Archiv


Kein Geld für archäologische Stätten in Mazedonien

Kokino – was soll das denn sein?

Von Wolf Oschlies |
    Die Einwohner der makedonischen Hauptstadt Skopje wissen nicht, welche Schätze ganz in ihrer Nähe, beim etwas nördlich gelegenen Kumanovo, gefunden wurden. 2001 entdeckte der Archäologe Jovica Stankovski, Museumschef in Kumanovo, im Gebirge Tatičev bei dem Dorf Kokino eine prähistorische Siedlung, die reiche Keramikfunde ergab. Aber das war nur der Anfang und den Stand nach dreijähriger Erkundung verkündete dieser Tage Gjore Cenev, Leiter des Skopjer Planetariums:

    Wir fanden in dem Massiv sieben Markierungen, die auf die extremen Positionen von Sonne und Mond ausgerichtet sind, welche diese im Jahresverlauf einnehmen.

    Damit wurde Kokino zur internationalen Sensation, als Ort des ersten megalithischen Observatoriums auf dem Balkan. Im Megalithikum, ab 4000 vor Christus, begannen sesshaft gewordene Ackerbauern erstmals, den Lauf der Gestirne zu beobachten, um optimale Zeiten für Saat und Ernte zu ermitteln. Im kälteren Norden bestand dafür erhöhter Bedarf, wie die Fundstätten im schottischen Stonehenge, im mecklenburgischen Boitin und anderswo bezeugen. Im warmen Balkan hatte man so etwas kaum vermutet, aber jetzt fand der Geologe Čedomir Arsovski unter Einsatz modernster Hightech heraus, dass die Felsen über Kokino, die so genannten prestoli (Throne), menschliche Bauwerke sind, vor genau 3.815 Jahren aus Vulkanstein errichtet und exakt in den Maßen von Stonehenge dimensioniert. Mit diesen Erkenntnissen waren Stankovski und Cenev jüngst Stars der Konferenz Archaeology of World Megalithic Cultures in Griechenland. Vom Echo von Kollegen aus aller Welt berichtet Cenev:

    Die Teilnehmer zeigten großes Interesse, sie waren überrascht von so interessanten Funden in Makedonien. Es wurde beschlossen, das ganze Balkan-Territorium zu erforschen. Wir berichteten, dass wir im Umkreis von 30 Kilometern weitere Observatorien vermuten und eins haben wir schon im Gebiet von Kratovo in Arbeit.

    So weit, so gut und so ermutigend. Aber dann kommt ein spezifisch makedonischer Störfaktor ins Bild, den sogar der Mann auf Skopjer Straßen seufzend eingesteht:

    Die Ausländer sind wohlinformiert und haben ihre und unsere Fundstätten gut im Blick. Wir kümmern uns nicht viel um sie, tun nicht viel für ihren Schutz.

    Wer schon einmal in Makedonien war, kennt antike Ausgrabungsstätten wie Stobi (bei Skopje), Heraklea (bei Bitola) und andere, die bestenfalls die Visitenkarte des antiken Makedoniens sind, das in der Bibel häufiger als Griechenland erwähnt ist. Wie wenig reiches Kulturerbe, arme Gegenwart und allgemeines Desinteresse zueinander passen, weiß Gjore Cenev:

    Viele Leute sind sich einfach nicht bewusst, wie viel Makedonien auf der Kulturlandkarte der Welt darstellt. Wir haben in Makedonien um die 4.000 archäologische Lokalitäten, und als kleines und armes Land können wir sie nicht alle zur gleichen Zeit betreuen. Aber wir müssen unser Verhältnis zum Kulturerbe von grundauf ändern.

    Dafür soll Druck von außerhalb sorgen. Die makedonischen Archäo-Astronomen kriegten Kooperationsangebote aus Ungarn und Bulgarien, dazu internationales Interesse für ihre Funde. Für die sind zunächst Vorleistungen des makedonischen Staats nötig, der bislang gerade mal 500 Europa jährlich herausrückte. Dass Kokino weltweit bekannt wurde, verdankt es britischen Websites, die sich den makedonischen Forschern gratis öffneten. Da muss mehr her, um noch mehr im Ausland zu bekommen, weiß der in internationaler Forschungsförderung erfahrene Cenev:

    Wie arm wir auch sind, wir müssen aktiv werden, um Anschluss an internationale Fonds zu finden, die Mittel für solche Forschungen bereitstellen.