenko dieses Gasabkommen eingebracht. Begründung: Amtsmissbrauchs. Der Ukraine nimmt das teure Gas die Luft zum Atmen, zumal die veralteten Schwerindustriebetriebe Energiefresser sind. Seit 2009 wird Energie gespart, wo immer möglich. Effekt: Der Verbrauch sank auf die Hälfte, wozu auch die Krise beigetragen hat. Kiew nahm Russland nur die Hälfte der vertraglich vereinbarten Menge ab. Soll jetzt aber, getreu dem Motto "take or pay", die volle Summe zahlen.

    Noch ist offen, ob das ukrainische staatliche Naftogas-Unternehmen gerichtlich gegen die russischen Zahlungsforderungen für das nicht abgenommene Gas vorgeht.