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Kein Geld, keine Leute

Vor einem Monat erst hatte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Bilanz gezogen und festgestellt: In jedem fünften Betrieb in Deutschland, der Lebensmittel herstellt, bearbeitet oder verkauft, gab es etwas zu beanstanden. Aber eine generelle Aussage über die Qualität der Lebensmittel könne man nicht machen, denn, so das Bundesamt, die Kontrolleure richten ihr Augenmerk gezielt auf Erzeugnisse, von denen erfahrungsgemäß ein erhöhtes Risiko für den Verbraucher ausgehen könnte. Für alles weitere fehlen Geld und Leute. Ist die Lebensmittelkontrolle und -überwachung in Deutschland angesichts dieser Situation noch ein wirksames Instrument für den Verbraucherschutz? Das Beispiel Rheinland-Pfalz.

Von Anke Petermann |
    Die Kontrolle von Lebensmitteln - vom Döner am Imbissstand bis zum Deckel des Babygläschens, der Stoffe an die Nahrung abgeben kann - ist Ländersache. Eine Daueraufgabe, die wir ernst nehmen, sagt die Mainzer SPD-Umweltministerin Margit Conrad.

    Wir liegen hier wirklich gut.

    Und zwar bezüglich der Proben pro Tausend Einwohner. Doch die Statistik im deutschen Bericht für die EU-Kommission, vom Nachrichtenmagazin Spiegel vorab zitiert, spricht eine andere Sprache: danach ist Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr vom letzten auf den vorletzten Platz vorgerückt, was die Überwachungsdichte angeht: nur 32 % der Lebensmittelbetriebe vom landwirtschaftlichen Erzeuger über die Gastronomie bis zum Händler sind danach im letzten Jahr kontrolliert worden, bundesweit waren es 54 %.

    Doch Rheinland-Pfalz verweist auf statistische Ungereimtheiten, die Kontrollen der Weinbaubetriebe seien nicht einbezogen worden. die Statistik beruhe insgesamt nicht auf objektivierbaren Daten, erregt sich die SPD-Ressortchefin Margit Conrad:

    Ja, hat sich herausgestellt, muss man einfach so sagen. Jeder, der ein bisschen Ahnung von Statistik hat, hätte - bevor er das veröffentlicht -feststellen müssen, dass da Sachen verglichen werden, die nicht vergleichbar sind.

    Was die EU-Kommission, die schon lange die föderale Zersplitterung und mangelnde Koordination der Lebensmittelkontrolle in Deutschland kritisiert, kaum beruhigen dürfte. In vielen Bundesländern – auch in Rheinland-Pfalz - ist der Vollzug der Überwachung in den neunziger Jahren auf die Kreise und kreisfreien Städte verlagert worden, was zusätzliche regionale Schwankungen in der Risikobewertung und Kontrolldichte nach sich zieht.

    In Hessen hatte der Landkreis Darmstadt-Dieburg gedroht, die Lebensmittelkontrollen ab Mitte des Monats einzustellen, weil nach Kürzungen durch das Land kein Benzingeld mehr da sei, im kreisfreien Darmstadt beschränkten sich die Prüfer eine Zeitlang auf fußläufig erreichbare Unternehmen. Doch nun gewährte das Umweltministerium einen Nachschlag. Mit Blick auf Rheinland- Pfalz fordert Elke Kilz, verbraucherpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion:

    Es müssen von Landesseite einheitliche Kriterien vorgegeben werden für die Kreise und kreisfreien Städte, wie sie bei der Lebensmittelkontrolle vorgehen. Wir brauchen auch eine einheitliche Regelung auf Bundesebene. Da gibt es einen Entwurf des zuständigen Bundesministeriums, der leider von den Ländern auf der letzten Bundesratssitzung vor der Sommerpause zurückgewiesen wurde.

    Das Problem ist natürlich, dass es Geld kostet, eine höhere Anzahl und eine höhere Qualität der Lebensmittelkontrollen vorzuschreiben und dann umzusetzen, aber das muss dann an anderer Stelle eingespart werden.


    Wir brauchen keinen Nachhilfeunterricht, kommentiert die Mainzer SPD-Umweltministerin Margit Conrad den jüngsten Vorstoß der grünen Bundesverbraucherministerin, die angekündigt hatte, der Bund wolle sich in die Überwachung einschalten, um die Länder zu stärkerer Koordinierung zu bringen.

    Es gibt seit langem Bund-Länder-Koordinierungskreise, in denen die Bundesregierung auch mitarbeitet. Natürlich brauchen wir bundeseinheitliche Standards, und wir brauchen vor allem auch , was die Statistiken betrifft, vergleichbare Grundlagen, damit man hier nicht Äpfel mit Birnen vergleicht.

    Alle fordern mehr Einheitlichkeit, drei Länder tun jetzt etwas. Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben soeben eine Kooperation bei der Kontrolle von Lebensmitteln und Bedarfsgütern offiziell verabredet. Dabei setzen auch das um, was die grüne Bundesministerin anmahnte: Spezialisierung und Aufgabenteilung.

    So soll Sachsen zum Beispiel für die Prüfung von Bedarfsgegenständen aus Kunststoff - wie Löffel -verantwortlich sein, Sachsen-Anhalt konzentriert sich unter anderem auf Styropormaterialien im Lebensmittelbereich. Teure Analysetechnik muss nur einmal angeschafft werden.

    Damit wollen die drei Länder Kapazitäten für wachsende Herausforderungen in anderen Bereichen freisetzen. Dazu gehört seit dem Frühjahr auch, Lebensmittel im Handel auf kennzeichnungspflichtige Gen-Zutaten hin zu überprüfen. Die Ergebnisse fließen in die kommenden Jahresberichte ein.